Empfohlene Zitierweise:

Artikel „Mizler von Kolof, Lorenz Christoph“ von Carl Krebs in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 52 (1906), S. 426–429, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Mizler_von_Kolof,_Lorenz&oldid=- (Version vom 30. Dezember 2024, 16:12 Uhr UTC)
Allgemeine Deutsche Biographie
>>>enthalten in<<<
[[ADB:{{{VERWEIS}}}|{{{VERWEIS}}}]]
Nächster>>>
Möbius, Paul
Band 52 (1906), S. 426–429 (Quelle).
Lorenz Christoph Mizler bei Wikisource
Lorenz Christoph Mizler in der Wikipedia
Lorenz Christoph Mizler in Wikidata
GND-Nummer 11873430X
Rohdaten, Werke, Deutsche Biographie, weitere Angebote
fertig
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Kopiervorlage  
* {{ADB|52|426|429|Mizler von Kolof, Lorenz Christoph|Carl Krebs|ADB:Mizler von Kolof, Lorenz}}    

{{Normdaten|TYP=p|GND=11873430X}}    

Mizler: Lorenz Christoph M. von Kolof, Musikschriftsteller, Theoretiker und Componist. M. ist am 25. Juli 1711 zu Heidenheim in Württemberg geboren, besuchte die Schule in Ansbach und war vom 30. April [427] 1731–1734 Student der Universität in Leipzig, wo er zugleich den Unterricht J. S. Bach’s im Clavierspiel und der Composition genoß, nachdem er schon in Ansbach im Gesang von Ehrmann und im Violinspiel von Carl unterwiesen war und das Flötenspiel auf eigene Hand betrieben hatte. 1734 erwarb er auf Grund seiner Abhandlung „Quod musica ars sit pars eruditionis philosophicae“ und einer öffentlichen Disputation die Magisterwürde, ging dann zur Fortsetzung seiner Studien nach Wittenberg und kam 1736 nach Leipzig zurück, um hier vom nächsten Jahre ab Vorlesungen zu halten. In seiner Musikalischen Bibliothek I, 2, S. 70 kündigt er an, daß er am 27. März 1737 damit beginnen würde, und zwar sollten sich die Vorträge erstrecken: 1. über die gelehrte Historie der Musik; 2. über Mattheson’s „Neu eröffnetes Orchester“; auch verspricht er Lehrstunden „in anderen Theilen der Weltweisheit“ und zeigt sich bereit, Anfänger im Generalbaß und der Composition zu unterweisen. 1738 gründete er die „Societät der musikalischen Wissenschaften“, deren Zweck war, „die musikalischen Wissenschaften sowohl was die Historie anbelangt als auch was aus der Weltweisheit, Mathematik, Redekunst und Poesie dazu gehört, so viel als möglich ist, in vollkommenen Stand zu setzen“. Die grundlegenden Statuten dieser Societät sind abgedruckt in der Musikal. Bibliothek I, 4, S. 73 ff., weiter ausgeführt III, 2, S. 346 ff. Ebenda S. 356 sind auch die zwölf Mitglieder genannt, die ihr bis zum Jahre 1746 beigetreten waren, an der Spitze Graf Lucchesini, dann M. selbst als ständiger Secretär, Schröter, Telemann u. A., endlich Händel, von sämmtlichen Mitgliedern „aus eigener Bewegung erwählet und solchem die erste Ehrenstelle eingeräumt worden im J. 1745“. Im IV. Bande der Musikal. Bibliothek S. 107 werden die sieben Mitglieder genannt, die von 1746 bis 1752 eintraten, unter ihnen neben Graun und G. A. Sorge auch J. S. Bach, der sich erst 1747 aufnehmen ließ, weil ihn theoretische Auseinandersetzungen, wie sie in dieser Gesellschaft betrieben wurden, kaum interessirten. M. war ein eifriger Musikschriftsteller. Die „Musikalische Bibliothek“, die er seit 1736 herausgab, war etwas wie eine unregelmäßig erscheinende Musikzeitschrift, in der neue Compositionen und Bücher kritisirt, musikalische Ereignisse angezeigt und mancherlei Abhandlungen zur Theorie der Musik veröffentlicht wurden. Während M. anfangs Mattheson’s Schriften sehr belobigt, stellen sich nach und nach Differenzen zwischen beiden ein, die schließlich in offene Fehde ausbrachen. M. hatte 1740 eine Sammlung Oden veröffentlicht, über deren Werth wir uns kein Urtheil bilden können, da sie auf keiner Bibliothek mehr vorhanden sind. Diese Gesänge wurden von den verschiedensten Seiten sehr ungünstig besprochen. Joh. Seb. Stockhausen sagt von ihnen nur, daß sie algebraisch schön, voller unregelmäßiger Regelmäßigkeiten, daß sie durchrechnet, aber nur nicht fürs Ohr sind; Scheibe dagegen schrieb einen höchst boshaften Brief über sie, den Mattheson in der „Ehrenpforte“ nebst einer eigenen, ironisch lobenden Kritik veröffentlichte. M. druckte beide Schriftstücke mit höhnischen Gegenbemerkungen in der Musikalischen Bibliothek ab, Scheibe hieb darauf 1745 im „Critischen Musikus“ noch einmal unbarmherzig auf ihn los, und M. rächte sich für diese Kritiken 1746 durch die Veröffentlichung einer augenscheinlich auf seine Veranlassung von Chr. Gott. Schröter vorgenommenen Hinrichtung des Scheibe’schen „Critischen Musikus“. In dem, was M. schreibt, ist er nicht ohne Scharfsinn und Schlagfertigkeit, aber gewöhnlich ungemein weitschweifig, besonders in seinem Musikalischen Staarstecher, wo der ganz gute Kern, die Anbahnung einer rationellen Ausbildung der Componisten, durch einen Wust von Worten erdrückt wird; er ist auch ziemlich eitel, weswegen er in der Vorrede zum zweiten Bande der Musikal. Bibliothek selbst um Verzeihung [428] bittet; und er legt, da er schöpferisch im Grunde unbegabt war, auf die Bedeutung der physikalischen Klangtheorie und Philosophie für die Musik viel zu großes Gewicht. Immerhin, trotzdem viel dürres Geschwätz unterläuft, hat er durch seine Werke mancherlei nützliche Anregungen gegeben.

M. hat wahrscheinlich schon die ersten Stücke der Musikalischen Bibliothek auf eigene Kosten gedruckt und bei Braun in Leipzig in Commission gegeben, mindestens aber von 1738 an ist dies der Fall, und von nun an gibt er alles in eigenem Verlage heraus („Auf Kosten des Verfassers im Graffischen Hause“ oder „Im Mizlerischen Bücherverlag“ oder Aehnliches steht auf den Titeln); er beschäftigte sich auch, wie aus den Anzeigen in der Musikal. Bibliothek II, 1, S. 157 ff. und im Musikal. Staarstecher S. 117 ff. hervorgeht, mit dem Verkauf der Werke anderer Autoren in Druck und Abschrift, betrieb also einen regelrechten Musikalienhandel. Dieser Verlag scheint auch in Leipzig fortbestanden zu haben, nachdem M. schon von dort weg war. Er ging nämlich nach Konskie in Polen zu einem Grafen Malachowski, um dessen beide Söhne in Mathematik und Philosophie zu unterrichten. Später war er in Warschau, wo er eine eigene Druckerei und Buchhandlung anlegte, wurde dort geadelt und zum Hofrath ernannt, erhielt 1747 von der Universität Erfurt das Doctordiplom und starb in Warschau im März 1778.

Biographisches über M. in Mattheson’s „Ehrenpforte“, in Adlung’s „Anleitung zu der Musikal. Gelahrtheit“ und in Gerber’s altem Lexicon; Zusätze und Verbesserungen bei Spitta, Bach II, 502 ff.

Das Verzeichniß von Mizler’s Werken in Eitner’s Quellenlexicon ist nicht ganz correct und vollständig, es sei deshalb hier wiederholt: 1. „Dissertatio quod musica ars sit pars eruditionis philosophicae …“ Lips. 1734. Eine zweite Auflage „Cum praefatione nova“ und dem veränderten Titel: „Dissertatio quod musia scientia sit, et pars eruditionis philosophicae“ erschien 1736 in Leipzig und Wittenberg. 1740 wird im „Staarstecher“ dieselbe Dissertation mit dem Zusatze „editio tertia“ angezeigt. 2. „Lusus ingenii de praesenti bello … ope tonorum musicorum illustrato“ Witteb. 1735. In deutscher Uebersetzung abgedruckt in der Musikal. Bibliothek I, 3, S. 65 ff. unter dem Titel „Einfall auf den gegenwärtigen Krieg Ihro Kaiserl. Majestät mit den drei Vereinigten Cronen … Im Jahre 1735 im Hornung. Wieder aufgelegt zu Wittenberg im August-Monath.“ Die Schrift ist dem Grafen Lucchesini, Mizler’s Freund und Mitbegründer der Societät der Musikal. Wissenschaften gewidmet, der 1735, da infolge der polnischen Erbfolgestreitigkeiten Frankreich nebst seinen Verbündeten in kriegerische Händel verwickelt wurde, als Rittmeister eines Kürassierregiments ins Feld zog. Es wird darin in scherzhafter Weise der muthmaßliche Verlauf des Krieges als Kampf der Tonarten geschildert. Frankreich ist Tonika C, Spanien die Dominante G, Sardinien die Terze E. Die Terz bricht dem Kaiser die Treue und veranlaßt Dominante und Tonika ebenfalls, abfällig zu werden. Sie wollen nach H moduliren, werden aber durch A (England) daran gehindert und wieder auf C zurückgebracht, wobei Sardinien ausscheidet und England an seine Stelle als Terz tritt. 3. „De usu ac praestantia philosophiae …“, Lips. 1736. Edit. secunda 1740. 4. „L. Mizler’s Neu eröffnete Musikalische Bibliothek“, Leipzig 1736–1752. I. Band 1739 (1. Theil 1736, 2. u. 3. Theil 1737, 4.–6. Theil 1738); II. Band 1743 (1. u. 2. Theil 1740, 3. Theil 1742, 4. Theil 1743); III. Band 1752 (1. u. 2. Theil 1746, 3. Theil 1747, 4. Theil 1752); IV. Band 1754. In der Musikal. Bibliothek finden sich verschiedene, selbständige Arbeiten Mizler’s, z. B. eine „ungebundene Uebersetzung von Horazens Dichtkunst, durchgehends auf die Musik angewendet“, Gedichte, [429] Nekrologe für Bümler, Sorge und J. S. Bach u. s. w. 4.[WS 1] „Anfangsgründe des Generalbasses nach mathematischer Lehrart abgehandelt und vermittelst einer hierzu erfundenen Maschine auf das deutlichste vorgetragen …“, Leipzig 1739. 5. „Musikalischer Staarstecher …“, Leipzig 1740. 6. „Sammlung auserlesener moralischer Oden, zum Nutzen und Vergnügen der Liebhaber herausgegeben“. Leipzig 1740. Zwar sagt M. bereits 1737 in der Musikal. Bibliothek (I, 3, S. 78), er wolle „künftige Messe“ eine Sammlung Oden „den Liebhabern in die Hände liefern“, doch scheint sie erst 1740 herausgekommen zu sein; denn erst hier wird sie als erschienen angekündigt (im „Staarstecher“ S. 118 und Musikal. Bibliothek II, 2, S. 158), wo ihr auch (S. 155 f.) der Verfasser eine Selbstanzeige widmet. Eine zweite verbesserte Auflage erschien 1745. Die „zweyte Sammlung auserlesener moralischer Oden“ wird ebenfalls schon 1740 als erschienen angezeigt (Musikal. Bibliothek a. a. O.), und 1742 heißt es (a. a. O. II, 3, S. 176), daß „nächstens“ davon eine zweite Auflage zum Vorschein kommen werde. Die dritte Sammlung wird von Marpurg und Gerber erwähnt. Jede der drei Sammlungen hat nach Marpurg 24 Oden enthalten. 7. „Gespräch von der Musik zwischen einem Organisten und Adjuvanten … von einem, der von Jugend auf christlich unterrichtet und öffentlich die Wahrheit an den Tag gegeben“. (Die Vorrede ist von L. M. gezeichnet.) Erfurt 1742. 8. „Contrapunktlehre in Frag und Antwort“, 1742. 9. „Eine Uebersetzung des Gradus ad Parnassum von Joseph Fux“, Leipzig 1742. Angezeigt 1745. Musikal. Bibliothek II, 4, S. 118 ff. 10. Vier Sonaten für die Querflöte, wie auch für die Oboe und Violine, ingleichen so eingerichtet, daß sich solche auch mit dem Clavier nach dem dermaligen Geschmacke wohl hören lassen. (Bei Gerber angeführt.)


Anmerkungen (Wikisource)

  1. versehentliche Doppelung, so übernommen.