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Artikel „Reicha, Joseph“ von Hans Michael Schletterer in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 27 (1888), S. 617–618, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Reicha,_Joseph&oldid=- (Version vom 25. November 2024, 19:02 Uhr UTC)
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Reicha: Joseph R., geb. 1757 (1746) in Prag, † 1795 (1793, 1803) in Bonn. Schon die unsichern Angaben über Geburts- und Sterbejahr deuten darauf hin, daß wir bezüglich des Lebensganges Reicha’s nur ungenügende Nachrichten geben können. Er war Cellist und ein beliebter Componist für sein Instrument. Anfangs im Dienste des Grafen v. Waldstein (?) in Prag, soll er 1787 nach Bonn übergesiedelt und bei dem vom Kurfürsten Maximilian [618] Friedrich errichteten Nationaltheater beschäftigt gewesen sein. Da dieser jedoch bereits am 15. April 1784 starb, kann hier nur das im J. 1788 unter seinem Nachfolger Maximilian Franz, einem Sohne der Kaiserin Maria Theresia, neu ins Leben gerufene Nationaltheater gemeint sein, an welchem R. zugleich als Capellmeister thätig war. Thatsache ist, daß er schon von früher her dem Kurfürsten bekannt war, und daß dieser gleich nach seiner Ernennung zum Kurfürsten von Köln, den talentvollen Mann zu sich berief und ihm die Organisation seines Orchesters übertrug. R. hatte schon vor 1785 in Bonn Anstellung gefunden, denn am 28. Juni dieses Jahres rückte der seitherige Concertmeister R. mit einem Gehalte von 1000 Gulden zum Concertdirector auf. Aber auch hier ist wieder eine Ungenauigkeit zu bemerken. R. kam an die Stelle Caj. Mattioli’s, der 1784 entlassen wurde, und Director der kurfürstlichen Cabinetscapelle und Hofmusikus war und als solcher in der Rangliste der Bediensteten noch vor dem Capellmeister rangirte. Unter Reicha’s Direction stand bis Ende 1792, wo seine Uebersiedelung nach Wien erfolgte, der erst 15jährige Beethoven als Vicehoforganist und Bratschist, der, nachdem er zwei Jahre umsonst gedient, von 1784 ab eine Gage von 150 Gulden erhielt. Das Bonner Hoforchester besaß damals eine Reihe junger Kräfte, von denen sich in der Folge viele großen Ruhm und einen ehrenvollen Namen erworben (die Vettern Romberg, J. und Fr. Ries, Vater und Sohn, Chr. Neefe, N. Simrock, Hornist, Nic. Küchler, Fagottist, Seb. Pfau, Flötist, Max Willmann, Cellist, J. Paraquin, Contrabassist u. v. a.). R. galt als ein sehr energischer und einsichtsvoller Director. Leider wurde er von einem furchtbaren Gichtleiden heimgesucht, das ihn nöthigte, sich beim Gehen zweier Krücken zu bedienen und ihm endlich jede Beschäftigung unmöglich machte, auch das Schreiben, denn seine letzten Compositionen mußte er einem Copisten in die Feder dictiren. Er hat die 1794 erfolgte Aufhebung des Nationaltheaters und den Zusammenbruch der Bonner Herrlichkeit nicht lange überlebt. Von seinen zahlreichen Compositionen erschienen im Druck: 1) 6 concertante Duetten für Violine und Cello, op. 1; 2) Celloconcert, op. 2; 3) Sinfonie mit 2 concertirenden Violinen, op. 3; 4) 3 Duette für Violine und Cello, op. 4; 5) 3 Sinfonien für 10 Instrumente, op. 5; 6) 2 Sinfonien mit Violine und Cello concertirend; 7) Concertante Sinfonie für 2 Hörner. Diese sämmtlichen Werke hat mit Ausnahme von op. 2 (Offenb.) Simrock in Bonn verlegt.