ADB:Meyer, Karl Franz (zwischen 1740 oder 1750 bis 1792)

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Artikel „Meyer, Karl Franz (zwischen 1740 oder 1750 bis 1792)“ von Friedrich Haagen in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 21 (1885), S. 605–608, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Meyer,_Karl_Franz_(zwischen_1740_oder_1750_bis_1792)&oldid=- (Version vom 3. November 2024, 20:59 Uhr UTC)
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Meyer: Karl Franz M., Vater, und Karl Franz M., der Sohn. Beide haben sich um die Geschichte ihrer Vaterstadt Aachen verdient gemacht, beide standen in Diensten derselben und waren deren Archivare, jener in der verhängnisvollen Zeit der bürgerlichen, unter der Bezeichnung Mäkelei bekannten Unruhen vom Jahre 1786 bis 1792 (vgl. d. Art. Dauven), dieser nach der französischen Herrschaft, die von 1794 bis 1814 währte, und zur Zeit des Aachener Congresses vom Jahre 1818. Der in den vierziger Jahren des 18. Jahrhunderts geborene Vater ist der bedeutendere. Er gab im J. 1781 eine Geschichte seiner Vaterstadt heraus unter dem Titel: „Aachensche Geschichte [606] überhaupt als Beiträge zur Reichs-, allgemeinen insbesondere aber zur Anlage einer vollständigen Historie über den Königlichen Stuhl und des Heiligen Römischen Reichs freye Haupt- Kron- und Cur-Stadt Aachen von ihrem Ursprung bis auf die gegenwärtigen Zeiten in drei Bücher abgetheilt, herausgegeben von Karl Franz Meyer, des hohen Stadtraths Archivarius. Erstes Buch.“ Gedruckt zu Mülheim am Rhein 1781, Aachen, im Verlag des Verfassers. Das erste Buch umfaßt 886 Seiten Folio und 35 nicht paginierte Blätter, welche Vorrede und Register enthalten. Das zweite und das dritte Buch befinden sich im Manuscript auf dem Stadtarchiv. Der Inhalt der drei Bücher steht auf dem Titelblatt des ersten Buches und lautet: das erste Buch enthält die allda vorgegangenen Kirchen- Krönung- Kriegs- Friedens- und andere Staats-Geschichten nebst einigen besonderen Anhängen; das zweite Buch eine ausführliche Beschreibung der Stadt, ihrer innern Verfassung und des zugehörigen Gebietes, wobey auch der angränzenden Orte gedacht wird; das dritte eine Sammlung der Aachenschen Privilegien, Gnaden-Briefe, Bündnisse, Verträge, Verordnungen und anderer Urkunden.“ Es ist dieses dritte Buch ein vollständiger Codex diplomaticus, auf welchen der Verfasser am Rande der Seiten des gedruckten ersten Buches bis zu Urkunde N. 335 hinweist. Von S. 776 bis 886 bringt er folgende Abhandlungen: 1. Vertheidigung der von Karl dem Großen des Krönungs-Ortes halber gemachten Verordnung in 26 Paragraphen. Es ist die sogenannte Pragmatica sanctio Karoli magni gemeint, welche Kaiser Friedrich I. 1166 bestätigt haben soll und die mit einer Urkunde Friedrichs II. d. d. Capua 1244 verbunden wurde. 2. Ueber die der Krönungs-Stadt Aachen zuständige Verwahrungs-Gerechtsame der Reichs-Kleinodien in 52 Paragraphen, nebst 7 Beilagen. 3. Von dem Rang-Streit zwischen Aachen und Köln bey den Römischen Königlichen Krönungen. 4. Versuch zur Aufklärung des alten Aachenschen Münz-Wesens neben 6 Münztafeln. Den Schluß bilden 27 Blätter Register. In der Vorrede erzählt M., er habe zwanzig Jahre an dem Werke gearbeitet, klagt, daß ihm die Benutzung des Archivs der Krönungs-Kirche nicht gestattet worden sei, erklärt aber, er habe freundliche Unterstützung in den Abteien Cornelimünster und Klosterrath, in dem S. Adalbertstifte und in den Kirchen und Klöstern Aachens gefunden und rühmt besonders die Förderung seines Werkes durch den Abt von Klosterrath Johann Haghens und den dortigen Conventualen, Peter Simon Ernst (s. d. Art.). Er machte manche kostspielige Reise, um gedruckte Quellen, an den es in Aachen fehlte, einzusehen, oder ließ dieselben unter großen Kosten nach Aachen kommen. An der Aachen’schen Geschichte arbeitete M. zwanzig Jahre lang. Gestützt auf Sagen und Combinationen unternimmt er es, die Geschichte Aachens, dessen Name in keiner Schrift des classischen Alterthums vorkommt und für dessen Bestehen erst im achten Jahrhundert zuverlässige Zeugnisse vorhanden sind, bis in die Mitte des ersten Jahrhunderts der christlichen Zeitrechnung hinaufzuführen. Er verleibt überhaupt viel Fremdartiges ein. Seine Sprache ist breit, schwülstig, wenig würdig und voller geschmackloser Späße. Man lese nur S. 66 f. die Geschichte eines Halbbruders Karls des Großen, Taland genannt, der Karls Gemahlin verführen will und den er auf die Balz gehen läßt; S. 71 ff. die Sage vom Ring der Fastrada; S. 94 f. die niedrig-komisch dargestellte Geschichte Einhard’s und Emma’s; S. 85 gebraucht er bei einer ihm mißfälligen Beurtheilung Karls des Großen den Ausdruck: Ey so schlage Bastian mit Fäusten drein! Wie roh sind die Ausdrücke, deren er sich gegen die Schwestern Ludwigs des Frommen auf S. 121 bedient! So an unzähligen Stellen. Auch für seine Zeit ist der Ausdruck grammatisch ungebildet. In der Polemik, die er liebt, ist er, wie sich erwarten läßt, rücksichtslos. Als Sprachprobe folgt hier der Anfang des Werkes, § 1, [607] S. 1: „Aachen, das römische, das fränkische, das teutsche Aachen, ist der Gegenstand unserer heuerigen Bemühung, die Auswahl eines ächten Vergnügens, und die Perle, so wir umfassen. Niemand bewundere sich, wenn wir etwas freymüthig reden; wäre es auch nur die Liebe die wir gegen unsere Vater-Stadt von jenem Augenblicke an, da wir in ihrem Schooße zur Welt kamen, mit der Mutter-Milch eingesogen haben, so müßte uns dieses allein schon rechtfertigen; denn die Töne eines singenden Virgils sind in unsern Ohren nur gar zu reizend, wenn es heißt: Vincit amor Patriae.“ Von dem thätigen Verfasser liegen noch folgende Werke im Manuscripte unter folgenden Titeln vor: 1. Aachen, den 7. Februar 1772, Carolus Franciscus Meyer, des hochwürdigen Kapitels hiesigen kaiserlichen Stifts zu St. Adalbert Secretarius und kaiserlicher Notarius hat nach zwanzigjähriger mühsamer Sammlung einen Band in Großfolio von 717 Seiten gleichmäßiger und sehr leserlicher Schrift zusammengestellt. Miscellanea Borcetino-Aquisgranensia oder Sammlung verschiedener die freye Reichs-Stadt Aachen, sodann die Herrschaft Burtscheid betreffender glaubhafter Urkunden nebst Beyfügung einiger an letzteren Ort vorgewesenen ins gemeine Wesen einschlagenden merkwürdigen Rechtspflegen. 2. Der zweite Theil ist in klein Folio, Appendix, zählt 422 Seiten, jede zu 18–20 Zeilen, und hat ein Inhaltsverzeichniß von 70 Seiten. Dieser zweite Theil enthält auf 90 Seiten einen Proceß der Erben Pastor. – Die Familie Pastor ist eine mehrhundertjährige Fabrikantenfamilie in Burtscheid, die noch heute blüht. Das Ganze ist eine Geschichte Burtscheids mit vielen Hindeutungen auf Aachen, die Meierei, die Unruhen der Tuchmacher in Burtscheid, die religiösen Angelegenheiten, den Aachener Stadtbrand. Die beiden wohlerhaltenen Bände sind wahrscheinlich auf Veranlassung der Aebtissin der kaiserlichen Cistercienserabtei in Burtscheid entstanden und befinden sich heute im Besitze des Commerzienrathes Arthur Pastor. Zwei Bände unter dem vorstehenden Titel im Manuscript finden sich auf der Aachener Stadtbibliothek. (S. den Quix’schen 1834 gedruckten Katalog S. 476.) M. scheint auch eine Geschichte der Mäkelei oder des unseligen Parteihaders der Reichsstadt in den Jahren 1786–1792 haben schreiben wollen, denn auf der Aachener Stadtbibliothek befindet sich unter dem Titel Aachen’sche Mäkelei und Aufruhr vom Jahre 1786 das chronologisch geordnete Material zu derselben, 170 größere oder kleinere Drucksachen und in 39 Manuscripten. Die Sammlung enthält Schriften beider Parteien, der alten oder Dauvens, der neuen oder de Lonneux’, Ueberkömmste oder Rathsbeschlüsse, Erlasse der Subdeligirten oder der vom niederrheinisch-westfälischen Kreise ernannten Commissare, des Reichskammergerichtes, Gedichte, Verbesserungsvorschläge, Zeitungsnachrichten vom Jahre 1784–1793, zuletzt noch Documente aus der ersten französischen Occupation. M. gehörte zur alten oder zur Partei Dauvens. Eine Verordnung gegen Ruhestörung vom 15. August 1792, die er als Stadtsecretär unterzeichnet, ist seine letzte mir bekannte Kundgebung. Zur Zeit der fremden Occupation wird sein Name nicht genannt. — Des Vorstehenden Sohn, ebenfalls Karl Franz genannt, lebte während der Fremdherrschaft als Privatgelehrter in Aachen. Im J. 1804 schrieb er die historische Abhandlung über die Reliquien des ehemaligen Kronstifts der hohen Domkirche zu Aachen, dabei benutzte er, wie er in der Vorrede bemerkt, die hinterlassenen Auszüge und Notizen seines seligen Vaters. Im J. 1807 gab er ein belehrendes Werkchen über die Aachener Fabriken, IX, 88 heraus. Unter der preußischen Regierung ist er 1814 Stadtarchivar und Besitzer eines Alterthumscabinettes, das die Erbprinzessin von Hessen-Darmstadt, Schwester der Kaiserin von Rußland, die Königinnen von Schweden und Baiern und andere hohe Persönlichkeiten in Augenschein nahmen. Als im J. 1818 die hohen Verbündeten, König Friedrich Wilhelm III. von Preußen, Kaiser Franz I. von Oesterreich und Kaiser Alexander I. von Rußland, in den [608] Monaten September und October in Aachen zu dem denkwürdigen Congreß versammelt waren, bot die Besichtigung des Meyer’schen Alterthumscabinettes den hohen Herrschaften wiederholt Zerstreuung dar, wie uns der nunmehrige preußische Hofrath Karl Franz M. in seinem auch für spätere Zeiten denkwürdigen Buche: „Aachen, Monarchen-Congreß vom Jahre 1818,“ gedruckt bei Weiß 1819, S. 158, erzählt. Kaiser Franz ließ noch am Tage vor seiner Abreise, den 30. October, sich das Stadtarchiv durch Karl Franz M. zeigen, der, wie er erzählt, die Leichtigkeit bewunderte, mit welcher der Kaiser die Urkunden las. Karl Franz M. starb den 19. Februar 1829.