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Artikel „Schiller, Karl“ von Paul Zimmermann in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 31 (1890), S. 251–253, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Schiller,_Karl&oldid=- (Version vom 23. Dezember 2024, 11:35 Uhr UTC)
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Schiller: Karl Georg Wilhelm S., geboren zu Braunschweig am 23. Mai 1807, † 1874, war ein um das Kunst- und wissenschaftliche Leben zumal seiner Heimathstadt sehr verdienter Gelehrter. Sein Vater, Joh. Heinr. S. († am 8. September 1828), Pastor an der Kirche St. Ulrici zu Braunschweig, stand als ein Mann von rechtschaffener Gesinnung und rücksichtslosem Freimuthe, den er besonders in der westfälischen Zeit wiederholt auf kühnste Weise bethätigte, in allgemeiner Achtung. Karl S. besuchte das Gymnasium zu Blankenburg, darauf das Martineum und seit dem 21. April 1827 das Collegium Carolinum zu Braunschweig. Am 4. Mai 1828 wurde er dem Wunsche seines Vaters gemäß als Student der Theologie in Halle immatriculirt, am 9. Juni 1830 in Göttingen, das er Mitte Januars 1831 verließ. Er begab sich dann nach Berlin, wo er, ganz seiner Neigung folgend, mit Eifer den Kunstwissenschaften sich hingab. Denn die Theologie hatte ihm von Anfang an wenig zugesagt; er beschäftigte sich lieber mit kunst- und litterargeschichtlichen Studien und erwarb sich auf diesen Gebieten eingehende und vielseitige Kenntnisse. Da ferner sein Versuch zu predigen wenig ermuthigend ausfiel, so verzichtete er ganz auf die geistliche Laufbahn, ja auf jede amtliche Thätigkeit. Im Besitze eines ausreichenden Vermögens, ließ er sich als Privatgelehrter in Braunschweig nieder, das er dann, abgesehen von wiederholten Studienreisen, niemals wieder verlassen hat. Am 8. Januar 1839 erwarb er in Jena den philosophischen Doctorgrad, die einzige Würde, um die er sich je beworben. Sein freies unabhängiges Junggesellenleben stellte er ganz in den Dienst der Kunst und Wissenschaft. Wo es galt, diese zu fördern, war er stets zu rastloser Arbeit gern bereit, und an allen Bestrebungen dieser Art, welche Zeit seines Lebens in [252] Braunschweig aufkamen, hat vielleicht keiner seiner Zeitgenossen so thätigen und erfolgreichen Antheil genommen, wie S. Dabei war immer seine Weise, im Stillen die Arbeit zu thun, seine Person aber im Hintergrunde zu halten. Ebenso entschloß er sich niemals leicht, mit größeren litterarischen Arbeiten vor die Oeffentlichkeit zu treten. Was dergleichen erschien, war meist gelegentlichen Ursprungs oder blieb auch anonym. Die ohne sein Wissen erfolgte planlose Veröffentlichung einiger Bruchstücke einer Arbeit von ihm veranlaßte ihn 1845 zur Drucklegung seines litterargeschichtlichen Hauptwerkes, das noch heute seinen wissenschaftlichen Werth behauptet: „Braunschweigs schöne Litteratur in den Jahren 1745 bis 1800, die Epoche des Morgenroths der deutschen schönen Literatur“ (Wolfenbüttel 1845), in welchem er zum ersten Male die hohe Bedeutung Braunschweigs für die Litteraturentwicklung des 18. Jahrhunderts klar und nach dem Maße der Zeit sehr gründlich darstellte und auf ihre enge Verbindung mit der Kunstblüthe in Weimar ausdrücklich hinwies. Umfassende Studien hat S. dem Fragmentenstreite Lessing’s gewidmet; doch erschien nur ein Theil derselben: „Lessing im Fragmentenstreite, nach Form und Gehalt seiner Polemik gewürdigt“ (Leipzig 1865). Andere Interessen haben ihn nicht zur Ausführung weiterer litterargeschichtlicher Arbeiten kommen lassen. Schon sein fleißiger Aufsatz über „Lessing’s Persönlichkeit“, der 1848 im 3. Bande von Herrig’s Archiv f. n. Sprachen u. Lit. erschien, war die Frucht anderer Bestrebungen, aus seinen Bemühungen für die Ausführung des Lessingdenkmals in Braunschweig hervorgegangen. Für die Auffassung Lessing’s von Seiten Rietschel’s ist der Rath Schiller’s maßgebend gewesen. Mit Mühe nur bewog er den Künstler, daß er von der Figur den Mantel fortließ und sie in der Kleidung der Zeit darstellte – eine Wahl, der wir nicht zum mindesten ein Kunstwerk verdanken, das in der Geschichte der Monumentalplastik stets einen ehrenvollen Platz behaupten wird. Auch die Ausführung des Denkmals durch Georg Howaldt geschah auf Schiller’s Betrieb, der jenen dadurch auf die Bahn führte, auf der er später noch so Bedeutendes leisten sollte. Seitdem ist in Braunschweig bis zu Schiller’s Tode kein Denkmal errichtet worden, bei dem nicht sein Urtheil und Rath von günstigstem Einflusse gewesen wären, und es ist nicht zu viel behauptet, daß Braunschweigs Bedeutung für diesen Kunstzweig zu einem großen Theile Schiller’s Verdienst ist. Neben der modernen Kunstentwicklung widmete er aber auch den alten Kunstdenkmälern, Bauten und Alterthümern seiner Vaterstadt reges Interesse und eifrige Pflege. Als 1852 die siebente Generalversammlung deutscher Architekten und Ingenieure in Braunschweig stattfand, veröffentlichte er zu deren Orientirung eine in vieler Beziehung grundlegende Arbeit: „Die mittelalterliche Architectur Braunschweigs und seiner nächsten Umgebung“ (Braunschweig 1852). Zwei Jahre darauf gab er im Auftrage des herzoglichen Consistoriums einen „Ueberblick des Entwicklungsganges der Kirchen-Architectur“ heraus, der einem Ausschreiben dieser Behörde beigelegt wurde, um das Verständniß für die kirchlichen Alterthümer zu wecken und zu ihrer Erhaltung anzuregen. In der Stadt Braunschweig unterzog er sich selbst der Mühe, ein genaues beschreibendes Verzeichniß der in den Stadtkirchen befindlichen Alterthümer und Kunstschätze aufzustellen. Die bleibendsten Verdienste hat sich aber S. um die Gründung des städtischen Museums erworben. Seit im J. 1860 die Errichtung desselben beschlossen war, hat er seine hauptsächlichste Lebensaufgabe darin erblickt, diese junge Anstalt, die man recht eigentlich als seine Schöpfung bezeichnen kann, zu bilden und vorwärts zu bringen. Er stellte ihr seine eigenen reichen Sammlungen sogleich zur Verfügung und war unermüdlich, ihr Zuwendungen von anderen Seiten zu verschaffen; er übernahm die Ordnung, Aufstellung und genaue Katalogisirung der Sammlung, und zwar alles aus Liebe [253] zur Sache, ohne Erwartung irgend welchen Entgelts. Dieses ist ihm aber doch zu theil geworden durch dankbare Anerkennung seiner stillen Verdienste. Sein Landesherr verlieh ihm das Ritterkreuz des Ordens Heinrich’s des Löwen, seine Mitbürger machten ihn zum Ehrenmitgliede verschiedener Vereine, und auch von auswärts fand seine Thätigkeit, wie z. B. durch seine Aufnahme in den Gelehrtenausschuß des germanischen Museums zu Nürnberg, gebührende Würdigung. Am deutlichsten aber kam diese zum Ausdrucke, als gleich nach seinem Tode, der nach längerer Krankheit am 28. Juni 1874 erfolgte, Magistrat und Stadtverordnete einmüthig beschlossen, ihm auf seinem Grabe und im städtischen Museum ein Ehrendenkmal zu errichten. Die Lücke, die sein Tod dem Kunstleben der Stadt Braunschweig geschlagen, hat sich noch nicht wieder geschlossen. Nur zu oft wurden in der Folge sein reiches Wissen, sein feiner Geschmack bei auftauchenden Kunstfragen schmerzlich vermißt. Im persönlichen Verkehr war S. von großer Liebenswürdigkeit; ein munterer witziger Gesellschafter war er eines der anregendsten Mitglieder des Kunstclubs, dem er, wie auch dem Kunstvereine, seit ihrer Gründung in den dreißiger Jahren angehörte. Seiner heiteren Laune entstammen ein paar humorvolle Schriftchen „Gastronomisch-komische Betrachtungen“ (Braunschweig 1839), und eine gereimte „Whistgrammatik“, die anonym erschien. Mehrere poetische Arbeiten von ihm, die nicht gedruckt wurden, besitzt nebst seinem übrigen handschriftlichen Nachlasse die Stadtbibliothek zu Braunschweig.

Vgl. Ferd. Spehr im Braunschw. Tageblatt vom 2. und 3. Juli 1874 Nr. 152 u. 153. – Personalacten etc. in der Braunschw. Stadtbibliothek.