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Artikel „Pertsch, Wilhelm“ von Max Berbig in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 53 (1907), S. 18–19, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Pertsch,_Wilhelm&oldid=- (Version vom 26. April 2024, 06:45 Uhr UTC)
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Pertsch: Wilhelm P., hervorragender Orientalist, geboren am 19. April 1832 in Coburg, † am 17. August 1899 in Gotha. Der Vater war Jurist, starb aber sehr frühzeitig. Mit um so innigerer Zuneigung schloß sich der Knabe an die Mutter an; und dieses schöne Verhältniß bestand fast durch sein ganzes Leben, denn nur wenige Jahre ging ihm die Mutter im Tode voraus. Nachdem P. Ostern 1850 das Gymnasium in Coburg absolvirt hatte, widmete er sich in Berlin dem Studium der orientalischen Sprachen, für welche er bereits immer schon ein lebhaftes Interesse gehabt hatte. Besonders fesselte ihn als Lehrer Albrecht Weber, mit dem ihn bald ein inniges Freundschaftsband verknüpfte, das bis an seinen Tod bestand. Sein Studiengenosse war der bedeutende amerikanische Sanskritist und Sprachforscher W. D. Whitney. Als erste Frucht seiner Thätigkeit veröffentlichte der kaum Zwanzigjährige 1852 bei F. Dümmler in Berlin einen modernen Sanskrittext mit englischer Uebersetzung: die Chronik einer bengalischen Dynastie der Könige von Navadvipa, eine Arbeit, die selbst in Indien Aufsehen erregte. Im folgenden Jahre erschien sodann im 3. Bande von Weber’s Studien ein Verzeichniß der Versanfänge der Riksamsita. Nachdem P. hierauf noch ein Semester bei Roth in Tübingen gehört hatte, kehrte er nach Berlin zurück und promovirte mit der Herausgabe des Upalekha, de kramapatha libellus, eines Sanskrittextes, der eine künstliche Recitationsweise des Rigvedatextes behandelt. Nun unternahm er eine Studienreise nach Paris, London und Oxford, um dort die Materialien für eine kritische Ausgabe eines der zum schwarzen Jadschurveda gehörigen actuellen Textes (des Tai-Hiriga-Aranyaka) zu sammeln. Nach Coburg zurückgekehrt, bat er dann um die Erlaubniß, an der herzoglichen Bibliothek zu Gotha arbeiten zu dürfen, da diese einen großen Schatz von orientalischen Handschriften besitzt. Am 1. Februar 1855 trat er hier ein und ist dieser Bibliothek bis an sein Lebensende treu geblieben, denn Hofrath Ewald, der damalige Vorstand derselben, erkannte sehr bald, welch trefflicher Gelehrter P. war und beantragte schon nach wenigen Monaten seine Anstellung als Beamter, welche Herzog Ernst II. auch sofort verfügte. Da die gothaischen Handschriften hauptsächlich arabische, sodann aber türkische und persische sind, so traten Pertsch’s indische Studien mehr in den Hintergrund und er widmete sich mehr dem Studium der semitischen und mohammedanischen Sprachen. Ein trefflicher Helfer war ihm dabei ein älterer Beamter der Bibliothek, Archivrath Möller. Das Lebenswerk für einen Zeitraum von 25 Jahren wurde nun für P. die Herstellung und Herausgabe des Katalogs der Gothaer orientalischen Handschriften, der acht Bände füllt und 33 000 Handschriften, darunter 2891 arabische, gründlich beschreibt und der Gelehrtenwelt zugänglich macht. Schon nach dem Erscheinen der ersten Bände war Pertsch’s Ruf als Gelehrter begründet und die Akademien der Wissenschaften in Berlin, in Leipzig und Göttingen ernannten ihn zu ihrem Mitgliede. Auch die königliche Bibliothek in Berlin übertrug ihm die Katalogisirung eines Theiles ihrer orientalischen Handschriften, der IV. und VI. Band des dortigen Kataloges sind sein Werk. Die Ordnung eines großen Theiles der orientalischen Münzen der Berliner Museen wurde ebenfalls von ihm ausgeführt.

Wiederholt wurden P. glänzende Stellungen angetragen, er blieb jedoch Gotha treu. Hier wurde er 1879 zum Oberbibliothekar und 1883 zum Director der Friedenstein’schen Sammlungen ernannt. Als solcher beschäftigte er sich auch vorzüglich mit dem Münzcabinet und ordnete die orientalischen Münzen, seine Hauptneigung galt aber auf numismatischem Gebiete den Münzen der Griechen und Römer. – Von seinen kleineren Schriften auf sprachlichem Gebiete sind noch zu erwähnen die Beschreibung einer Pali-Handschrift [19] in der Gurupujakaumudi, einer Festschrift zu Ehren A. Weber’s, und eine Abhandlung über die arabische Uebersetzung des Amrakunda in einer Festschrift zu Ehren seines Lehrers R. Roth. Zahlreich sind außerdem seine Arbeiten in den Schriften der „Deutschen Morgenländischen Gesellschaft“ und in der Zeitschrift „Orient und Occident“. Jedoch nicht nur als Fachgelehrter leistete P. Hervorragendes, er besaß auch ungemein reiche Kenntnisse in Botanik, Entomologie, Geschichte etc. „Als Oberbibliothekar aber“, so schreibt einer seiner Biographen und spricht damit die Ansicht Aller aus, die die Gothaer Bibliothek benutzten, während sie unter seiner Leitung stand, „ist er vorbildlich geworden durch das liberale Entgegenkommen, mit dem er die Schätze der Gothaer Bibliothek zugänglich gemacht hat“.

Ebenso hoch wie als Gelehrter stand P. auch als Mensch durch die Freundlichkeit seines Wesens, seine unbegrenzte Gefälligkeit, Schlichtheit und Bescheidenheit und seine anregende Gesellschaftlichkeit. Als Naturfreund liebte er die Höhen des Thüringerwaldes über alles und seinen Sommerurlaub verbrachte er mit Vorliebe in Oberhof oder Neustedt am Rennsteig.

P. war zwei Mal verheirathet und hinterließ drei Söhne, von denen sich einer der Philologie, der zweite der Forstwissenschaft, der dritte der Jurisprudenz widmete.

S. B. Pick, Goth. Tageblatt Nr. 200 vom 26. August 1899. – E. Windisch, Berichte der philol.-historischen Classe der Königl. Sächs. Gesellschaft der Wissenschaften zu Leipzig, Jahrg. 1899. – A. Weber in der Nationalzeitung vom 22. August 1899.