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Artikel „Munzinger, Walter“ von Gerold Meyer von Knonau in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 23 (1886), S. 49–50, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Munzinger,_Walter&oldid=- (Version vom 22. November 2024, 07:22 Uhr UTC)
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Munzinger: Walther M., Professor an der Universität Bern, geb. zu Olten am 12. September 1830, † zu Bern am 28. April 1873. Eins der jüngsten Kinder Joseph Munzinger’s (s. d. Art.), – der auf dem Boden Afrikas berühmt gewordene Bruder, Werner (s. d. Art.), war noch um zwei Jahre jünger – folgte Walther M. mit der ganzen Familie erst 1836 dem schon 1831 in den Kleinen Rath erwählten und bald an die Spitze seines Heimathskantons gestellten Vater nach Solothurn nach, wo er die Schulen absolvirte, frühe auch schon als Mitglied des Zofinger Vereins am studentischen Leben, ganz besonders aber an den ausgeprägt liberalen Bestrebungen dieser Vereinigung sich betheiligte. Wie er durch die voran von der Section Solothurn betriebene Umgestaltung dieser schweizerischen studentischen Körperschaft eine nicht unwichtige Vorschule für seine politische Bethätigung durchmachte, so ließ er 1847 trotz seiner Jugend nicht nach, bis er sich am Feldzuge gegen den Sonderbund betheiligen durfte. Außerdem aber war auch ihm ein reichlicher Antheil an der seinem ganzen Hause eigenen musikalischen Begabung zugefallen. Nach der Ernennung des Vaters als Mitglied des Bundesrathes siedelte M. 1849 mit der ganzen Familie nach der Bundesstadt Bern über und begann an der dortigen Hochschule seine juristischen Studien. Nach einem Aufenthalte in Paris sollte noch, als schon das Staatsexamen gemacht war, ein Besuch des jungen Advocaten an der Universität Berlin folgen, dessen längere Dauer aber der Tod des Vaters 1855 verhinderte. M. blieb, auch nach der Rückkehr der übrigen Familienglieder nach Solothurn, in Bern, dessen öffentlichem Leben er, abgesehen von seiner Berufsbethätigung, für die Pflege musikalischer Institute, wie als Anreger des Neubaues der Museums-Gesellschaft, zu dienen bestrebt war. Nachdem er 1855 promovirt, habilitirte er sich als Docent für französisches und für Kirchenrecht, dehnte aber rasch den Kreis seiner Vorlesungen noch über weitere Gebiete aus, und der sehr anregende Lehrer wurde 1857 zum außerordentlichen, 1863 zum ordentlichen Professor ernannt. 1865 hielt er seine Rectoratsrede: „Eine Studie über die Pflege der Jurisprudenz im alten und neuen Bern“ (Bern 1866). Auf dem Boden der Gesetzgehung verfaßte er in der gleichen Zeit insbesondere seine „Motive zu dem Entwurf eines schweizerischen Handelsrechts“ (Bern 1865), welche ihm einen höchst geachteten Namen verschafften. Das Werk einer schweizerischen Codification geht auf Munzinger’s Arbeit, seinen 1870 vollendeten Entwurf eines schweizerischen Obligationenrechts, zurück, und 1871 beleuchtete seine „Studie über Bundesrecht und Bundesgerichtsbarkeit“ die Frage der schweizerischen Rechtseinheitsbestrebungen. – Trotz seiner ausgesprochenen politischen Haltung hatte der Vater sein Haus und seine Familie innerhalb der gottesdienstlichen Einrichtungen der katholischen Kirche gehalten, und auf den Sohn war eine warme religiöse Regung übergegangen. So nahm der für seine Ideale mit größter Gefühlswärme eintretende [50] Mann gleich vom Beginne der seit 1859 sich ankündigenden kirchlichen Kämpfe – 1860 erschien schon seine Schrift: „Papstthum und Nationalkirche, eine kirchenrechtliche Studie“ (Bern) – an diesen Dingen den lebhaftesten Antheil und wurde seit 1871 ein Hauptführer der katholischen Reformbewegung in der Schweiz, betheiligte sich auch als solcher im September des Jahres an dem deutschen Altkatholiken-Congreß in München („Der Katholiken-Congreß in München“, Bern 1871), besonders aber 1872 und 1873 als Mitglied des Central-Comites des Vereins freisinniger Katholiken an den neugeschaffenen kirchlichen Einrichtungen in der Schweiz. So war er auch ganz kurz vor seinem Tode ein Haupturheber der Berufung Professor Herzog’s – des nachherigen 1876 erwählten Bischofs – als Pfarrer nach seiner Vaterstadt Olten. – Mitten in diesem angestrengten Schaffen brach eine kurze Krankheit Munzinger’s Lebenskraft. Eine großartige Bestattungsfeier bewies die hohe Achtung, in welcher er gewesen war. Für die Sache des Altkatholicismus in der Schweiz war der Verlust dieser überzeugungstreuen Stütze unersetzlich.

Vgl. Pet. Dietschi und Leo Weber: Walther Munzinger, ein Lebensbild, (Olten 1874).