ADB:Schubart, Johann Heinrich Christian

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Artikel „Schubart, Johann Heinrich Christian“ von Richard Hoche in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 32 (1891), S. 600–601, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Schubart,_Johann_Heinrich_Christian&oldid=- (Version vom 2. November 2024, 20:08 Uhr UTC)
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Schubart: Johann Heinrich Christian S., Philologe des 19. Jahrhunderts. Er wurde in Marburg in Hessen am 28. Februar 1800 als der Sohn des Universitätsmechanikers S. geboren; die Vornamen hatte er von seinem Taufpathen J. H. Jung-Stilling erhalten, der damals Professor in Marburg und ein Freund seines elterlichen Hauses war. Nachdem S. seine Schulstudien auf dem Pädagogium seiner Vaterstadt vollendet hatte, ging er bereits 1816 auf die dortige Universität über, um sich dem Studium der Alterthumskunde zu widmen. Von Ostern 1820 an setzte er seine Studien in Heidelberg fort und fand hier bei G. Fr. Creuzer und Schlosser wohlwollende Aufnahme und Förderung. Schon in diese Heidelberger Zeit fallen die Anfänge seiner Pausanias-Studien, zu denen er sich mit seinem Landsmanne Rubino vereinigt hatte; er schob dieselben aber noch zurück, um zunächst in Marburg mit einer Dissertation „De Hyperboreis“ zum Dr. phil. zu promoviren. Von da an war er neun Jahre hindurch in verschiedenen vornehmen Familien in Württemberg und Oesterreich als Hauslehrer thätig und kam hierdurch auch auf längere Zeit nach Wien. Vornehmlich ein Auftrag Creuzer’s zur Vergleichung einiger griechischer Handschriften lenkte ihn der Paläographie zu, in der er später so Hervorragendes leistete. – Schon seit 1825 war er Mitarbeiter an den „Heidelberger Jahrbüchern“, seit 1829 betheiligte er sich auch an den „Wiener Jahrbüchern“ und ließ in diesen namentlich 1832 (Bd. 60, S. 158–199) eine Aufsehen erregende [601] sehr ausführliche Recension der Immanuel Bekker’schen Pausaniasausgabe erscheinen, durch welche er die Nothwendigkeit einer anderweitigen, auf Heranziehung des gesammten Handschriftenmaterials beruhenden Ausgabe des Periegeten nachwies. In demselben Jahre 1832 erschien in Marburg sein Buch „Quaestiones genealogicae historicae in antiquitatem heroicam Graecam“, zu welchem Creuzer die Vorrede schrieb. – In dieselbe Zeit des Wiener Aufenthalts fällt auch die Auffindung der Tituli VIII Antholognomici Orionis, welche er Schneidewin überließ, der sie in seinen Conjectanea critica 1839 herausgab. – Der Wunsch, in eine feste Lebensstellung zu kommen, veranlaßte 1839 die Rückkehr Schubart’s in die hessische Heimath, so schmerzlich ihm auch das Verlassen der zahlreichen österreichischen Freunde war, unter denen sich u. a. auch Ulrike v. Levezow, Goethe’s Freundin, befand. Da sich ein Gymnasiallehramt, auf welches er gehofft hatte, nicht bot, so nahm er eine vom hessischen Ministerium ihm angebotene Stellung als Secretär der Landesbibliothek in Kassel an und hat dieser Anstalt nun 47 Jahre hindurch mit Auszeichnung angehört; 1850 wurde er zweiter, 1874 erster Bibliothekar. 1881 trat er in den erbetenen Ruhestand. In die Kasseler Zeit fällt außer seinen Arbeiten für die Marburger „Zeitschrift für die Alterthumswissenschaft“, für „Jahn’s Jahrbücher“ und andere Zeitschriften namentlich seine große Ausgabe des Pausanias, zu welcher er sich mit Christian Walz in Tübingen verbunden hatte. Dieselbe erschien mit lateinischer Uebersetzung 1838–39 in drei Bänden und stellte zum ersten Male auf Grund des gesammten Handschriftenmaterials einen gesicherten Text fest; sie bietet außerdem sorgfältige Indices und den vollständigen kritischen Apparat. Der großen Ausgabe folgte 1854–55 eine kleinere in zwei Bänden, und endlich ließ sich der „Sospitator Pausaniae“, wie ihn Otto Jahn nannte, auch zur Herausgabe einer deutschen Uebersetzung bestimmen, die in 6 Bändchen 1857–63 erschien. Von seinen sonstigen Schriften sind vornehmlich seine „Bruchstücke zu einer Methodologie der diplomatischen Kritik“ 1855 zu nennen. – Neben diesen philologischen Arbeiten hatte die Geschichte der hessischen Heimath Schubart’s Interesse von jeher besonders angezogen; 1834 gründete er mit einigen befreundeten Historikern den „Verein für hessische Geschichte und Landeskunde“, dessen Zeitschrift er auch einige Jahre redigirte. Als Supplement zu derselben gab er 1841 und 1847 in zwei Bänden die Schrift des Chronisten W. Lanze „Leben und Thaten … Philippi Magnanimi“ heraus. Zwei Mal (1839 und 1843) hatte S. längern Aufenthalt in Italien nehmen können und hatte beide Male – 1839 in Gemeinschaft mit dem ihm seitdem innig befreundeten Otto Jahn – auch Sicilien bereist; auch später benutzte er jede sich bietende Gelegenheit zu kleineren und größeren Ausflügen. Diese waren ihm umsomehr Bedürfniß, als ein nach der zweiten großen italienischen Reise eingetretenes Gehörleiden ihm den gesellschaftlichen Verkehr wesentlich erschwerte, zuletzt fast unmöglich machte. Nach mehreren Jahren eines glücklichen Ruhestandes starb er in Kassel am 1. Mai 1885; sein Reliefbild, von K. Hassenpflug 1881 gefertigt, ziert die Rotunde der Kasseler Bibliothek.

Nekrologe in der Augsb. Allg. Ztg. 1885, Nr. 129 von Albert Duncker; in Bursian-Müller’s Jahresbericht XLI, S. 89–95 von Δ; im Centralblatt für Bibliothekswesen II, 301–312 von Albert Duncker, der daselbst ein vollständiges Verzeichniß von Schubart’s Schriften gibt. Eine Selbstbiographie Schubart’s bis 1865 befindet sich in Gerland’s Fortsetzung zu Strieder’s hessischer Gelehrtengeschichte XX, 358–393; vgl. auch die Festschrift „Der Verein für hessische Geschichte und Landeskunde in den ersten fünfzig Jahren seines Bestehens“ 1884 im X. Supplementbande der Zeitschrift des Vereins, S. 22 ff.