Empfohlene Zitierweise:

Artikel „Nesen, Konrad“ von Otto Kaemmel in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 23 (1886), S. 437–438, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Nesen,_Konrad&oldid=- (Version vom 27. Dezember 2024, 08:36 Uhr UTC)
Allgemeine Deutsche Biographie
>>>enthalten in<<<
[[ADB:{{{VERWEIS}}}|{{{VERWEIS}}}]]
<<<Vorheriger
Nerreter, David
Nächster>>>
Nesen, Wilhelm
Band 23 (1886), S. 437–438 (Quelle).
[[| bei Wikisource]]
Konrad Nesen in der Wikipedia
Konrad Nesen in Wikidata
GND-Nummer 10286649X
Rohdaten, Werke, Deutsche Biographie, weitere Angebote
fertig
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Kopiervorlage  
* {{ADB|23|437|438|Nesen, Konrad|Otto Kaemmel|ADB:Nesen, Konrad}}    

{{Normdaten|TYP=p|GND=10286649X}}    

Nesen: Konrad N., jüngerer Bruder des folgenden, geb. 1495 zu Nastätten im hessisch-rheinfeldischen[WS 1], später nassauischen Gebiete. Der Vater trieb Landwirthschaft, scheint aber in ziemlich bescheidenen Verhältnissen gelebt und die Mittel zum Studium der Söhne nur mit großer Mühe beschafft zu haben. Wo N. seine Schulbildung genossen hat, ist unbekannt. Vielleicht folgte er dann dem älteren Bruder Wilhelm nach Paris; jedenfalls war er schon Anfang des Jahres 1519 dort und schrieb daselbst als Fastnachtsscherz im lucianisch-hutten’schen Stile den „Dialogus bilinguium ac trilinguium“, eine scharfe Satire auf die Kämpfe in Löwen, zu der ihm Mittheilungen Wilhelms den Stoff geliefert haben werden. Er theilte also dessen Standpunkt vollständig und ging deshalb auch im J. 1525 nach Wittenberg, um die Rechte weiter zu studiren. 1530 wurde er als „Präceptor“ an den Hof König Ferdinands I. berufen, ohne daß sich bis jetzt feststellen ließe, welche Aufgabe ihm dort zugewiesen worden sei; unter den Lehrern des Erzherzogs Maximilian (II.), an den man am ehesten denken könnte, wird er nicht genannt. Wegen Kränklichkeit nach zwei Jahren aus dieser Stellung wieder ausgeschieden, wurde er in Wittenberg zum Licentiatus juris promovirt und erhielt auf Melanchthon’s Empfehlung 1533 die Berufung als Stadtsyndikus nach Zittau, als welcher er bereits der Rathskür im August dieses Jahres beiwohnte. Er bewährte sich in diesem wichtigen Amte so, daß er 1541 zum amtführenden Bürgermeister gewählt wurde; doch behielt er das Syndikat bis zu seinem Tode bei, da die drei Bürgermeister alljährlich in der Leitung der Geschäfte abwechselten. Gleich in seinem ersten Amtsjahre, im December 1541, wohnte er dem böhmisch-österreichischen Generallandtage in Prag bei und gehörte mit zu dem Ausschuß, welcher die geforderte Türkensteuer berieth. Vermuthlich hängt es damit zusammen, daß König Ferdinand ihn unter dem 10. Mai 1542 in den erblichen Adelstand erhob. Nesen’s Hauptthätigkeit galt aber in dieser Zeit der besseren Begründung der lutherischen Reform in Kirche und Schule. Der Rath war hier geschlossen evangelisch, und da auch die Stimmung der Bürgerschaft dem entsprach, so hatte die Messe seit 1535 an den Wochentagen, seit 1539 auch an den Sonntagen aufgehört, und die nunmehrige Stadtschule hatte durch Nesen’s Bemühungen 1535 in Andreas Mascus, einem Schüler Melanchthon’s, ihren ersten evangelischen Rector erhalten. Indessen entbehrte das alles noch der sicheren Grundlage, so lange die Johannitercomthurei, welche [438] das Patronat über Kirche und Schule übte, der Umgestaltung noch feindlich gegenüberstand. Da war es der erste Schritt zur Befestigung derselben, daß 1540 die verfallene Comthurei mit dem Patronat durch Verpfändung auf acht Jahre an den Rath überging. Dies wie die einige Jahre später (1545) erfolgende Rückkehr des ersten evangelischen Predigers der Stadt, Lorenz Heidenreich, der 1530 dem Zorne des Comthurs hatte weichen müssen, und die Einführung der deutschen Kirchensprache bei Gesang und Abendmahl war zum großen Theil Nesen’s Werk. Trotzdem bewahrte er zu dem rasch seiner Auflösung entgegengehenden Cölestinerkloster auf dem Oybin ein freundliches Verhältniß; es verkaufte ihm „in Ansehen seiner getrewen Dienste“ 1546 eine Mühle. Da stellte 1547 der sogenannte „Pönfall“, die maßlos harte Strafe für saumselige Erfüllung der Kriegspflicht im schmalkaldischen Kriege, welche weniger der Zorn König Ferdinands als der Neid des einheimischen Adels heraufbeschwor, die ganze politische Existenz Zittaus wie aller oberlausitzischen Sechsstädte in Frage. Bei der Unterwerfungsgesandtschaft nach Prag im September 1547 befand sich auch N.; er verdankte es nur seinem Range, daß man ihm ein besseres Gefängniß einräumte als den übrigen. Die Härte der Strafartikel freilich vermochte er nicht zu mildern. Die Städte verloren alle ihre Landgüter, die Obergerichtsbarkeit und die freie Rathskür, zahlten schwere Strafgelder und wurden ins künftige als königliche Kammergüter behandelt. Doch war N. persönlich wenigstens so angesehen, daß die königliche Commission, die im Juni 1548 zur Ernennung der Rathmannen vorschritt, ihn unter diese aufnahm. Fortan war seine Arbeit mit zäher Beharrlichkeit darauf gerichtet, das Verlorene wiederzugewinnen und gewiß ist es ein glänzender Beweis für die unverwüstliche Lebenskraft dieser Stadtgemeinden, wie andererseits freilich auch ein Beleg für die Planlosigkeit der habsburgischen Politik und ihre beständige Geldverlegenheit, wenn dies Werk in erstaunlich kurzer Zeit für Zittau dem größten Theile nach bis zu Nesen’s Tode gelang. Schon im Juni 1549 erwarb die Stadt durch ihn das ebenfalls verlorene Pfandrecht an der Comthurei zurück, da sonst das wichtigste Ergebniß seiner bisherigen Amtsführung, die Neugestaltung des Kirchen- und Schulwesens, in Gefahr gerathen wäre, in den nächsten Jahren – bis 1554 – eine ganze Anzahl Dörfer, die dann der König aus Lehen in Eigengüter verwandelte, 1557 die freie Rathskür unter gewissen Beschränkungen, bis 1559 auch diese fielen. Die Wiederherstellung der Obergerichtsbarkeit (1562–63), wenngleich nicht in dem früheren Umfange, hat dagegen N. nicht mehr erlebt. (Vgl. über diese Vorgänge: H. Knothe, Rechtsgeschichte der Oberlausitz im Neuen Lausitz. Magazin 53 [1877], S. 380 ff.) Er starb am 25. Juni 1560 und wurde in der St. Johanniskirche beigesetzt. Seine eigenen Vermögensverhältnisse müssen sich, vielleicht durch seine beiden Vermählungen, recht günstig gestaltet haben; außer jener Mühle erwarb er 1547 noch eine Dorfschaft. Er war zweimal verheirathet. Seine erste Frau Dorothea schenkte ihm einen Sohn († 1594) und eine Tochter; von der zweiten, Anna Rosenhain, hatte er fünf Söhne. Sein Geschlecht blühte noch zwei Jahrhunderte lang in Zittau und meist nahmen die Nachkommen ehrenvolle Stellungen ein. Mit dem Steuereinnehmer Christian Friedrich N. starb 1793 die Familie aus.

Anmerkungen (Wikisource)

  1. richtig wohl: hessisch-rheinfelsischen