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Artikel „Rehbinder, Nicolai Graf“ von Franz Brümmer in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 27 (1888), S. 587, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Rehbinder,_Nicolai_Graf&oldid=- (Version vom 26. Dezember 2024, 20:16 Uhr UTC)
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Rehbinder: Nicolai Graf R. entstammte einer alten livländischen Adelsfamilie und wurde am 6. December a. St. (18. December n. St.) 1823 zu Reval geboren. Er erhielt seinen Unterricht theils durch Hauslehrer, theils auf der Ritter- und Domschule seiner Vaterstadt, trat im 17. Jahre als Junker in den russischen Flottendienst und wurde nach zwei Jahren Officier. Nachdem er mehrere interessante Seefahrten im baltischen Meere und in der Nordsee, darunter eine mit dem Großfürsten Konstantin längs der finnischen Schären und eine nach Dänemark, mitgemacht hatte, trat er 1845 aus dem Seedienst und lebte nun einige Zeit als Gutsbesitzer und Landwirth in Esthland. Doch gab er diese ihm nicht zusagende Beschäftigung bald wieder auf, zog als Privatmann nach Reval und trat 1848 in russische Civildienste. Er amtirte viele Jahre in Hapsal, einem Ostseestädtchen, das als Badeort von den Bewohnern der benachbarten Provinzen und besonders von den Petersburgern während des Sommers gern besucht wird, nachmals in Libau, wo er 1860–61 die „Libau’sche Zeitung“ herausgab, während des polnischen Aufstandes 1863–64 an der russisch-preußischen Grenze in Polangen und zuletzt als Beamter der baltischen Eisenbahn in Reval. Treu seiner Ueberzeugung und ein unermüdlicher Kämpfer für Aufklärung, Wahrheit und Recht, ist er hart vom Schicksal heimgesucht worden und hat schwer zu leiden gehabt, sowol im Kampfe gegen alles Ultramontane und Feudale von seinen Standesgenossen, die ihn unerhört anfeindeten, als auch im Streit gegen die Corruption des Beamtenthums in seinen Dienstverhältnissen; ja es gelang seinen Feinden sogar, ein ihm und seinen Kindern zustehendes Vermögen durch Erbschleicherei ihm zu entziehen. Alle diese Kämpfe spiegeln sich auch in vielen seiner lyrischen Poesien wieder und eröffnen erst das rechte Verständniß derselben. Als Dichter zeichnete sich R. durch ein edles Streben, einen unermüdlichen Eifer und besonders durch Förderung junger poetischer Landsleute aus. In dem von ihm herausgegebenen „Baltischen Album“ (1848) und dem „Musenalmanach der Ostseeprovinzen“ (III, 1854-56) vereinigte er eine Reihe von jungen Poeten, von denen mehrere später eine achtungswerthe Stellung in der Litteratur einnahmen. Seine Berichte in der Zeitschrift „Das Inland“ über „Die belletristische Litteratur der Ostseeprovinzen Rußlands von 1800–1852“ (sep. 1854) bieten eine klare und erschöpfende Uebersicht der litterarischen Personen und Werke während jenes Zeitraums. Von R. selbst besitzen wir folgende Sammlungen seiner Gedichte: „Blätter“ (1846); „Neue Gedichte“ (1848); „Seemanns Ende. Episches Gedicht“ (1849); „Vom Meeresstrande“ (1856); „Aus dem Innersten. Letzte Gedichte“ (1873). Von seinen Dramen zeichnet sich besonders „Rizzio, Trauerspiel in 5 Acten“ (1849) aus. Seit dem Jahre 1874 schwer leidend, suchte R. vergebens Hülfe durch den Besuch deutscher Bäder, doch blieb ihm auch in seiner Krankheit die Muse noch treu und konnte er noch die Veröffentlichung seines letzten Werkes „Jesus von Nazareth, Trauerspiel in 5 Acten“ (1875) in Wiesbaden ins Werk setzen. In die Heimath zurückgekehrt, mußte er sich bald in Dorpat einer schweren, gefährlichen Operation unterwerfen, und an den Folgen derselben ist er am 31. August a. St. (12. September n. St.) 1876 in Dorpat gestorben.

Jegór v. Sivers, Deutsche Dichter in Rußland. Studien zur Litteraturgeschichte. Berlin 1855, S. 593. – Mittheilungen aus der Familie.