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Artikel „Schneider, Hans“ von Gustav Roethe in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 32 (1891), S. 121–123, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Schneider,_Hans&oldid=- (Version vom 19. Dezember 2024, 22:45 Uhr UTC)
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Schneider: Hans S., der fruchtbarste politische Spruchdichter des ausgehenden 15. und beginnenden 16. Jahrhunderts, darf mit seinen trivialen Tendenzreimereien, denen Geist, Gemüth und Kunst gleichmäßig fehlt, als ein rechter Typus der ganzen Dichtgattung gelten, der es lediglich auf die einfache oder gefärbte Mittheilung politischer und anderer Neuigkeiten ankommt; der poetische Gehalt der Schneider’schen Reimpaare ist um nichts höher, als der moderner Zeitungsberichte, die sie ihrer Zeit ersetzen halfen. S. stammt aus Augsburg, und die überaus starken Spuren der heimischen Mundart verwischen sich trotz seinen Wanderungen bis ins Alter hinein nicht; einem Augsburger Localereigniß, dem Sturz des von den Zünftlern durchgesetzten Bürgermeisters Ulrich Schwarz 1478, galt seine erste bekannte Dichtung, die schon die stehende, nur selten variirte Schlußzeile „als Hans S. gesprochen hat“ aufweist. Von Beruf war er Herold; er klagt 1492 und 1500, daß die Fürsten und Großen den Tadel der Herolde nicht mehr vertragen können. Als er 1493 die Meerfahrt Herzog Christof’s von Baiern besang, heißt er „seiner Gnaden Sprecher“, zugleich „Maister“, ein Titel, der doch wol auf eine gewisse Bildung hindeutet; in Dichtungen von 1500, 1504 und ca. 1510 erscheint er als „künklicher Majestet Poet“ oder „Sprecher“, und er wird dies Amt bis zum Ende seiner dichterischen Laufbahn inne gehabt haben. Doch fesselte es ihn nicht beständig an den Hofhalt Maximilian’s; 1504 dichtet er in Nürnberg, wo er auch 1512 erscheint, zu Ehren der kaiserlichen Stadt und des „frumen weisen Rats“, den er als seine „frumen Herren“ bezeichnet, und etwa 1510, jedesfalls nach dem 26. Juli 1509, besuchte er, damals schon gealtert, die junge sächsische Stadt Annaberg, deren Merkwürdigkeiten, darunter namentlich den großen wunderwirkenden Reliquienschatz, er aus eigener Anschauung ausführlich schildert. Seine letzte datirte Dichtung gehört ins Jahr 1513.

Schneider’s politischer Standpunkt wird mindestens seit 1500, aber wol schon früher, durch sein Verhältniß zu Maximilian bestimmt. Hatte er 1478 im Processe Schwarz die Partei der Augsburger Geschlechter gegen die Zünfte genommen, so steht er 1513 bei ähnlichen Unruhen in Köln auf Seiten der Zünfte, weil diese kaisertreuer waren als ihre Gegner. Maximilian spielt fast in allen politischen Dichtungen Schneider’s eine Hauptrolle, stets von seinem Sprecher in den Himmel gehoben; in einem Lobspruch auf das gesammte Haus Oesterreich, der in das besondere Lob des Kaisers ausmündet, heißts: „Wäre er nicht, so müßten wir uns plagen mehr als ein abgejagter Hund.“ Wie Wimpfeling und andere Humanisten entrüstet sich S. über die Schmach, die Karl VIII. von Frankreich dem Kaiser durch seine Hochzeit mit Anna, dem Fräulein von Britannia, angethan, und verstärkt den Chor der Stimmen, die damals hundertfach den Ungehorsam der deutschen Fürsten schalten und sie mahnten, sie sollten lieber dem Kaiser gegen Türken, Franzosen und Venetianer beistehn, als daß [122] sie sich unter einander oder gar ihr Oberhaupt bekriegten. Dem entsprechend rühmt S. den Zug des Reichsheeres gegen Regensburg und Albrecht von Baiern 1492, tritt im Landshuter Krieg gegen den unglücklichen Pfalzgrafen Ruprecht auf und freut sich namentlich eines kaiserlichen Sieges über die Böhmen 1504, bejubelt, so weit ihm das möglich ist, ein für französische Truppen unglückliches, übrigens ganz gleichgültiges Scharmützel bei St. Hubert in Luxemburg 1507, warnt das störrische Venedig, das jetzt wie eine Lerche schmettere, schließlich aber in den Koth fallen werde, vor des Kaisers Macht 1509, triumphirt 1512 über die vielbesungene Eroberung des Raubschlosses Hohenkrähen, das kaiserlichem Geschütz erlag, und läßt sogar eine ganz chronikalisch dürre, anekdotenhafte Schilderung der Erdbeben des Jahres 1511 auf eine Mahnung zum Gehorsam gegen „unsere Haubtter“, zumal also gegen den Kaiser, hinauslaufen. Daß er vielfach geradezu im Auftrage Maximilian’s dichtete, bezweifle ich nicht, und am wenigsten macht mich daran irre, daß S. gerne den Kaiser direct anredet und zu dem oder jenem mahnt, wie etwa 1512 in dem Bericht über die Eroberung verschiedener oberpfälzischer Burgen zur Bekämpfung des gesammten Raubritterthums. S. rieth dem Kaiser, das zu thun, was er als seine Absicht kannte, und empfahl dadurch Maximilian’s Pläne am besten.

Die Darstellung der Ereignisse selbst schien S. weitaus das Wichtigste, ist aber durchweg trocken, ärmlich und ungeschickt; er zählt die Thatsachen mechanisch und höchst unanschaulich auf, meist nach mündlichen Berichten, und thut gar nichts, um durch Gruppirung und Steigerung effectvoll zu wirken: das Stoffliche, die Neuigkeit, die er verbreitete, genügte dem Interesse des Publicums eben vollkommen: höchstens daß er sie in einen Botenbericht kleidet, einen kleinen Dialog einschiebt, eine der betheiligten Personen apostrophirt oder an einen persönlichen Eindruck, den ihm etwa ein Spaziergang brachte, anknüpft; Sprüchwörter beleben ein paarmal das trostlose stumpfe Einerlei der Erzählung, die durch steife und schwerfällige Uebergänge allzuoft in grob geschiedene Absätze zerhackt wird. Nur in einem Spruch über den Augsburger Reichstag von 1500 drängt eine Strafpredigt, die die Gebrechen aller Stände rügt, und sich namentlich auch bei den Landsknechten aufhält, die Begebenheiten des Reichstags selbst in den Hintergrund.

S. war nicht nur politischer Dichter. Ein Gruß an Braut und Bräutigam führt äußerst tactvoll den Rath aus, der künftige Gatte solle seine Ehefrau nicht übel behandeln, wenn sie guter Hoffnung sei, da das dem Kinde schade; hier und in einem Spruch, der das altbeliebte Thema des Liebestraums langweilig und ohne die in den andern Gedichten dieses Inhalts selten fehlende Lüsternheit behandelt, hallen frauenpreisende Phrasen des Minnesangs wie aus weiter Ferne und in stilloser Umgebung nach. Im Gegensatz dazu steht die Klage dreier Männer über ihre putzsüchtigen, buhlerischen und keifenden Weiber, auch ein höchst beliebter Stoff, den S. im Unterschied von den zahllosen ähnlichen Producten der Zeit gleichfalls ohne Zoten und Unflath behandelt und sogar mit einer versöhnlichen Mahnung schließt; dafür entbehrt sein Gedicht denn auch jeglichen Humors und athmet eine sterile Langweiligkeit, die es von seinen derberen Verwandten nicht eben vortheilhaft abhebt. Die Erzählung macht sich, wie in den politischen Sprüchen, auch in dem Lehrspruch „von Treu und Untreu“ ungehörig breit; S. erzählt eigentlich nur eine Anekdote, wie ein Dieb in Brügge den Henker an den Galgen bringt; 4 Zeilen voran, 10 hinterher, das ist die ganze didaktische Zuthat, die den Titel rechtfertigt. In der Hs. Valentin Holl’s, die allein diese wenigen unpolitischen Reime Schneider’s enthält, mögen noch andere ihm gehörige Dichtungen stehn; ich habe mich geflissentlich auf [123] diejenigen beschränkt, in denen er sich ausdrücklich, meist durch seinen ständigen Schlußreim, als Verfasser nennt.

Ein Verzeichniß der politischen Dichtungen Schneider’s gibt R. v. Liliencron in den Münchener Sitzungsberichten 1870, S. 500 ff. mit anderen Notizen über den Dichter. Gedruckt sind Sprüche Schneider’s in Liliencron’s histor. Volksliedern Nr. 181. 235. 244. 250. 255. 259. 270. 271. 279; in den Münchener Sitzungsberichten 1870, S. 503 ff.; in Brückner’s Neuen Beiträgen z. Geschichte deutschen Alterthums, Lief. 3, S. 86 ff.; in Schöttgen’s und Kreysig’s diplomatischer Nachlese der Historie von Ober-Sachsen 11, 77 ff.; in Keller’s Erzählungen aus altdeutschen Handschriften 188 ff.; vgl. noch Weller’s Annalen 1, 5. 2, 490.