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Artikel „Ostorodt, Christoph“ von Gustav Frank in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 24 (1887), S. 526–527, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Ostorodt,_Christoph&oldid=- (Version vom 7. Oktober 2024, 14:39 Uhr UTC)
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Ostorodt: Christoph O., latinisirt Paschasius oder Paschalodus, eines der Häupter der Socinianer, war ein Sohn des Predigers Henning O. in Goslar. Letzterem wird das Wort in den Mund gelegt: „Christoph, mein Sohn, ist ein Schalk und will nicht folgen wie die andern, und wird dich, liebe Catharina, wenn ich einmal das Haupt lege, in große Noth und Fahr bringen.“ Nach Vollendung seiner (1581 begonnenen) Studien in Königsberg wurde er Schulrector zu Sluchow in Pommern an der polnischen Grenze. Daselbst bekannt geworden mit den Lehren der Socinianer reiste er zu ihrer Synode in Chmielnicz (1585) und ließ sich durch die Wiedertaufe in ihre Gemeinschaft aufnehmen. Als er, nach Sluchow zurückgekehrt, für seine socinianischen Ansichten Propaganda machte, ward er seines Rectorats entsetzt. Er begab sich hierauf in seine Vaterstadt und bekehrte seine Mutter und andere Familienglieder zum Socinianismus. Die Prediger von Goslar hielten mit ihm am 3. Juni 1585 ein resultatloses Colloquium ab (Chr. A. Heumann, Relatio de colloquio, quod Goslariae cum Chr. Ostorodo habitum est in der Bibl. Brem. V, 948.) Der vom Magistrat, ne lues pestifera ad plures traheretur, über ihn verhängten Haft entging er durch die Flucht. Seine verhaftete Mutter zu befreien, suchte er die Hülfe der Synode zu Chmielnicz an. Diese entsandte zwei Abgeordnete, Andreas Lubieniec und Johann Balcerovic mit einem Schreiben dd. 13. September 1586 nach Goslar, in welchem dem Stadtrath vorgestellt wurde, daß solche Gewaltthätigkeiten mit der Sanftmuth Christi und selbst mit den Grundsätzen Luthers, Brenzens und anderer Theologen in Widerspruch ständen. Diese Intervention bewirkte, daß Ostorodt’s Mutter mit ihren Töchtern und Vermögen unter der Bedingung, nie wiederzukehren, die Stadt verlassen durfte. Inzwischen war er selbst Lehrer zu Chmielnicz, dann Prediger der antitrinitarischen Gemeinde zu Smigla, endlich als vir eximie doctus et pius Vorsteher der Kirche [527] zu Racow, der Hauptstätte des Socinianismus, geworden. Der strengeren Partei der Socinianer angehörig, hat er die Nothwendigkeit der Taufe vertheidigt, die Waffenführung, Eidesleistung, Reichthum, Bekleidung öffentlicher Aemter anabaptistisch verworfen, wodurch er in Collision mit seinen eigenen Glaubensgenossen kam. In dem für Faustus Socinus trüben Jahre 1598 ging er, man weiß nicht sicher aus welchem Grunde, mit Andreas Voidow nach Holland und gewann in Amsterdam und Leyden vielen Anhang. Auf Grund eines Gutachtens der theologischen Facultät in Leyden ließen die Generalstaaten von Holland und Westfriesland die von beiden mitgebrachten Schriften in ihrer Gegenwart verbrennen, sie selbst des Landes verweisen (Apologia ad decretum illustr. ordinum provinciarum foederatarum Belgii editum contra Chr. Ostorodum et Andr. Voitovium die tertio Sept. 1598, scripta ab eisdem mense Aug. 1599, edita 1600). O. starb als Prediger zu Buscow am 8. August 1611 in hohem Ansehen. Wie bei seinen Lebzeiten Deputirte der Generalsynode den durch seine Härte – denn er war ein vir morosi et pertinacis ingenii – gestörten Frieden unter den socinianischen Gemeinden herstellen mußten, so bedurfte es auch nach seinem Tode noch der Friedensvermittelung. Seine bekannteste Schrift „Unterrichtung von den vornehmsten Hauptpunkten der christlichen Religion, in welcher begriffen ist fast die ganze Confession oder Bekenntniß der Gemeinen im Königreich Polen“ (Rakow 1604; 5. A. 1629; holländisch 1649), verfaßt aus Liebe zu seinen deutschen Mitbürgern, unter welchen selbst diejenigen noch viele Irrthümer hegten, die dem Papstthum entsagt haben, ist eine verständige Reproduction des socinianischen Lehrbegriffs. Seine Disputation mit dem Erzpriester Powodowski in Krakau wurde verboten. Seine Schrift „Von der Gottheit Christi und des heiligen Geistes“ (2. A. Rakow 1625) ist wider des Augsburgischen Syndicus Georg Tradel „Iudicium und Ableinung über eine erschreckliche arianische in Polen ausgegangene Schrift“ (1596) gerichtet.

G. G. Zeltner, Historia Crypto-Socinismi. Lips. 1729, S. 281–84. – E. Ensfelder, Chr. Ostorodt, sa vie et son principal écrit. Strasb. 1859. – Die übrige biographische Litteratur verzeichnet F. Wachter in der Allg. Encyklopädie III, 7, 166 f.