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Artikel „Schwann, Franz“ von Karl Friedrich Pfau in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 54 (1908), S. 270–273, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Schwann,_Franz&oldid=- (Version vom 23. November 2024, 22:54 Uhr UTC)
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Schwann: Franz Sch., Verlagsbuchhändler, Inhaber der Schwann’schen Verlagsbuchhandlung mit Druckerei in Düsseldorf, wurde zu Neuß a. Rhein am 1. August 1815 als der vierte Sohn und das sechste von den zehn [271] Kindern der Eheleute Leonard Schwann und Elisabeth geb. Rattels geboren. Der Vater, gelernter Goldschmied, wandte sich noch in seinem 43. Lebensjahre der Buchdruckerkunst zu, ermuntert hierzu von einem geistlichen Oheim, der aus Liebhaberei etwas Mechanik trieb. Ein diesem befreundeter Kanonikus in Kevelaer, der in seinen Mußestunden die schwarze Kunst als Dilettant betrieb, erbot sich, den Neuling in die Geheimnisse des Setzens und Druckens einzuweihen. Am 31. März 1821 trat Leonard Sch. die wichtige Reise an; ein Tag wurde zur Hinreise, ein Tag zur Rückreise gebraucht, und da der „Lehrling“ am 2. April Abends schon wieder in Neuß eintraf, so hatte die ganze Lehrzeit nur einen einzigen Tag gedauert. Allein dieser eine Tag hatte genügt, ihn mit den Einzelheiten der Druckerkunst so vertraut zu machen, daß er im Stande war, nach seiner Rückkehr den Bau einer Presse nach einer von ihm angefertigten Zeichnung selbst in Angriff nehmen zu können. Die Arbeit wurde so gefördert und gelang so wohl, daß er schon am 22. Juli desselben Jahres die Concession zur Errichtung einer Buchdruckerei nachsuchen konnte. Die ganze Einrichtung einschließlich der Reise nach Kevelaer hatte 218 Reichsthaler und 39 Stüber gekostet. Am 4. November 1821 wurde ihm die Concession ertheilt, und von diesem Tage datirt die Gründüng der Schwann’schen Verlagsbuchhandlung. Der Anfang des Geschäfts war freilich sehr bescheidener Art, allein unter der Leitung dieses energischen Mannes dehnte sich dasselbe allmählich immer weiter aus. Leonard Sch., mit scharfem Blicke die Entwicklungsfähigkeit desselben erkennend, bestimmte, daß sein vierter Sohn, Franz, geboren am 1. August 1815, für die Buchhandlung und -Druckerei ausgebildet werde, um ihm später als Stütze und Nachfolger zu dienen. Franz Sch. besuchte das Progymnasium seiner Vaterstadt und war in Vorbereitung auf seinen späteren Beruf in seinen Nebenstunden in Buchhandlung und Officin thätig. Um sich auch in der damals im Aufblühen begriffenen Steindruckerei auszubilden, erhielt er während der schulfreien Mittwoch- und Samstag-Nachmittage in der lithographischen Anstalt von Amy & Co. im benachbarten Düsseldorf die erste Unterweisung in der Kunst Senefelder’s. Nach Abgang von der Schule trat Sch. in die Sortimentsbuchhandlung von Bernard & Dubyen in Köln als Lehrling ein, wo er sich in kurzer Zeit auch mit diesem Zweige des Buchhandels vertraut machte. Von dort kehrte er nach Neuß in das väterliche Geschäft zurück, um diesem von nun an bis zu seinem Tode seine ganze Kraft zu widmen. Gleich in den ersten Jahren der Thätigkeit Franz Schwann’s im väterlichen Geschäfte traf dasselbe ein harter Schlag. Im J. 1826 hatte der Vater in Gemeinschaft mit einem andern Neußer eine Zeitung, das „Neußer Kreis-, Handels- und Intelligenzblatt“ gegründet, welches, wöchentlich zwei Mal erscheinend, damals der vornehmste Verlagsartikel war und den Grundstock der Arbeit für die Druckerei bildete. 1834 hatte L. Schwann das Eigenthumsrecht an dem Blatte vollständig gegen eine namhafte Abfindungssumme erworben, als im Februar 1835 plötzlich die Nachricht in Neuß eintraf, daß ein Anderer zur Herausgabe des „Neußer Kreisblattes“ concessionirt worden und so der Bestand der L. Schwann’schen Zeitung in Frage gestellt sei. Alle Schritte, um den drohenden Schlag abzuwenden, waren ohne Erfolg, und so blieb nichts übrig, als mit dem neuen Concessionar einen Vergleich zu schließen und diesen als gleichberechtigten Theilhaber an dem erst vor kurzem mit Opfer erworbenen Eigenthume aufzunehmen. Bis zum Jahre 1848, welches mit vielen anderen Freiheiten auch die Preßfreiheit brachte, dauerte dieses drückende Verhältniß. Da erst gelang es, das alleinige Verlagsrecht der Zeitung zurückzuerhalten.

Um für die Buchdruckerei hinreichend Beschäftigung zu finden, wandte [272] Franz Sch. sich vorerst der Ausdehnung des Formulargeschäfts, welches bald das reichhaltigste der Rheinprovinz wurde, und dann der Verlagsthätigkeit zu. Letztere entwickelte sich in der ersten Zeit hauptsächlich nach zwei Richtungen. Wie Neuß eine streng katholische Stadt war, so hing auch die Familie Schwann in allen ihren Mitgliedern und Verzweigungen aus voller Ueberzeugung der katholischen Kirche an. Das führte die neue Druckerei dazu, katholische Gebets- und Erbauungsschriften in Verlag zu nehmen. Der „Katholische Volkskalender“, anfangs von dem Gesellenvater Kolping verfaßt, Werke aus der katholischen Kirchengeschichte, Predigt-Sammlungen etc. gesellten sich ebenfalls dazu. Der älteste Bruder, der mittlerweile wegen Krankheit seinen Abschied als Professor der katholischen Theologie genommen hatte, übersetzte in musterhafter Weise auf Wunsch Franz Schwann’s für den väterlichen Verlag die „Philothea“ von Franz von Sales und die „Nachfolge Christi“ von Thomas von Kempen, welche beiden Bücher, namentlich das letztere, in den verschiedensten Ausgaben und Ausstattungen und immer neuen großen Auflagen erschienen. Für die zweite Richtung, den Verlag von Schulbüchern, wurde die Verbindung mit dem 1842 gegründeten Schullehrer-Seminar in Kempen von großer Bedeutung. Die „Bücher’sche Fibel“, welche es auf über 100 Auflagen brachte, die Lesebücher desselben Verfassers, die Rechenbücher von Kentenich, die „Katholische Zeitschrift für Erziehung und Unterricht“, denen sich noch eine ganze Reihe ähnlicher Werke anschloß, folgten rasch auf einander. Im Jahre 1845 war die erste Schnellpresse in Dienst gestellt worden, 1851 folgte bereits die zweite, 1856 die dritte, und so ging es stetig weiter.

Gleich dem Verlage widmete Franz Sch. auch der Buchdruckerei die äußerste Sorgfalt, und sein Streben war ausschließlich darauf gerichtet, nur Mustergültiges zu liefern. Die L. Schwann’sche Druckerei leistete bald so Hervorragendes, daß häufig aus den bedeutendsten Centren des deutschen Buchhandels, aus Leipzig, Berlin u. s. w., sogar aus London und Paris Druckaufträge für feinere Farbendrucksachen nach dem entlegenen Neuß kamen. Die Wiener Weltausstellung 1873 und die Düsseldorfer Ausstellung 1880 erkannten die Leistungsfähigkeit der L. Schwann’schen Buchdruckerei durch Verleihung hoher Auszeichnungen an.

Als die Falk’sche Aera[WS 1] einen Theil der im L. Schwann’schen Verlage erscheinenden Schulbücher aus den Schulen entfernte, wurde in einem neuen Zweige der Litteratur, dem juristischen, dafür Ersatz gesucht und gefunden. Die großen Grotefend’schen Gesetzsammlungen (preußische, deutsche, hannoversche u. s. w.) nebst einer ganzen Reihe von Einzelausgaben von Gesetzen mit Commentar traten in die Lücke, ohne daß darum etwas versäumt wurde, das verlorene Terrain in dem Schulbücher-Verlage wieder zu gewinnen.

Mittlerweile war das L. Schwann’sche Geschäft auf einem Punkte angelangt, wo es, sollte seine natürliche Weiterentwicklung nicht Schaden leiden, dringend nothwendig wurde, dasselbe nach einer größeren Stadt mit ihren Hülfsmitteln, Verbindungen u. s. w., wie sie das kleine Neuß nicht zu bieten vermochte, zu verpflanzen. Obgleich Franz Sch. die Sechzig überschritten hatte und die ganze Last des Geschäftes noch immer fast einzig auf seinen Schultern ruhte, entschloß er sich doch zu dem Schritte, die Stätte seiner bisherigen Wirksamkeit zu verlassen und nach dem benachbarten, in raschem Aufblühen begriffenen Düsseldorf überzusiedeln. Nachdem ein allen Anforderungen der Neuzeit entsprechendes, mit den besten Maschinen und Hülfsmaschinen ausgerüstetes Druckereigebäude hergestellt war, fand der schwierige und langdauernde Umzug statt. Die Sortimentsbuchhandlung in Neuß wurde verkauft, [273] und nur der älteste Verlagsartikel, die 1826 gegründete „Neußer Zeitung“, mit Zeitungsdruckerei dort belassen. Im Herbst 1878 war der Umzug vollendet.

Nahezu 10 Jahre sollte es Franz Sch. noch vergönnt sein, an der neuen Stätte zu wirken. Waren auch die Jahre an ihm keineswegs spurlos vorübergegangen, machte sich auch infolge der gewaltigen Arbeitslast, welche er viele Jahrzehnte hindurch getragen, allmählich ein Nachlassen der geistigen Spannkraft und Willensenergie geltend, so blieb er, der von Morgens früh bis spät Abends von allem Kenntniß nahm, alles selbst anordnete, alles überwachte, doch nach wie vor die Seele des Geschäfts. Das Wiederaufleben der ältern strengern Richtung in der katholischen Kirchenmusik gab ihm Veranlassung, den Verlag des „Gregoriusblattes“ und des „Gregoriusboten“, der beiden diese Richtung vertretenden Organe der Rheinprovinz, zu übernehmen. Nebenher gingen Verhandlungen wegen Uebernahme einer neuen „Zeitschrift für christliche Kunst“, die gleichfalls zum Ziele führten. Jahrelang beschäftigte er sich mit einer reich illustrirten Prachtausgabe des Thomas von Kempen. Letztere Ausgabe konnte er noch Ende des Jahres 1887, dem Andenken seines heimgegangenen Bruders Peter, des Uebersetzers, gewidmet, in die Welt gehen lassen; das Erscheinen des ersten Heftes der „Zeitschrift für christliche Kunst“ sollte er nicht mehr erleben.

Die geistige Ueberanstrengung hatte seine sonst so kräftige und widerstandsfähige Constitution untergraben. Eine leichte Erkältung, die er sich im harten Winter 1887/88 zugezogen, wollte nicht weichen. Sie zwang ihn endlich aufs Krankenlager, von dem er sich nicht wieder erhob. Am 5. März 1888 rief ihn der Tod ab. Strenge Rechtlichkeit war die Richtschnur seines Handelns; die Religion war ihm Herzenssache, und nach ihren Vorschriften suchte er sein ganzes Thun gewissenhaft zu regeln. Er war knapp und kurz in Worten, einfach und schlicht, allem Prunke und äußeren Scheine feind, einer jener seltenen Menschen, die je mehr gewinnen, je näher man sie kennen lernt. Stolz und Hochmuth blieben ihm auch auf der Höhe des Erfolges fremd. Fleiß und Strebsamkeit unterstützte er bereitwillig, und gern ertheilte er seinen Rath, wo immer man ihn darum anging. Selbst nicht verheirathet, war er, mit seinem starken Familiensinne, seiner Fürsorge der lebendige Mittelpunkt, um den sich seine Geschwister in Eintracht und Liebe fest zusammenschlossen. Nach seinem Tode ging das umfangreiche Geschäft an seine Erben über, die dasselbe in unveränderter Weise und nach den Principien ihres Vorgängers weiterführten.


Anmerkungen (Wikisource)

  1. Von 1872 bis 1879 war Adalbert Falk (1827-1900) preußischer Kultusminister.