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Artikel „Scholvin, Johannes“ von Johannes Bolte in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 32 (1891), S. 226, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Scholvin,_Johannes&oldid=- (Version vom 27. Dezember 2024, 00:27 Uhr UTC)
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Scholvin: Johannes S., protestantischer Theologe des 17. Jahrhunderts. Er ward in Lübeck um 1590 geboren, besuchte das Gymnasium seiner Vaterstadt und studirte in Frankfurt a. O., wo er im Juni 1606 eintraf und sich an den Professor Christoph Neander anschloß. 1609 ging er an die neugegründete Universität Gießen, wo er die Theologen B. Menzer und J. Winckelmann hörte. Unter dem Vorsitze des ersteren promovirte er am 27. April 1610 mit 285 lateinischen Thesen: „Synopsis theologiae analytico ordine comprehensae“ (Giessae, 4°) und ließ auch 1618 noch einen „Tractatus theologicus de peccato originali“ (Röm. 5, 12) in Gießen erscheinen. 1610 erhielt er das Subrectorat in Lübeck, 1613 die Pfarrstelle zu Curslak in den Vierlanden und ward 1620 zum Pastor in Buxtehude erwählt. Hier starb er am 6. Mai 1642. – In seiner Frankfurter Studienzeit hat sich S. auch als Dichter versucht mit einer lateinischen Tragicocomödia „Aethiopissa“ (Frankfurt a. O. 1608 und 1620), deren Stoff er dem beliebten Romane Heliodor’s entnahm. Von der künstlichen Gruppirung des griechischen Rhetors absehend, beginnt er mit der Begegnung des Kalasiris und Charikles in Delphi und der Flucht des Theagenes und der Chariklia. Das bunte Gewirr ihrer Abenteuer ist abgekürzt, aber nicht viel übersichtlicher geworden, da der Verfasser die Kenntniß seiner Vorlage bei den Lesern vorauszusetzen scheint. Das fremdartige Colorit des Romans mit dem Heliosculte und den Gymnosophisten des äthiopischen Wunderlandes geht in wohlgesetzten, mit antiken Sentenzen gespickten Jamben unter; auch die Charaktere sind nicht anschaulich gezeichnet. Daß der Dichter nicht die wirkliche Bühne im Auge hatte, wird durch seine Bemerkung bestätigt, daß zwei der bei Aristoteles aufgezählten sechs Erfordernisse einer Tragödie, nämlich die Gesangstücke (er hat keine Chorlieder) und die Darstellung (μελοποιία und ὄψις), nicht Sache der Poetik seien. Der Unterschied von einem wirklichen dramatischen Talent, wie Kaspar Brülow, tritt deutlich bei einer Vergleichung mit dessen bald darauf entstandener Chariclia (Straßburg 1614) hervor. Von Waldung’s Heliodordrama Aethiopicus amor castus (Altdorf 1605) hatte S. offenbar nichts erfahren.

Moller, Cimbria litterata I, 614 (1744). – Goedeke, Grundriß² II, 146. – Matrikel der Frankfurter Universität, hrsg. von E. Friedlaender I, 504a (1887).