ADB:Roßhirt, Konrad Eugen Franz

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Artikel „Roßhirt, Konrad Eugen Franz“ von Johann Friedrich von Schulte in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 29 (1889), S. 260–262, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Ro%C3%9Fhirt,_Konrad_Eugen_Franz&oldid=- (Version vom 19. Dezember 2024, 16:27 Uhr UTC)
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Roßhirt: Konrad Eugen Franz R., Jurist, geboren zu Oberscheinfeld bei Bamberg am 26. August 1793, † zu Heidelberg am 4. Juni 1873. Nachdem er die Vorstudien zu Bamberg, die letzte Gymnasialclasse zu München abgelegt hatte, studirte er die Rechte in Landshut vom Herbst 1809–1810, dann in Erlangen, wurde hier am 15. September 1815 Doctor der Rechte, legte in Baireuth die Staatsprüfung mit dem besten Erfolge (erste Stelle) ab, trat zu Erlangen in die juristische Praxis ein, habilitirte sich in Erlangen als Privatdocent und erhielt hierselbst im J. 1817 eine außerordentliche Professur. Bereits im folgenden Jahre nahm er den Ruf als ordentlicher Professor in Heidelberg an, wo er seitdem bis zu der auf sein Ansuchen im J. 1871 erfolgten Versetzung in den Ruhestand lehrte und bis zu seinem Tode lebte. An der Universität hat er viermal das Amt des Rectors bekleidet, noch öfter das eines Decans der Facultät, von der Stadt 1825 und 1828 in die zweite Kammer gewählt, von seinem Landesherrn war er durch das Comthurkreuz des Zähringer Löwenordens und den Charakter eines Geheimen Hofraths, vom Papste durch das Comthurkreuz des Gregoriusordens ausgezeichnet worden. R. war ein äußerst milder, gutmüthiger, harmloser, fast timider Mann. Wer seine Ergüsse in manchen Schriften liest, wird ihn für einen verbissenen, heiligen, politisch hervorragenden Ultramontaten halten. Sein Leben und Wirken zeigt keine Spur davon. Persönlich warmer und überzeugungstreuer Kathollk, war er theoretisch Curialist reinsten Wassers, betheiligte sich aber niemals in irgend welcher ausgesprochenen Weise an den kirchenpolitischen Kämpfen in Baden; es fehlte ihm dazu Neigung und Fähigkeit, auch war er im Herzen zu sehr Patriot, um seinen Landesherrn und sein Vaterland zu bekämpfen. Er fühlte sich glücklich in seinem theoretischen Bekennen der mittelalterlichen Grundsätze und in dem litterarischen Bestreben, diesen zum Siege zu verhelfen, der nach seiner Ansicht nicht ausbleiben werde. Als charakteristisch darf ich die von ihm mir gemachte Mittheilung erwähnen, daß Papst Gregor XVI. ihm die Erhebung in den römischen Grafenstand angeboten, er diese aber schlechtweg abgelehnt habe; dies entspricht ganz seinem Wesen. Wenige juristische Schriftsteller unserer Zeit haben ihre Thätigkeit so verschiedenen Gebieten zugewendet. Dem Civilrechte gehören an: „De legitimo condictionis indebiti fundamento“, Erlangen 1816; „Ueber die Tendenz des prätorischen Rechts und über das Verhältniß desselben zum Civilrecht“, das.; „Beyträge zum römischen Recht und zum gemeinen römischen und deutschen Criminalrecht“, 1. H., (auch unter dem Titel „Beyträge zur Bearbeitung der Quellen des Rechts“), Heidelberg 1820, 2. H. 1824 (auch unter dem Titel „Grundlinien des römischen Rechts“); „Einleitung in das Erbrecht und Darstellung des ganzen Intestat-Erbr., besonders nach römischen Quellen“, Landshut 1831; „Gemeines deutsches Civilrecht“, 3 Thle., Heidelberg 1840 fg. (1. Allg. Lehren und Personenrecht; 2. Vermögensrecht unter Lebenden; 3. Von der Erhaltung der Persönlichkeit im Vermögensrecht von Todeswegen); „Das testamentarische Erbrecht bei den Römern und in der Anwendung auf unsere Zeit“, 2 Abth., Heidelb. 1840; „Die Lehre von den Vermächtnissen nach römischem Rechte“, 2 Thle., Heidelb. 1838; „Ueber das System der Verträge“, 1839; „Das französische und badische Civilrecht dargestellt“, 1. Bd., 1. Abth.; „Allgemeine Sätze über die Anwendung des Civilrechts außer den Gerichten und in den Gerichten“, Heidelberg 1842; „Ueber das französische, rheinische und badische Civilrecht, über dessen Studium und Vortrag“, Heidelberg 1847; „Grundriß zum französischen und badischen Civilrecht mit einzelnen Excursen“, [261] 1851; „Dogmengeschichte des Civilrechts“, Heidelberg 1853. Strafrecht behandeln: Die angeführten Beiträge; „Lehrbuch des Criminalrechts nach den Quellen des gemeinen deutschen Rechts und mit besonderer Rücksicht auf die Darstellung des römischen Criminalrechts“, Heidelberg 1822; „Entwickelung der Grundsätze des Strafrechts nach den Quellen des gemeinen deutschen Rechts“, Heidelberg 1828; „Zwei criminalistische Abhandlungen als Anhang zu dem Buche: Entwickelung u. s. w.“, Heidelberg 1836; „Geschichte und System des deutschen Strafrechts“, 3 Thle., Stuttgart 1838, 1839. Dem Civilrechte und Strafrechte gemeinsam die von ihm gegründete „Zeitschrift für Civil- und Criminalrecht in gleichmäßiger Rücksicht aus Geschichte und Anwendung des Rechts, auf Wissenschaft und Gesetzgebung“, 1. Bd. Heidelberg 1831, 2. Bd. in Verbindung mit Warnkönig 1834, darin Aufsätze von R. Dem Processe u. s. w. fallen zu: „Ueber die Entwürfe der Gerichtsverfassung und der Strafproceßordnung für das Großherzogthum Baden“, Heidelberg 1846; „Zur Lehre von der Wirkung des Prozesses auf das materielle Recht“, Heidelberg 1848; Beiträge zum gemeinen deutschen Proceß“, Heidelberg 1858. Auf das Gebiet der Staatswissenschaften begab er sich mit den Abhandlungen: „Ueber den Begriff und die eigentliche Bestimmung der Staatspolizei sowohl an sich als im Verhältniß zu den übrigen Staatsverwaltungszweigen“, Bamberg 1817; „De cura morum publica, cui singuli ex varia reipublicae conditione variisque eius institutis subjiciantur“, Heidelberg 1833, 4°. Hierzu treten Aufsätze und Recensionen in verschiedenen Zeitschriften: Archiv für civ. Praxis, Heidelberger Jahrbücher u. a. Trotz dieser ausgedehnten Schriftstellerei glaubte er von den vierziger Jahren an, seine eigentliche Bedeutung für das Kirchenrecht zu haben und hielt sich in voller Naivetät für den ersten Kanonisten. Ein „Grundriß zum Kirchenrecht der Katholiken und Protestanten“ erschien Heidelberg 1850 in 2. Aufl., als „Lehrbuch des Kirchenrechts“ Schaffhausen 1858 (bezeichnet als 3., umgearb. Aufl.), wesentlich ergänzt aus dem Buche „Canonisches Recht“, Schaffh. 1858. Dieses 1017 Seiten dicke Buch ist geradezu komisch, hat ein Vorwort von 20 Seiten, „Nachträge“ von 6 Seiten, 8 Beilagen, die entweder in den Context oder gar nicht ins Buch gehören, 6 Seiten „Zukunft und Schlußwort“ und ein Realregister, Quellen- und Sachregister, als dessen Vorzug steht: „In unserem Register sind sogar Nachträge geliefert und Controversen behandelt“; es ist nichts als eine Sammlung von Gedanken aller Art, absonderlichen Ansichten, unvollständigen fachlichen Erörterungen; bei 300 Seiten könnte es nützen. Die „Aeußere Encyklopädie des Kirchenrechts oder die Haupt- und Hilfswissenschaften des Kirchenrechts“, Heidelberg 1865, 1867, 2 Abth., ist eine aller Beschreibung spottende Arbeit. Das „Manuale latinitatis juris canonici, rerum moralium et theologicarum, brevissimis annotationibus et probationibus instructum, quo lexici juris canonici documenta proponere studuit“, Schaffhausen 1862, ist ein gänzlich werthloses Ding, nichts als eine Zusammenstellung von Worten, bei denen häufig die Bedeutung, ein Citat u. dgl. steht, wo der Verfasser solches zufällig notirt hatte, oft nichts. Die „Geschichte des Rechts im Mittelalter. Erster Theil: Canonisches Recht“, Mainz 1846, will den Plan einer Dogmengeschichte ausführen, bietet aber nichts als Aufzeichnungen subjectiver Ergüsse und Notizen, welche dem Fachmann die Zeit rauben, den Anfänger verwirren. Die Abhandlung „Das staatsrechtliche Verhältniß zur katholischen Kirche in Deutschland, seit dem westphälischen Frieden, übersichtlich dargestellt“, Schaffhausen 1859, ist alles, nur nicht das, was der Titel besagt; „Beiträge zum Studium des Kirchenrechts im 19. Jahrh. in Deutschland“, Heidelberg 1853; „Zu den kirchenrechtlichen Quellen des 1. Jahrtausends und zu den pseudoisidorischen Dekretalen. Mit besonderer Rücksicht auf noch nicht bekannte [262] Handschriften“ (in Wirklichkeit war der angebliche Fund bereits zweimal gedruckt); „Beiträge zum Kirchenrecht“. 1863; „De studiis jur. civ. et can. in Germaniae universitatibus medii aevi“, Heidelberg 1861; Aufsätze im „Archiv für Kirchenrecht“ von v. Moy und Vering. – Ueberblickt man Roßhirt’s schriftstellerische Leistungen, so muß man zu dem Bedauern kommen, daß derselbe so gänzlich unfähig war, irgendwie methodisch und sich an die Sache haltend zu arbeiten. Denn er hatte viel gearbeitet, besaß eine Fülle von Kenntnissen aus den verschiedenen Gebieten des Rechts, hatte gute Gedanken. Es fehlte ihm aber die Fähigkeit des Maßhaltens, er veröffentlichte, was ihm gerade einfiel, mochte es noch so unreif sein; seine Phantasie ersetzte, wo der Stoff mangelte. Mit ganz verschwindenden Ausnahmen sind seine Schriften für die Entwicklung der Wissenschaft werthlos trotz der Anregung durch Gedanken. Während er bei Lebzeiten von katholischer Seite geschont oder gar gelobhudelt wurde, hat der Herausgeber des „Archivs für katholisches[WS 1] Kirchenrecht“, Vering, noch 1873 über die Schriften kaum ein Wort, als Tadel, wie ich in der „Geschichte der Quellen und Literatur des canonischen Rechts“ gezeigt habe. Hätte R. es verstanden, sich zu beschränken und reife Arbeiten zu veröffentlichen, so würde er Tüchtiges haben leisten können. Als Lehrer war er nach Mittheilungen einiger Schüler gleich verworren und bizarr, seine Vorträge gaben aber Anlaß zum Lachen.

Anonymus in v. Weech, Biogr. II, 186 fg. (bezüglich der Schriften nicht immer genau). – v. Schulte, Gesch. III, 1, S. 350 fg., 2, S. 217.


Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: katholische