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Artikel „Schiltberger, Hans“ von Valentin Langmantel in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 31 (1890), S. 262–264, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Schiltberger,_Hans&oldid=- (Version vom 23. November 2024, 13:43 Uhr UTC)
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Band 31 (1890), S. 262–264 (Quelle).
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Schiltberger: Hans S., Orientreisender und Verfasser eines Reisebuches. Er war, wie durch archivalische Forschungen erwiesen ist, der Sprosse eines der ältesten Adelsgeschlechter Baierns, das bei dem Orte Schiltberg (unweit Aichach) ansässig war und sich im erblichen Besitze des Marschalkenamtes des Wittelsbachischen Hauses befand. Doch konnte die Familie nicht für immer diese glänzende Stellung behaupten; sie veräußerte ihre Erbgüter, siedelte nach München über und erwarb hier das Bürgerrecht. Zu ihren neuen Besitzthümern gehörte auch ein halbwegs zwischen München und Freising (nicht weit von der Eisenbahnstation Lohof) gelegenes Gut, Hollern, das, wie aus dem Bericht unseres Reisenden hervorgeht, als sein Geburtsort zu erachten ist. In gleicher Weise erfahren wir aus seinem Reisebuch, daß er im J. 1380, und zwar an einem ganz kurz vor den Schlachttag von Nikopolis (28. September) fallenden Termine geboren war.

Die Kriegsbegebenheiten des Jahres 1396 wurden entscheidend für seine späteren Lebensschicksale. König Siegmund von Ungarn, durch die Eroberungspolitik des türkischen Sultans Bajasid auf’s äußerste bedroht, hatte sich hilfesuchend an die Völker des Abendlandes gewendet. Aus Frankreich und Burgund war eine zahlreiche Ritterschaft dem ehrenvollen Rufe gefolgt, an deren Spitze sich Johann v. Nevers, der Sohn des Herzogs Philipp von Burgund befand. Bei ihrem Durchzug durch Süddeutschland wurde diese muthige Schaar mit Begeisterung begrüßt und aus den Reihen des Adels schlossen sich zahlreiche neue Theilnehmer einem Unternehmen an, über dessen ruhmvollen Ausgang keinerlei Zweifel aufkam. Bei diesem neuen Kreuzzuge wollte auch S. nicht fehlen und zog als Knappe des edlen Herrn Lienhart Reichhartinger in den [263] Reihen der deutschen Hilfsvölker durch Oesterreich und Ungarn nach Bulgarien. Hier wurde alsbald die Entscheidungsschlacht bei Nikopolis geschlagen, in welcher die christliche Streitmacht nahezu vernichtet wurde. S., welcher im Kampfe drei Wunden erhalten hatte, gerieth mit dem größten Theil des Heeres in Gefangenschaft, entging jedoch wegen seines jugendlichen Alters dem Loos der barbarischen Niedermetzlung, das seine Schicksalsgenossen erleiden mußten. Dem Hofstaat Bajasid’s als Vorläufer zugetheilt, verbrachte er im Dienste seines neuen Herrn die erste Zeit in Brussa; später mußte er als Reiter den nach Kriegsruhm strebenden Sultan bei verschiedenen Heereszügen begleiten, wie bei der Eroberung des Fürstenthums Siwas und bei der Belagerung Constantinopels; desgleichen befand er sich bei dem Hilfsheer, welches Bajasid dem ägyptischen Sultan Faradsch zur Bekämpfung eines Aufstandes gesandt hatte. Bald jedoch sollte die osmanische Macht einem mächtigeren Gegner unterliegen. Im Innern Asiens hatte Timur die mongolischen Völkerschaften wiederum geeinigt und neuerdings auf die Bahn der Eroberungen geführt. Bajasid’s Angriff auf Siwas gab ihm Anlaß, die Grenzen Kleinasiens zu überschreiten und dem türkischen Reich auf asiatischem Boden den Untergang zu bereiten. S. nahm an der Entscheidungsschlacht von Angora (1402) theil und gerieth auch diesmal in die Gefangenschaft des Siegers, dem er in seine Hauptstadt Samarkand folgen mußte. Nach Timur’s bald darauf erfolgtem Tode ging die Herrschaft über die Osthälfte des Reiches auf seinen Sohn Schah Roch über, welcher Herat zu seiner Hauptstadt erhob. Im Dienste dieses neuen Herrn blieb S. längere Zeit, bis ihn derselbe seinem Bruder Miran Schah abtrat, der über die Westhälfte des Mongolenreiches gebot und seinen Herrschersitz in Tabris aufgeschlagen hatte. Von hier aus sollte S. abermals in weite Fernen verschlagen werden. Miran Schah’s Sohn, Abu Bekr, hatte einem vertriebenen Khan der Goldenen Horde, Tschekra, Aufnahme an seinem Hofe gewährt und demselben, als er zur Wiedergewinnung der ihm entrissenen Herrschaft auszog, ein Hilfsheer überlassen, in dessen Reihen sich auch S. befand. Als Tschekra in der Schlacht Sieg und Leben verlor, waren seine Anhänger gezwungen, die Heimath neuerdings zu verlassen und S. kam auf diese Weise in die Küstenländer des Schwarzen Meeres, wo alsbald der Gedanke an Flucht bei ihm reifte. In Mingrelien verließ er mit einigen christlichen Mitgefangenen heimlich seine tatarischen Gebieter und eilte der nahe gelegenen Grenze des Kaiserreichs Trapezunt zu, wo er auf einem fränkischen Schiffe Aufnahme zu finden hoffte. Da in den Hafenstädten kein Schiffsherr es wagte, unter den Augen der dort ansässigen Türken die Flüchtlinge an Bord zu nehmen, irrten diese längs der Küste hin, bis sie endlich nahe dem Ufer ein Schiff vor Anker erblickten, dessen Aufmerksamkeit sie in der Nacht durch Feuersignale erregten; nachdem sie eine Prüfung aus den Glaubenslehren des Christenthums bestanden hatten, erklärte sich der Führer des Schiffes bereit, sie aus dem Machtbereich des Islam nach Constantinopel zu bringen. Hier ließ ihnen der griechische Kaiser Johannes V. (VI.) seinen Schutz angedeihen und sie nach einiger Zeit auf einem Staatsschiffe nach Kilia an der Donaumündung weiter befördern, woselbst S. sich an eine Kaufmannsgesellschaft anschloß, um auf dem alten Handelswege längs des Nordabhangs der Karpathen über Lemberg und Krakau seine deutsche Heimath nach so langer Abwesenheit wieder zu erreichen. Auf deutschem Boden angelangt, setzte S. seine Wanderung auf einer anderen, ebenfalls viel betretenen Verkehrsstraße fort und zog über Breslau, Meißen, Eger, Regensburg, Landshut und Freising nach München, von wo er einunddreißig Jahre vorher im zarten Jünglingsalter ausgezogen war. Mit dieser glücklich erfolgten Heimkehr schließt sein Reisebuch ab. Durch Aventin erfahren wir noch, daß der [264] weitgereiste Kriegsmann zum Kämmerer am bairischen Fürstenhofe ernannt wurde; hingegen mangelt uns jegliche Kunde über Zeit und Ort seines Todes. Schiltberger’s Familie, aus der in späterer Zeit Männer der Wissenschaft und höhere Staatsbeamten hervorgingen, hat sich bis in die Gegenwart fortgepflanzt; im J. 1878 erhielt sie durch allerhöchsten Erlaß die Berechtigung, den vormals geführten Namen „Marschalk von Schiltberg“ wieder anzunehmen.

Aus der großen Anzahl der von Schiltberger’s Reisebuch in früherer Zeit veranstalteten Ausgaben geht hervor, daß dasselbe sich besonders in der ersten Zeit seines Erscheinens einer großen Beliebtheit erfreute. Diese günstige Aufnahme der damaligen Lesewelt war in der That auch keine unverdiente; mußten schon die eigenen, an’s Wunderbare grenzenden Schicksale des Verfassers allgemeine Theilnahme hervorrufen, so gewannen seine Aufzeichnungen noch dadurch an Werth, daß er ausführliche Schilderungen der von ihm durchzogenen Länder und deren Bewohner und ihrer Cultur beifügt. Durch die vielfachen Beobachtungen, die er anzustellen Gelegenheit hatte, erwarb er sich ein unbefangenes Urtheil über fremde Verhältnisse; besondere Anerkennung verdient seine Unparteilichkeit gegenüber den verschiedenen Religionsparteien, mit welchen er auf seinen langen Wanderzügen in Berührung gekommen war. Hingegen zeigt sich S. wieder bei anderen Gelegenheiten als Kind seiner Zeit, indem er die damals in Umlauf befindlichen Wundererzählungen als beglaubigte Thatsachen mittheilt. Einzelne Abschnitte seines Buches sind früheren Reisewerken entlehnt, trotzdem aber als Resultat der eigenen Beobachtung hingestellt; dieses Verfahren darf man aber keineswegs nach den in der Gegenwart geltenden Anschauungen beurtheilen, sondern der Verfasser folgte eben einem im Mittelalter allgemein herrschenden Gebrauch, wonach jeder Reiseschriftsteller das eine oder andere Capitel seines Werkes einfach von seinen Vorgängern entlehnte. In der Hauptsache jedoch, besonders da, wo es sich um seine eigenen Erlebnisse handelt, tragen Schiltberger’s Mittheilungen das Gepräge der Wahrheit vollständig an sich und haben daher auch mit Recht zu allen Zeiten als geographische und geschichtliche Quelle von hervorragender Bedeutung gegolten.

Aelteste Ausgabe in Folio bei A. Sorg in Augsburg gedruckt s. l. e. a. Mit 15 Holzschnitten. – Reisen des Johannes Schiltberger aus München in Europa, Asia und Afrika von 1394 bis 1427. Zum erstenmal nach der gleichzeitigen Heidelberger Handschrift herausgegeben und erläutert von Karl Friedrich Neumann. München 1859. The bondage and travels of Johann Schiltberger. Translated from the Heidelberg MS. by J. Buchan Telfer. With notes by professor P. Bruun of the imperal university at Odessa. London 1879. Vgl. S. Riezler, Geschichte Baierns. 3. Bd. Gotha 1889. S. 918. – Hans Schiltberger’s Reisebuch. Nach der Nürnberger Handschrift herausgegeben von Dr. Valentin Langmantel. Tübingen 1885. – Archivalische Forschungen über das Geschlecht der Schiltberger, zusammengestellt von Hr. Oberstabsarzt Marschalk, Ritter von Schiltberg. Manuscript, welches seiner Veröffentlichung durch den Druck in nicht allzu ferner Zeit entgegensieht.