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Artikel „Musäus, Johann“ von Georg Christian Bernhard Pünjer in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 23 (1886), S. 84–85, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Mus%C3%A4us,_Johannes&oldid=- (Version vom 4. November 2024, 17:48 Uhr UTC)
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Musaeus: Johann M., Professor der Theologie zu Jena, Urenkel von Simon M. (s. u. S. 91), wurde am 7. Februar 1613 geb. in Langewiesen, einem Dorfe in der Oberherrschaft des Fürstenthums Schwarzburg-Sondershausen, wo sein Vater als Prediger stand. Den ersten Unterricht erhielt er vom Vater, besuchte alsdann die Schule zu Arnstadt, und bezog 1633 die Universität Erfurt. Hier studierte er zunächst Philosophie und Humaniora, und hielt 1634 eine Disputation de cultu divino Enosi. Von Erfurt begab sich M. nach Jena, promovirte hier am 4. August 1635 zum Dr. phil. und wandte sich später theologischen Studien zu. Im Januar 1643 wurde M. Professor der Geschichte und Poesie an der Universität Jena, setzte aber seine theologischen Studien mit [85] Eifer fort und trat 1646 in die theologische Facultät über. Am 5. Mai 1646 promovirte er als Doctor der Theologie und wirkte in hohem Ansehen bis an seinen Tod, den 4. Mai 1681. M. gehörte zu den angesehensten und einflußreichsten Theologen seiner Zeit. Seine Größe bestand darin, daß der Eifer um lutherische Rechtgläubigkeit, welcher in jener Zeit in einen todten Buchstabenglauben auszuarten drohte, bei ihm durch wahre Herzensfrömmigkeit und durch tiefere philosophische Bildung gemildert war. Daher bewahrte er sich eine für jene Zeit seltene Weite des Blicks, welche ihn manche Erscheinungen des kirchlichen Lebens, z. B. den Synkretismus, milder beurtheilen lehrte und zugleich befähigte, manchem Gegner, wie dem Deismus und Spinozismus, mit Verständniß entgegenzutreten. Der von Calov geplanten Einführung des Consensus repetitus fidei vere Lutheranae als einer fest bestimmten Formel lutherischer Rechtgläubigkeit hat er sich energisch widersetzt. Rechtgläubige reine Theologen, sonderlich auf hohen Schulen, können nach seiner Meinung gar nicht einig sein in allem, was zur Erklärung der Glaubenslehre nöthig ist, oder in philosophischen Fragen, welche eine Verwandtniß haben mit einigen Glaubensartikeln. Denn sie sollen ihren Zuhörern ja nicht bloß vortragen, was sie von ihren Lehrern gehört haben, sondern sollen durch eignes Nachdenken und selbständige Forschung die Erkenntniß nach Kräften fördern. Die Annahme des „Consensus“ konnte M. noch hindern, als aber dann Joh. Reinhard in der Streitschrift „theologorum Jenensium errores“ nicht weniger als 93 ketzerische Irrthümer aufstellte, meist aus den Vorlesungen des Musaeus, als auch Calov in zwei Bänden den Jenensern den Abfall von dem rechten Glauben ihrer Väter vorhielt, da hielten die Herzöge von Sachsen es doch für nöthig, eine außerordentliche Visitation über die Universität Jena ergehen zu lassen und sämmtlichen Professoren eine neue Verpflichtungsformel aufzuerlegen, welche jede Gemeinschaft mit calvinistischen Theologen als „verdammlichen Synkretismus“ bezeichnete (1679). Dieser Sieg des Buchstabens dürfte dem weitherzigen M. das Leben verkürzt haben. Nach den verschiedensten Seiten hin ist er als gewaltiger Streiter für die christliche Wahrheit aufgetreten. Gegen Herbert von Cherbury hat er den Satz vertheidigt, daß die natürliche Gotteserkenntniß zur Erlangung des Heiles nicht genüge; Spinoza hat er bestritten, daß man ohne Schaden für die Frömmigkeit und für das Gedeihen des Staates völlige Freiheit des Urtheils und der Rede über religiöse Fragen gestatten könne; Matthias Knutzen (Bd. XVI S. 335) gegenüber hat er Jena in Schutz genommen, als habe die schwärmerische Secte der „Gewissener“ hier zahlreiche Anhänger. Gegen die Angriffe des Katholiken Veit Erbermann vertheidigt er das Weimarische Bibelwerk, gegen Jodocus Kedd (Bd. XV S. 518) den „unbeweglichen Grund der Augsburgischen Confession“, gegen Jakob Masenius (Bd. XX S. 558) die Abneigung der Protestanten gegen die vorgeschlagene Vereinigung der Kirchen. Mit dem Arminianer Curcelläus streitet er über die Seligkeit der Heiden, mit dem Reformirten Vedelius über den Gebrauch der Philosophie in theologischen Fragen. In allen seinen Schriften zeigt sich in wohlthuender Weise, daß Rechtgläubigkeit der Erkenntniß und Christlichkeit der Gesinnung nicht immer beisammen sind, daß aber letztere das Wichtigste von beiden ist. – Die Schriften stehen verzeichnet bei Zeumer: Vitae professorum theol. Jenae 1711. p. 173–177.