ADB:Schubert, Friedrich Theodor von

Empfohlene Zitierweise:

Artikel „Schubert, Friedrich Theodor von“ von Ludwig Stieda in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 32 (1891), S. 628–631, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Schubert,_Friedrich_Theodor_von&oldid=- (Version vom 25. Dezember 2024, 19:41 Uhr UTC)
Allgemeine Deutsche Biographie
>>>enthalten in<<<
[[ADB:{{{VERWEIS}}}|{{{VERWEIS}}}]]
Band 32 (1891), S. 628–631 (Quelle).
[[| bei Wikisource]]
Friedrich Theodor von Schubert in der Wikipedia
Friedrich Theodor von Schubert in Wikidata
GND-Nummer 117108278
Rohdaten, Werke, Deutsche Biographie, weitere Angebote
fertig
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Kopiervorlage  
* {{ADB|32|628|631|Schubert, Friedrich Theodor von|Ludwig Stieda|ADB:Schubert, Friedrich Theodor von}}    

{{Normdaten|TYP=p|GND=117108278}}    

Schubert: Friedrich Theodor v. S. wurde am 30. Oct. 1758 in Helmstedt geboren, woselbst sein Vater Johann Ernst S., Abt des Klosters Michaelstein, Professor der Theologie an der Universität war (s. u. S. 635). Nachdem der Vater im J. 1764 nach Greifswald übergesiedelt war, wurde der junge Friedrich Theodor anfangs durch Privatlehrer, später in der Stadtschule zu Greifswald mit seinen Brüdern, deren er acht hatte, unterrichtet. Im J. 1773 bezog S. die Universität, um Theologie zu studiren; 1776 setzte er seine theologischen Studien in Göttingen fort, und predigte wiederholt mit Beifall. 1779 kehrte er nach Greifswald zurück, doch nicht, um daselbst zu bleiben. Es scheint, daß die Theologie ihm nicht behagte; er verließ seine Heimath und seine Familie, [629] um in der Fremde sein Glück zu suchen und – zu finden. Zunächst 1779 ging er als Reisebegleiter, vielleicht als Erzieher zweier junger Schweden nach Schweden. Wo er sich in Schweden aufhielt und wer seine Zöglinge waren, ist nicht bekannt. Im J. 1780 übernahm er die Stelle eines Hauslehrers bei einem Major v. Cronhelm zu Bartelshagen bei Stralsund und leitete damit in seinem Leben eine wichtige Wendung ein. Als Lehrer in Bartelshagen hatte S. seine Zöglinge – wohl die Söhne des Majors v. Cronhelm – unter anderm auch in der Mathematik zu unterrichten. Hierauf legte der Major Cronhelm großen Werth, er liebte die Astronomie und besaß vortreffliche astronomische Instrumente. S. sah sich deshalb veranlaßt, eingehende mathematische Studien zu machen, vertiefte sich allmählich in ernste mathematisch-astronomische Untersuchungen und ließ seine theologischen Studien bei Seite liegen; – so wurde aus dem Gottesgelehrten ein Naturforscher. Aber auch in anderer Hinsicht war der Aufenthalt zu Bartelshagen für S. sehr bedeutungsvoll, er fand hier im Hause Cronhelm die Frau, mit der er sich fürs Leben verband. Wann er sich verheirathet hat, weiß ich nicht. Im J. 1783 zog S. nach Reval (Esthland), lebte anfangs als Hauslehrer, dann als Kreisrevisor in Hapsal und unterrichtete hier junge esthländische Edelleute, vornehmlich in Mathematik, um sie zum Eintritt in den russischen Militärdienst vorzubereiten. Obgleich S. bisher nicht als Schriftsteller auf wissenschaftlichem Gebiet aufgetreten war, so muß doch die Kunde von seinem wissenschaftlichen Streben und seiner bedeutenden Leistungsfähigkeit auch in andere Kreise gedrungen sein: er erhielt 1785 einen Ruf nach St. Petersburg an die Akademie der Wissenschaften. Zunächst mußte er hier – wohl noch in einer bescheidenen Stellung – den berühmten Gottorp’schen Globus ausbessern, der durch eine Feuersbrunst beschädigt worden war, aber bereits am 18. September 1786 wurde er zum Adjuncten der mathematischen Classe für Geographie gewählt und zum Mitglied der akademischen Conferenz ernannt. Schnell schritt er nun vorwärts: am 19. Juni 1789 wurde er wirkliches Mitglied der Akademie (ordentlicher Akademiker) für Mathematik und 1799 Inspector der akademischen Bibliothek und des Medaillencabinets. Im J. 1803 vertauschte er die Stelle eines Akademikers für Mathematik mit der für Astronomie und übernahm die Leitung der akademischen Sternwarte. Nachdem S. bereits im J. 1791 durch eine französisch geschriebene theoretische Astronomie (Traité d’Astronomie théorétique) seinen wissenschaftlichen Ruhm begründet hatte, bewies er nun als Director der Sternwarte auch seine praktische Befähigung. Er verbesserte die Einrichtung der Sternwarte, die von 1763–1803 unter Stephan Rumowski gestanden hatte, stellte eine Reihe neuer Instrumente auf und wählte sich in dem Adjuncten Vincent Wisnewski einen passenden Gehülfen, der auch später sein Nachfolger wurde. S. hielt 1803 im Auftrage des Kaisers Vorträge über praktische Astronomie für die Officiere des Generalstabs und verfaßte eine „Anleitung zu astronomischen Beobachtungen, um die Länge und Breite der Orte zu bestimmen“, auf allerhöchsten Befehl zum Gebrauch der Officiere im Generalstab, St. Petersburg 1803. Das Werk wurde von Rumowski ins Russische übersetzt und sowohl in deutscher, wie in russischer Sprache wiederholt gedruckt. Im J. 1805 nahm S. Theil an der großen Expedition oder Gesandtschaft, die von Seiten der russischen Regierung nach China geschickt wurde. Es ist mir nicht möglich gewesen, irgend einen zusammenhängenden Bericht über diese großartig geplante, aber leider nicht beendigte Expedition zu ermitteln: es scheint, daß von Seiten der St. Petersburger Akademie kein Bericht veröffentlicht worden ist. Die Expedition bestand aus 500 Mann, darunter ein Corps Musikanten; es nahmen daran Theil Geheimrath Graf Potocki, Obrist d’Auvray und fünf andere Officiere, ein Engländer Harry als Arzt, ferner S. als Chef der wissenschaftlichen Abtheilung, insbesondere für Astronomie, J. H. Klaproth als Sprachforscher, [630] Adams als Naturforscher u. a. S. wurde von seinem damals 16jährigen Sohn, dem nachmaligen berühmten Geodäten, begleitet. – Auf der Hinreise traf S. in Moskau mit Joh. Gottfr. Seume zusammen, – sie besuchten die Sperlingsberge, um sich des großartigen Anblicks über das gewaltige Moskau zu erfreuen. Charakteristisch ist das Urtheil Seume’s über den jungen S. (Mein Sommer 1805): „Seit langer Zeit habe ich keinen jungen Mann gesehen, der mit so vielen guten Kenntnissen so viel feine Sitten und Bescheidenheit verbände, als dessen (des Staatsraths Schubert’s) Sohn, der Officier im Generalstab ist und seinen Vater begleitet und unter dessen Leitung ein sehr wackerer Mann zu werden verspricht.“ – Die Expedition gelangte nicht nach Peking, sondern kehrte, nachdem sie nur eine kleine Strecke über Kiachta hinaus in die Mongolei eingedrungen war, um – infolge von Streitigkeiten mit den Chinesen. Die für die chinesische Regierung bestimmten Geschenke sollen in der Wüste zurückgelassen worden sein. Die Expedition hatte somit keinen eigentlichen Erfolg; doch ist nicht zu übersehen, daß Klaproth hier den Grund zu seinen die asiatischen Sprachen betreffenden Forschungen legte, daß Adams von Kjachta aus an die Lena-Mündung eilte, um das berühmte Mammuthskelett auszugraben, und daß S. auf der Reise zahlreiche astronomische Ortsbestimmungen gemacht hat; doch ist mir nicht bekannt, ob dieselben veröffentlicht worden sind. – Im J. 1813 wurde S. zum Mitglied des Admiralitätscollegiums ernannt und hatte als solches Instructionen für die nautischen Expeditionen zu entwerfen. Nachdem S. 1819 sein Amt als Bibliothekar niedergelegt hatte, um für andere Arbeiten mehr Zeit zu gewinnen, fing er an zu kränkeln und starb am 9./21. October 1825.

S. war als Schriftsteller ungemein thätig. Das Werk, durch welches er seinen Ruhm begründete, sein dreibändiges „Lehrbuch der theoretischen Astronomie“ erschien zuerst 1791 in französischer Sprache, dann deutsch (St. Petersburg 1798), dann abermals in französischer Sprache in zweiter Auflage 1822. – Ferner verfaßte er eine „Populäre Astronomie“ in 3 Bänden (1804–1810) und eine „Geschichte der Astronomie“ (St. Petersburg 1804). Außerdem veröffentlichte er in Bode’s astronomischen Jahrbüchern und in den Schriften der St. Petersburger Akademie eine Reihe kleinerer und größerer gelehrter Abhandlungen, die alle Zeugniß ablegen von den umfassenden Kenntnissen und dem scharfen Verstande ihres Verfassers. Er entwarf eine Karte des europäischen und asiatischen Rußlands (gest. v. Mayer. 2 Blätter fol. 1791). Allein S. besaß auch die seltene Gabe, im wahren Sinne des Worts populär zu sein; er verstand es, wie nur wenige Gelehrte, die Resultate der Wissenschaft auch den nicht fachmännisch Gebildeten in entsprechender Weise mitzutheilen, und zwar that er dies in vortrefflicher Form. Er gab von 1788–1825 den „St. Petersburger Kalender“ und von 1808–1818 einen „St. Petersburger astronomischen Taschenkalender“ heraus mit geistreichen populär-astronomischen Aufsätzen; er schrieb für das Morgenblatt und für die deutsche St. Petersburger Zeitung, die er von 1810 bis zu seinem Tode meisterhaft redigirte. Sein Zeitgenosse Gretsch (Augsburger allgemeine Zeitung 1825, Beilage zu Nr. 333) sagt, S. habe die Zeitung zu einem der unterhaltendsten und lehrreichsten litterärisch-politischen Journale Europa’s gemacht. Viele dem Gebiet der Astronomie und Physik entnommenen kleinen populären Aufsätze, die an verschiedenen Orten gedruckt waren, sind in den Vermischten Schriften, Band 1–4 (Tübingen und Stuttgart 1823 bis 1826) gesammelt; nach dem Tode Schubert’s erschienen noch 3 Bände (5–7) unter dem Titel: „Vermischte Schriften, Neue Folge I–III“, Leipzig 1840. Dem 5. Band ist ein Bildniß Schubert’s beigefügt.

S. war ein äußerst vielseitig gebildeter Gelehrter, und neben der Astronomie auch in andern Wissensgebieten zu Hause; er kannte mehrere Sprachen, gebrauchte die englische und französische wie seine Muttersprache; sein Styl war klar, [631] fließend, und seine Rede hinreißend; dabei besaß er eine außerordentlich große Unterhaltungsgabe; er war sehr musikalisch, er spielte Clavier, Flöte, Violine in gleich meisterhafter Weise. Er unterhielt einen regen Briefwechsel mit vielen Gelehrten, er war Mitglied vieler gelehrten Gesellschaften und besaß viele Orden und Auszeichnungen.

Neuer Nekrolog der Deutschen, 3. Jahrgang 1825, S. 1048–1055. – Recke-Napiersky’s Lexikon IV, 1832, S. 129–135.