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Artikel „Plitt, Johann Jakob“ von Hermann Dechent in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 26 (1888), S. 307–309, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Plitt,_Johann_Jakob&oldid=- (Version vom 21. November 2024, 23:24 Uhr UTC)
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Plitt: Johann Jakob P., lutherischer Theologe, geb. 27. Februar 1727 zu Wetter bei Marburg, † 7. April 1773 zu Frankfurt a. M. Nachdem er die Gymnasien von Lippstadt und Soest besucht hatte, bezog er 1744 die Universität Marburg, um sich dem Studium der Theologie zu widmen. In Halle, wohin er sich 1745 wandte, schloß er sich dann besonders dem gelehrten und frommen, aber im Gegensatze zu den dortigen Pietisten nüchternen und besonnenen Joh. Sieg. Baumgarten an. Mit Eifer besuchte er ferner die Vorlesungen des Philosophen Christian Wolff, der auch auf seinen theologischen Lehrer nicht ohne Einwirkung geblieben war. Im Jahre 1748 erwarb er sich zu Marburg die Magisterwürde, in der Absicht, sich der akademischen Laufbahn zu widmen; aber trotz anfänglichen Widerstrebens wurde er bereits am Ende des Jahres zum Prediger in Cassel gewählt. Im Jahre 1755 wurde er wieder zu wissenschaftlicher Thätigkeit berufen, da er Professor der Theologie zu Rinteln wurde, was ihn veranlaßte, die theologische Doctorwürde sich zu erwerben; außerdem hatte er übrigens bald auch eine Pfarrstelle daselbst zu verwalten. 1762 wurde er Nachfolger des Seniors Joh. Pil. Fresenius zu Frankfurt a. M. und erster Prediger an der Barfüßerkirche daselbst. Während man anfangs dem erst 35jährigen Mann nicht mit viel Vertrauen entgegenkam, entfaltete er bald eine gesegnete seelsorgerliche Thätigkeit. Im Jahre 1764 hielt P. die Krönungspredigt gelegentlich der von Goethe beschriebenen Krönung Joseph’s II. Sein Tod erfolgte 1773.

Plitts zahlreiche Abhandlungen, die am vollständigsten in Strieders Grundlage zu einer Hessischen Gelehrten- und Schriftsteller-Geschichte, der Quelle der übrigen bisherigen Darstellungen, verzeichnet sind, legen Zeugniß von einer sehr vielseitigen gelehrten Bildung ab. Sowohl in den theologischen Arbeiten als in den Predigten tritt der Einfluß der Wolff’schen Philosophie zu Tage. Besonders gilt dies in formaler Hinsicht, da P. selbst auf der Kanzel die Definitionen und Beweisführungen des Meisters wörtlich vorbrachte und streng auf Deutlichkeit und Durchsichtigkeit der Begriffe hielt; aber auch in materieller Hinsicht läßt sich die Abhängigkeit bis zu einem gewissen Grade nachweisen. Er verfaßte u. A. eine Schrift „von den falschen und wahren Vortheilen des Krieges in der [308] besten Welt“; ferner eine Abhandlung: „Beweis, daß in dieser als der besten Welt eine Auferstehung der Todten zukünftig sei“ u. s. f. Dabei lag ihm jedoch nichts ferner als die Absicht von den Bekenntnißschriften seiner Kirche abzuweichen; auch betont er in der Vorrede zu seinen beiden größeren Predigtsammlungen: „Von der Vortrefflichkeit der christlichen Religion“ und „Von der Wahrheit der christlichen Religion“ (Frankfurt, Garbe 1763 und 1769) auf das Entschiedenste, daß die christlich Religion vor allem auf der Lehre von dem Versöhnungsopfer Christi (im Sinne Anselms) beruhe: und so doctrinär und nüchtern uns manche seiner Kanzelreden erscheinen, so versichert er doch aufs Nachdrücklichste, in allem die Sprache des Herzens zu reden. Wie die meisten Kanzelredner jener Zeit hat er nicht sowohl den Text auszulegen gesucht, als vielmehr demselben ein einzelnes Motiv entnommen, das er in seiner Weise weiter ausführte – ein bei der Strenge des Perikopenzwangs allerdings begreiflicher Umstand! Goethe, der ein Vierteljahr lang als Knabe seine Predigten nachgeschrieben hat und ihn in Dichtung und Wahrheit als einen großen, schönen und würdigen Mann schildert, bemerkt mit Recht, daß er vom Katheder (aus Versehen läßt er ihn von Marburg kommen) mehr die Gabe zu lehren als zu erbauen mitgebracht habe, und zeigte sich wenig befriedigt von dem Religionscursus, den P. in seinen didaktischen Predigten darbot, deren Hauptaufgabe er in der Vertheidigung des christlichen Glaubens gegenüber den deistischen Angriffen erkannte. Seine Grundsätze über die rechte Führung des geistlichen Amts hat P. in einer Pastoraltheologie (Frankfurt, Garbe 1766) niedergelegt, die er zunächst für das theologische Seminar in Frankfurt gefertigt hat. Hier ist besonders der Abschnitt „Vom Verhalten eines Predigers gegen offenbar Ungläubige“ instructiv. Aus der Rücksicht auf den Deismus erklären sich auch die oft recht wunderlich klingenden Titel seiner Abhandlungen, in denen besonders einzelne schwierige Fragen der biblischen Theologie oder Exegese behandelt sind, z. B. über die Herkunft der Wasser bei der Sündfluth, über die Personen, welche auferstanden sind und dann zum zweiten Male starben, über die Vortheile der übrigen Planeteneinwohner an dem Mittleramt Christi und dgl. Die Abhandlungen finden sich meist in seinen theologischen Untersuchungen (3 Bände. 1763 bis 1769 bei Garbe erschienen), zu deren Herausgabe ihn theils das Vorbild von Fresenius, theils die Thätigkeit an der Saltzwedel’schen Stiftung, in der er den Candidaten Vorträge zu halten hatte, veranlaßte. Er erbot sich auch, Anfragen aus der Gemeinde in jener Zeitschrift zu beantworten. Er wandte sich übrigens nicht nur gegen Deisten, sondern auch gegen die Separatisten, denen gegenüber er die Kindertaufe vertheidigte, nicht ohne selbst manchen Angriff dafür zu erfahren. Er griff auch ein in den langen Streit, der nach dem Tode des lutherischen Theologen Heumann über dessen nachgelassene Schrift: „Erweis, daß die Lehre der reformirten Kirche von dem heiligen Abendmahl die rechte und wahre sei“ mit Heftigkeit entbrannte, und vertheidigt das lutherische Dogma. Bei allem redlichen Eifer für reine Lehre steht er mit seiner Ueberzeugung von der verstandesmäßigen Beweisbarkeit der christlichen Wahrheit und der genauen Uebereinstimmung der von falschen Meinungen gereinigten Vernunft mit der auf das Blut Christi gegründeten Religion bereits, wie sein theologischer Lehrer Baumgarten, mit einem Fuße auf dem Boden des Supranaturalismus, der wie sein Nebenbuhler, der Rationalismus, die Bedeutung der innern Erfahrung für das religiöse Leben nicht genug zu würdigen wußte.

Ein Sohn von ihm war Johann Ludwig Christian P., lutherischer Theologe, geb. zu Cassel am 6. Mai 1753, † zu Frankfurt am 17. Febr. 1800. Er wurde frühzeitig in das Pfarramt berufen. 1775 erhielt er bereits die zweite Pfarrstelle zu Friedberg und wurde 1778 Oberprediger und Consistorialrath. [309] Im J. 1797 wurde er nach Frankfurt a. M. berufen, konnte jedoch sein neues Amt wegen Geistesstörung nicht antreten. In einem Gartenhause zu Frankfurt verbrachte er die letzten Jahre bis zu seinem Lebensende. P. war ein tüchtiger Orientalist und hat von dem (Paris 1753 erschienenen) lateinischen Commentar des Oratorianers Franz Houbigant zu sämmtlichen Büchern des A. T. eine neue Auflage besorgt, bei der es ihm besonders darauf ankam, die kritischen Grundsätze dieses Gelehrten darzulegen und im Uebrigen das Werk durch Kürzung für weitere Kreise brauchbar zu machen.

Genaueres über die Bearbeitung des Houbigant’schen Commentars siehe bei Hirsching, historisch-litterarisches Handbuch.