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Artikel „Schnell, Johannes“ von Friedrich von Wyß in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 32 (1891), S. 158–160, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Schnell,_Johannes&oldid=- (Version vom 20. Dezember 2024, 13:59 Uhr UTC)
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Schnell: Johannes S., geboren am 31. August 1812 in Basel, war der einzige Sohn von Joh. Rudolf Schnell (geb. 1767, † 1829), der als letzter Schultheiß vor der Revolution von 1798, d. h. Präsident des Stadtgerichtes von Basel, und zugleich Professor an der Universität gründlichster Kenner des mehr durch mündliche Tradition als durch das Gesetz fortgepflanzten vaterländischen Rechtes war. Er stand als Jurist in solchem Ansehen, daß er zur Zeit der helvetischen Republik zum Präsidenten des obersten, aus je 1 Mitglied aus jedem Kanton bestellten helvetischen Gerichtshofes ernannt wurde. Da dieser Gerichtshof oberstes Criminalgericht der Schweiz und zugleich Cassationsgericht in Civilsachen war, hatte er bei der unendlichen Mannigfaltigkeit der kantonalen Rechte keine kleine Aufgabe, sie dauerte aber freilich nicht lange, da mit der Wiederherstellung der föderalistischen Verfassung auch dieser Gerichtshof dahin fiel. Das Wesen des Rechtskenntniß und ernste christliche Frömmigkeit in gediegenster Weise vereinigenden Vaters übte auf den heranwachsenden Sohn, der im spätern Leben noch oft von den ihm wichtig gewordenen Spaziergängen mit dem Vater erzählte, starken Einfluß und trug vieles bei zu der eigenthümlich ernsten Richtung und dem unentwegt festgehaltenen christlichen Glauben, der für das ganze Leben des Sohnes maßgebend wurde. Auch mochte dieser Einfluß den Entschluß des Sohnes, statt sich der seiner Art nahe liegenden Theologie zu widmen, dem Vater nachzufolgen und die Jurisprudenz zum Berufe zu wählen, wesentlich gefördert haben. Nach gründlichem Unterricht in den alten, selbst das Hebräische mit umfassenden Sprachen, die bis in das hohe Alter mit Vorliebe gepflegt wurden, lag Joh. S. in Berlin und Heidelberg, wo er die Doctorwürde erlangte, den juristischen Studien ob, und damals schon eigenthümliche und selbständige Wege gehend, benutzte er einen nachherigen Aufenthalt in der französischen Schweiz durch Forschung in den Archiven mit Vorliebe bereits zum Studium der einheimischen Statutarrechte. In Basel schnell zu öffentlicher Thätigkeit gelangend, habilitirte er sich 1837 als Docent an der Universität, die kurz vorher nach dem schweren Schlage, der sie durch die in die Scheidung zwischen Stadt und Landschaft mit hineingezogene Theilung des Universitätsgutes betroffen hatte, durch den aufopfernden Sinn der Basler Bürgerschaft zu neuem Leben erstanden war. 1838 wurde er zum außerordentlichen, 1839 zum ordentlichen Professor des vaterländischen Rechtes ernannt, und er erwarb sich in dieser Stellung neben den Collegien wesentliche Verdienste durch das in Gemeinschaft mit Prof. Schönbein vollzogene mannhafte Einstehen für die Universität, als dieser 1850 neue Gefahren drohten. 1851 und 1852 bekleidete er das Rectorat. In seinen Collegien bildete er sich eine eigene, für Anfänger freilich schwereres Verständniß bringende Methode durch Herausgreifen praktischer Fragen, die dann wissenschaftlich erörtert wurden. Die Praxis, in die er gleichzeitig eintrat, übte darauf wesentlichen Einfluß. Er wurde Beisitzer am Civil- und Strafgericht, 1841 Präsident des Civilgerichtes, und in dieser 34 Jahre lang festgehaltenen Stellung fand er den eigentlichen Mittelpunkt seiner Thätigkeit. In der Ausübung der Einzelcompetenz wie in der Leitung des Gerichtes benutzte er den [159] weiten Spielraum, den die alterthümliche, mehr patriarchalische Weise des Rechtsganges dem Vorstande damals noch gewährte, in eigenthümlicher ebenso gewissenhaft ernster und gründlicher als praktisch gewandter und kräftiger Art. Frei von allem Streben nach Menschengefälligkeit und ernst seine Würde wahrend, erwarb er sich doch durch den unentwegt auf Wahrheit und Gerechtigkeit gerichteten Sinn allgemeines unbedingtes und unbeschränktes Zutrauen. Rath und Hülfe in Rechtssachen wurde daher auch außerordentlich oft bei ihm gesucht. Weniger geeignet war sein Wesen für die von den Tagesmeinungen beherrschte Politik. 1838 in den Großen Rath gewählt trat er 1847, da er die Theilnahme des Basler Contingentes an dem Sonderbundsfeldzug nicht billigen konnte, bleibend aus demselben aus. Um so eifriger verwendete er dagegen seine Mußestunden für die Pflege des vaterländischen Rechtes. Nicht nur nahm er als Mitglied des Justizcollegiums an den Vorberathungen und Entwürfen für die Gesetzgebung lebhaften und gewichtigen Antheil (so war z. B. das Gesetz über Einführung des Grundbuches hauptsächlich sein Werk), sondern, was damals noch etwas Neues war, er bemühte sich eingehende Kenntniß der verschiedenen kantonalen Rechte und ihrer Entwicklung aus den unendlich mannigfaltigen ältern Statuten zu erlangen und dafür auch bei Andern Interesse und Verständniß zu wecken. Zu diesem Zwecke unternahm er im Verein mit einigen Zürcherischen Juristen die Begründung der Zeitschrift für Schweizerisches Recht, die nach seinem Plane in 3 Theilen Abhandlungen, Sammlung alter Rechtsquellen, Uebersicht über die Gesetzgebung des Jahres und Mittheilung von Urtheilen vereinigte. Viel Arbeit wurde auf diese nach und nach (1852–1882) unter seiner Leitung bis auf 22 Bände anwachsende Zeitschrift, die nun von jüngern Kräften fortgesetzt wird, verwendet. Manche Bausteine zu einer Rechtsgeschichte der Schweiz finden sich da gesammelt. Von andern wissenschaftlichen Arbeiten sind eine Ausgabe der ältesten Gerichtsordnung von Basel von 1457, eine zu Rectoratsreden verwendete und dann gedruckte Abhandlung über das israelitische Recht, eine Darstellung des Civilrechtes, der Gerichte und der Gesetzgebung von Basel in der zur Säcularfeier des Erdbebens von 1356 erschienenen Schrift über Basel im 14. Jahrhundert und dann besonders die schöne, in 2 starken Bänden erschienene Ausgabe der Rechtsquellen von Basel zu erwähnen. Letztere war die Frucht einer gemeinsam mit einer Anzahl jüngerer Basler Juristen, gewesenen Schülern, unternommenen Arbeit und zugleich ein Zeugniß für die Liebe gebende und wieder Liebe weckende Art der Verbindung, die Schnell’s warmer Sinn für Freundschaft auch mit jüngeren Leuten so gerne unterhielt.

Diese ganze Thätigkeit hätte wol genügt, ein Mannesleben auszufüllen. Es war dies aber bei S. durchaus nicht der Fall. Seine streng geregelte, jede Minute ausnützende Lebensweise, die nur geringes Schlafbedürfniß hatte, gestattete ihm Muße zu finden für Pflege eines intimen glücklichen Familienlebens, das ihm in der mit 2 Töchtern gesegneten Ehe mit einer ihm gleichgesinnten, trefflichen Frau zu Theil wurde, selbst für eigenen Unterricht der Töchter, für sehr ausgebreiteten Briefwechsel mit vielen Freunden, und dann besonders noch für sehr intensive Theilnahme an verschiedenen christlichen Bestrebungen. Die Eigenart von S. konnte nur zu ganzer, nicht zu halber Betheiligung sich verstehen. Er beschränkte sich daher auf gewisse Zweige der christlichen Thätigkeit, und zwar gerade auf solche, die weniger den Vortheil ausgebreiteter Gunst genossen, widmete dann aber diesen seine volle Kraft, so dem Vereine der Freunde Israels, der sich besonders mit Proselytenpflege befaßte, und dem Vereine zur Verbreitung christlicher Schriften. In beiden Vereinen wurde er Vorsitzender und schloß eine langjährige eifrige Betheiligung mit einem gedruckten tief eingehenden Rückblick über 50jährige Thätigkeit derselben. Unter den von dem [160] letztern Verein ausgehenden, sorgfältig geprüften Schriften befinden sich auch anonyme, von S. selbst geschriebene, so z. B. eine Darstellung des Lebens von Albrecht v. Haller nach den Briefen seiner Freunde und eigenen Aufzeichnungen und ein trefflicher Lebensabriß des Schwagers von S., des Architekten Riggenbach (Aus dem Leben eines Basler Baumeisters). Als Manuscript gedruckt schließt sich daran das Lebensbild des intimen Freundes von S., des Rathsherrn Adolf Christ, Präsidenten des Basler Missionscomités.

Als in Basel eine politische Umwälzung, welche die Leitung des Staatswesens in andere Hände brachte, sich wenn auch friedlich vollzog, trat S. 1875 von der so lange bekleideten, mühevollen Stelle des Civilgerichtspräsidenten zurück und 1878 siedelte er, von der Professur ebenfalls Abschied nehmend, von Basel nach Bern über, wo die ältere Tochter in die Leitung einer Diakonissenanstalt eingetreten war. Hier in der zurückgezogenen Stille des Familienlebens, das freilich durch den Tod der geliebten Gattin einsamer wurde, brachte er noch 11 Jahre in nicht mehr nach außen gerichteter, aber doch lebendiger innerer Thätigkeit mit frisch bleibendem Geiste zu. Biblische und altclassische Studien wechselten mit biographischer und alte Rechtsquellen verarbeitender Beschäftigung ab, und an allen Vorgängen im politischen und kirchlichen Leben noch regen Antheil nehmend, unterhielt er durch Briefwechsel mit Freunden und Besuche derselben noch die Verbindung mit der Außenwelt. So erreichte er, immer mehr in Rückblick und Aufblick lebend, dabei freilich auch durch körperliche Beschwerden mehr und mehr beengt, unter der treuen Pflege seiner Töchter den Abschluß seiner irdischen Laufbahn. Nach mit großer Geduld getragenem Herzleiden erlag er am 16. October 1889 einer Lungenentzündung. In innerer Festigkeit und Kraft, zugleich aber auch in großer Demuth, Liebe und Treue war der Christ in ihm zum vollen Manne geworden und gereift.

Zahlreiche eingehende Nekrologe in politischen und kirchlichen Blättern der Schweiz, auch in der Zeitschrift für Schweiz. Recht, N. F. IX.