Empfohlene Zitierweise:

Artikel „Reis, Philipp“ von Wilhelm Stricker in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 28 (1889), S. 113–114, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Reis,_Philipp&oldid=- (Version vom 24. April 2024, 06:13 Uhr UTC)
Allgemeine Deutsche Biographie
>>>enthalten in<<<
[[ADB:{{{VERWEIS}}}|{{{VERWEIS}}}]]
Band 28 (1889), S. 113–114 (Quelle).
Philipp Reis bei Wikisource
Philipp Reis in der Wikipedia
Philipp Reis in Wikidata
GND-Nummer 11874433X
Datensatz, Rohdaten, Werke, Deutsche Biographie, weitere Angebote
fertig
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Kopiervorlage  
* {{ADB|28|113|114|Reis, Philipp|Wilhelm Stricker|ADB:Reis, Philipp}}    

{{Normdaten|TYP=p|GND=11874433X}}    

Reis: Philipp R., der Erfinder des Telephons, geboren am 7. Januar 1834 in Gelnhausen, † am 14. Januar 1874 zu Friedrichsdorf an der Lungenschwindsucht. R. war der Sohn eines Bäckers und Landwirths in der alten Reichsstadt Gelnhausen; er verlor früh seine Eltern und trat im 11. Lebensjahre in die Garnier’sche Erziehungsanstalt zu Friedrichsdorf bei Homburg, mit [114] 14 Jahren in die Hassel’sche zu Frankfurt. Neben Sprachen interessirten den begabten Knaben besonders die Naturwissenschaften und er wußte, auch nachdem er mit 16 Jahren (1850) in ein Farbwaarengeschäft zu Frankfurt als Lehrling eingetreten war, die dort gebotenen Gelegenheiten zum Unterricht in Mathematik und Naturwissenschaften zu benutzen. Seine Lehrer waren Dr. Jul. Löwe, Prof. Böttger und Dr. Poppe. Nachdem er der Lehrzeit in seinem Geschäfte genügt und in Cassel die Militärpflicht (1855) absolvirt hatte, bildete er sich in Frankfurt weiter zum Lehrer aus und trat 1858 als Lehrer in das Garniersche Institut in Friedrichsdorf ein. 1859 verheirathete er sich. – Im J. 1860 vollendete R. eine Arbeit über die Gehörwerkzeuge. Es gelang ihm, einen Apparat zu erfinden, durch welchen es möglich wird, die Functionen der Gehörorgane klar und anschaulich zu machen, mit welchem man aber auch Töne aller Art durch den galvanischen Strom in beliebiger Entfernung reproduciren kann. Er nannte das Instrument „Telephon“ (nach gefäll. brieflichen Mittheilungen des Herrn Prof. Dr. J. Rein in Bonn, der mit R. befreundet war, beschäftigte R. sich bereits im Winter 1857–58 mit der Herstellung des Telephons). Seinen Apparat machte R. zuerst bekannt durch eine Vorlesung im physikalischen Verein zu Frankfurt, in dem Jahresbericht desselben für 1860–61 ist der Vortrag abgedruckt und der Apparat abgebildet. Auf der Naturforscherversammlung in Gießen am 21. September 1864 zeigte R. den inzwischen verbesserten Apparat vor, aber das feindliche Entgegentreten des Prof. Poggendorff ließ ihn nicht zur Geltung kommen. Obgleich das Telephon nicht nur in wissenschaftlichen Werken, z. B. Müller-Pouillet’s Lehrbuch der Physik (7. Auflage), sondern auch in populären Schriften erwähnt wurde, kam es doch allmählich in Vergessenheit; dem Erfinder machten es seine Gesundheitszustände unmöglich, mit Nachdruck die Vortheile daraus zu ziehen. Erst als Graham Bell, der den Apparat verbesserte, auch die Idee für sich in Anspruch nahm, erinnerte man sich in Deutschland des ursprünglichen Erfinders, und jetzt ist das Verdienst von R. in der ganzen Welt anerkannt. Ein Originalapparat wurde für das Reichspostmuseum in Berlin angekauft. Auf Veranlassung des physikalischen Vereins ist R. auf dem Friedhofe zu Friedrichsdorf ein Denkmal errichtet worden (enthüllt am 8. Decbr. 1878). Seine mit ihrer Tochter in Friedrichsdorf wohnende Wittwe bezieht einen Gehalt von der Reichsregierung.

Die Hauptquelle ist die Schrift des Vorstehers der Garnier’schen Erziehungsanstalt in Friedrichsdorf, Prof. Dr. Schenk, Frankfurt a. M. 1878 (Joh. Alt), welche auch den Vortrag von R. und die Abbildungen des Telephons aus dem Jahresbericht des physik. Vereins 1860–61 enthält, englische Uebersetzung von S. P. Thomson, London 1883. – Reis’ Bild in E. J. Houston, The telephone, Philadelphia 1886. – Amtlicher Bericht über die Versammlung deutscher Naturforscher und Aerzte in Gießen, S. 84, 1864.