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Artikel „Rolle, Friedrich“ von Wilhelm von Gümbel in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 29 (1889), S. 76–78, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Rolle,_Friedrich&oldid=- (Version vom 22. Dezember 2024, 20:39 Uhr UTC)
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Rolle: Dr. Friedrich R., angesehener Gelehrter und fruchtbarer Schriftsteller auf dem Gebiete der Geologie und besonders der Paläontologie, wurde 1827 in Homburg a. d. H. als einziger Sohn eines Majors geboren. Derselbe widmete sich auf der Universität Bonn den naturwissenschaftlichen und montanistischen Studien und trat nach deren Beendigung auf kurze Zeit in den [77] praktischen Dienst des Bergfachs ein, um sich dann ausschließlich mit geologischen und paläontologischen Arbeiten zu beschäftigen. Schon seit dem Jahre 1850 ließ R. eine Reihe geologischer Publicationen in die Oeffentlichkeit gelangen, welche der Hauptsache nach auf die Geologie mittelrheinischer Gegenden sich bezogen, wie: „Beiträge zur Kenntniß der rheinischen Grauwacke und ihrer Fauna“; „Der Taunus in der näheren Umgebung von Bad Homburg a. d. H.“; „Vergleichende Uebersicht der urweltlichen Organismen“; „Zwei devonische Korallen“. Im J. 1851 doctorirte R. mit der Schrift: „Pflanzen im älteren Sandstein der Wetterau“. Auch schrieb er über den norddeutschen Lias. Durch diese Schriften hatte R. die Aufmerksamkeit auf sich gezogen und er erhielt 1853 von dem geognostisch-montanistischen Verein in Steiermark den Auftrag, als deren Commissär, dieses Land geologisch zu durchforschen. Der Lösung dieser Aufgabe unterzog sich R. in den nächstfolgenden Jahren mit ebenso unermüdlichem Eifer wie großer Sachkenntniß. Eine größere Anzahl diesbezüglicher Berichte, welche in dem Jahrbuche der geologischen Reichsanstalt in Wien zur Publication gelangt sind, legt Zeugniß ab von den erfolgreichen Untersuchungen, welche R. in Steiermark angestellt hat. Schon 1859 sehen wir denselben nunmehr als Assistent an dem k. k. Hofmineraliencabinet verwendet und mit der Neuaufstellung der Mineraliensammlung beschäftigt. In diese Zeit fällt eine seiner besten Publicationen: „Versteinerungen an der Grenze zwischen Keuper und Lias“ (Sitzungsber. der k. k. Akad. d. Wiss. in Wien 1858), mit welcher er an der Lösung der damals aufgetauchten Frage über die Stellung der sog. rhätischen Schichten erfolgreich sich betheiligte. Unter den weiteren Abhandlungen aus den Jahren 1858 und 1859 macht sich als eine grundlegende die Schrift: „Geologische Stellung der Horner Tertiärschichten“ ganz besonders bemerkbar. R. lehrte darin eine mit den Tertiärbildungen des Wiener Beckens zwar nahe verwandte, aber doch verschiedenartige Ablagerung kennen, welche später eingehend von E. Sueß beschrieben worden ist. Auch die folgenden Jahre brachten noch mehrere werthvolle Abhandlungen über geologische Studien in Oesterreich. Indeß war R. mit seiner Stellung in Wien unzufrieden geworden. Schon von Jugend auf ein Sonderling und menschenscheu unweltläufig, verstärkte sich diese Eigenart in Wien, wo er durch nachlässige Kleidung und außergewöhnliche Lebensweise allgemein auffiel und von allen geselligen Kreisen sich zurückgezogen hatte, in einem so hohen Grade, daß er gegen alle Welt mißtrauisch, sich zurückgesetzt, vernachlässigt und verspottet glaubte. Dies führte dazu, daß er Anfangs der sechziger Jahre ohne alle weitere Veranlassung seine Stellung aufgab, Wien verließ und sich nach seiner Vaterstadt zurückzog. Nichtsdestoweniger aber blieb R. in seiner Zurückgezogenheit unentwegt, ernst und erfolgreich wissenschaftlich thätig. Nichts läßt in seinen Schriften den misanthropen Sonderling vermuthen. R. warf sich nun zunächst auf das Studium der Darwinschen Lehre und versuchte als einer der ersten in Deutschland derselben in der zusammenfassenden Schrift „Ch. Darwin’s Lehre von der Entstehung der Arten und ihre Anwendung auf die Schöpfungsgeschichte“ 1863 eine auf paläontologische Thatsachen gestützte Begründung zu geben. In dieser mit ebenso umfassendem Wissen, wie großer Klarheit verfaßten Schrift kommt der Verfasser zu der Schlußfolge, daß die jetzige gesammte organische Welt nicht Erzeugniß einer unmittelbar aus leblosen Stoffen schaffenden Kraft, sondern, wie es durch geologische und paläontologische Forschungen bestätigt wird, das Ergebniß eines unendlich lang fortlaufenden Entwicklungsganges von natürlicher Materie unter der Herrschaft allgemeiner und ewiger Naturgesetze sei, welcher mit einfachen niederen Formen seinen Anfang genommen und im Laufe der Zeit durch ständige Umgestaltungen endlich zu den höheren Stufen der gegenwärtigen Lebwelt geführt habe. In ähnlichem Sinne ist eine weitere Publication: „Der [78] Mensch, seine Abstammung und Gesittung“ 1865 verfaßt. Seit 1865–73 war R. als wissenschaftlicher Rathgeber bei Neufassung der Homburger Mineralquellen thätig und unternahm mehrfach wissenschaftliche Reisen. Aus dieser Zeit stammt auch die lehrreiche Schrift „Uebersicht der geognostischen Verhältnisse von Homburg a. d. H.“ 1865 und zahlreiche kleinere Abhandlungen geschichtlichen und naturwissenschaftlichen Inhaltes, welche im Taunusboten und in der Hertha erschienen sind. Auch suchte er sich wieder an größeren geologischen Aufnahmsarbeiten zu betheiligen. So bearbeitete er im Auftrage der preuß. geologischen Landesanstalt das Blatt St. Wendel in Rheinpreußen und übernahm 1875–77 die geologische Kartirung und Ausarbeitung eines Blattes der großen Schweizer Karte (Theil von Tessin und Graubünden). Ueber diese Arbeiten erstattete R. Bericht in der 23. Lieferung der Beiträge zur geologischen Karte der Schweiz 1881 und in zwei Schriften: „Uebersicht der geologischen Verhältnisse der Landschaft Chiavenna“ 1878, und „Mikropetrographische Beiträge aus den rhätischen Alpen“ 1879. Als seine bedeutendste wissenschaftliche Leistung müssen die paläontologischen Abhandlungen bezeichnet werden, mit welchen R. sich an der unter Kenngott’s Leitung herausgegebenen Encyclopädie der Naturwissenschaften 1882 betheiligte. Die zahlreichen Artikel aus dem Gesammtgebiete der Paläontologie sind zwar nicht alle gleichwerthig und einwurfsfrei mustergültig, aber doch mit großer Umsicht und Sorgfalt entworfen. In einer seiner letzten Arbeiten befaßte sich R. mit dem Vorkommen fossiler Pflanzenreste in der Wetterau und den hypothetischen Organismen in den Meteoriten, 1884. R. sonderte sich in den letzten Jahren seines Lebens immer mehr von der Welt ab, lebte kümmerlich das Leben eines Einsiedlers und vertiefte sich immer stärker in jene weltfeindliche Stimmung, die ihn endlich dahin brachte, Hand an sich selbst zu legen. Er starb am 10. Februar 1887 in seiner Vaterstadt.

Kleine Presse, Frankfurt 1888 Nr. 239. – Handschriftliche Mittheilungen.