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Artikel „Schultz, Karl Heinrich“ von Ernst Wunschmann in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 32 (1891), S. 722–723, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Schultz,_Karl_Heinrich&oldid=- (Version vom 29. März 2024, 13:11 Uhr UTC)
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Schultz: Karl Heinrich S., gen. Bipontinus, Bruder von Friedr. Wilh. S. (s. o. S. 706), praktischer Arzt und botanischer Schriftsteller, geboren zu Zweibrücken am 30. Juni 1805, † zu Deidesheim am 17. December 1867. Nach Absolvirung der Elementarschule und des Gymnasiums seiner Vaterstadt besuchte S. von 1825 an die Universität Erlangen, um Medicin und Naturwissenschaften zu studiren, auf welche eigene Neigung und frühzeitige, zum Theil mit seinem Bruder zusammen getriebene Vorstudien ihn hinwiesen. Außerordentlich fleißig in seinen wissenschaftlichen Studien, für welche ihm W. D. Koch, der große Florist, Vorbild und Förderer wurde, entzog sich S. doch auch nicht dem damals besonders lebhaft wogenden studentischen Leben. Er wurde Burschenschafter. 1827 siedelte er nach München über und trat hier mit dem Zoologen Max Perty, späterem Professor in Bern, in wissenschaftliche und freundschaftliche Beziehungen. Nachdem er 1829 nach bestandener erster medicinischer Prüfung und Erwerbung der Doctorwürde auf Grund der Dissertation: „De Entero-Mesenteride contagiosa“, seine akademischen Studien abgeschlossen, begab er sich nach seiner Vaterstadt zurück, um unter Leitung seines Oheims, des vielgesuchten praktischen Arztes Dr. Ferdinand S., das damals vorgeschriebene biennium practicum durchzumachen. Ein einjähriger Aufenthalt in Paris 1830 machte ihn mit der chirurgischen Praxis in den Hospitälern bekannt, worauf er, nach der Heimath zurückgekehrt, 1831 in München sein Staatsexamen bestand und sich daselbst als praktischer Arzt niederließ. Als solcher wußte S. sich bald durch die Gediegenheit und persönliche Liebenswürdigkeit seines Wesens das Vertrauen weiterer Kreise zu erwerben, eine sorgenlose Zukunft schien ihm bevorzustehen, da trat im folgenden Jahre schon eine verhängnißvolle Wendung in seinem Leben ein. Seine politisch freie Richtung hatte ihn verdächtig gemacht und da er sich dazu hergegeben hatte, ihm übergebene politische Flugschriften, die mit Beschlag belegt worden waren, unter Freunden und Bekannten zu vertheilen, so wurde er, soeben von einem botanischen Ausflug nach Tirol heimgekehrt, im August 1832 verhaftet und auf die Frohnsveste gebracht. Nachdem die gerichtliche Untersuchung sich ohne Ergebniß durch mehrere Jahre hingezogen, wurde S. nach dreijähriger Haft entlassen, unter Einbuße seines Vermögens, aber ungeschwächt an Körper und Geist. Ja es wurde ihm der Kerker eine Stätte der Wissenschaft. Durch Dr. Julius Schultes, den späteren Professor der Botanik in Landshut, damals als praktischer Arzt in München lebend, wurde S. auf das Studium der Compositen hingewiesen und mit allem dazu nöthigen pflanzlichen und litterarischen Material versehen, so daß es ihm gelang, die Bitterkeit seines Schicksals in rastlosem Fleiße vergessend, als gründlicher Kenner dieser größten phanerogamen Pflanzenfamilie den Kerker zu verlassen. Nach wiedererlangter Freiheit siedelte sich S. zunächst in seiner Vaterstadt Zweibrücken an, die er aber alsbald verließ, um die ihm übertragene Stelle eines Hospitalarztes in Deidesheim anzunehmen, [723] woselbst er von 1836 an ein stilles, seinem Beruf und schriftstellerischer Thätigkeit gewidmetes Leben führte. Nach W. D. Koch’s Tode im J. 1849 wurde S. von der Erlanger philosophischen Facultät, wie es Koch’s Wunsch gewesen war, als dessen Nachfolger präsentirt, von der Regierung aber nicht bestätigt. Auf Schultz’ Anregung entstand im J. 1840 die Gesellschaft Pollichia, benannt nach dem als Arzt und Botaniker ausgezeichneten Pfälzer J. A. Pollich († 1780, vgl. A. D. B. XXVI, 393), die ihren Sitz in Dürkheim hatte, Freunde der Naturwissenschaften aus den gebildeten Ständen zu ihren Mitgliedern zählte und den Zweck verfolgte, die Erforschung der Pfalz in botanischer, zoologischer und mineralogischer Hinsicht zu fördern, wozu regelmäßige Jahresberichte die Mitglieder auf dem Laufenden erhielten. S. war die Seele des ganzen Unternehmens und mit Freude und Genugthuung konnte er noch im J. 1865 auf die 25-jährige Jubelfeier der Gesellschaft zurückblicken. Aber bereits zwei Jahre darauf wurde der mit seinen 62 Jahren noch in körperlicher und geistiger Jugendfrische stehende stattliche Mann als Opfer eines Herzleidens plötzlich dahingerafft.

Den Beinamen Bipontinus hatte sich S. beigelegt, um Verwechslungen mit gleichnamigen botanischen Schriftstellern vorzubeugen. Seine litterarische Thätigkeit auf botanischem Gebiete war ausschließlich den Compositen zugewandt, für welche Pflanzenfamilie er den Rang einer botanischen Autorität sich erworben. Eine Liste sämmtlicher Arbeiten findet sich in der Zeitschrift Flora vom Jahre 1870, Bd. 53, S. 53–58. Es sind hier über 60 Abhandlungen aufgeführt, die zerstreut in den Jahresberichten der Pollichia (1843–66) und den Zeitschriften Bonplandia (1853–62), Linnaea (1835–66), Flora (1833–66) veröffentlicht wurden und theils Monographien, theils einzelne Genera und Species behandeln. Ein größeres, selbständig erschienenes Werk hat S. nicht verfaßt. Wohl aber erschienen einzelne Sonderabdrücke im Buchhandel, wie: „Analysis Cichoriacearum Palatinatus secundum systema articulatum“ 1841; „Ueber die Tanaceteen, mit besonderer Berücksichtigung der deutschen Arten“, eine Festgabe zu W. D. Koch’s Doctorjubiläum 1844; „Lychnophora und einige benachbarte Gattungen“, ebenfalls eine Festschrift, gelegentlich des 50jährigen Doctorjubiläums von v. Martius 1864 und „Beitrag zur Geschichte und geographischen Verbreitung der Cassiniaceen des Pollichiagebietes“ 1866. Seine an botanischen Werken reich ausgestattete Bibliothek wurde gleich nach seinem Tode veräußert und sein unvergleichlich großartiges Herbarium ging erst nach einiger Zeit durch Kauf in den Besitz von Cosson in Paris über.

Nekrolog in Jahresber. d. Pollichia 1868. – Pritzel, Thes. lit. bot.