Empfohlene Zitierweise:

Artikel „Meinicke, Karl Eduard“ von Friedrich Ratzel in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 21 (1885), S. 237–238, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Meinicke,_Carl_Eduard&oldid=- (Version vom 28. März 2024, 15:45 Uhr UTC)
Allgemeine Deutsche Biographie
>>>enthalten in<<<
[[ADB:{{{VERWEIS}}}|{{{VERWEIS}}}]]
<<<Vorheriger
Meinhold, Wilhelm
Nächster>>>
Meinrad
Band 21 (1885), S. 237–238 (Quelle).
Karl Eduard Meinicke bei Wikisource
Karl Eduard Meinicke in der Wikipedia
Karl Eduard Meinicke in Wikidata
GND-Nummer 116864443
Datensatz, Rohdaten, Werke, Deutsche Biographie, weitere Angebote
fertig
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Kopiervorlage  
* {{ADB|21|237|238|Meinicke, Karl Eduard|Friedrich Ratzel|ADB:Meinicke, Carl Eduard}}    

{{Normdaten|TYP=p|GND=116864443}}    

Meinicke: Karl Eduard M., Geograph, wurde am 31. August 1803 in Brandenburg a. H. geboren, besuchte das Gymnasium zu Potsdam und darauf die Universität Berlin, wurde 1825 als Collaborator am Gymnasium zu Prenzlau angestellt, an welchem er 1838 zum Professor ernannt ward, und welches er dann seit 1846 in provisorischer Eigenschaft, seit 1852 definitiv als Director leitete. Die letzten Jahre seines Lebens verbrachte er in Dresden, wo er einer der eifrigsten Förderer des Vereins für Erdkunde ward. Hier starb er am 25. August 1876. M. gehört zu den frühesten Schülern Karl Ritters und gleichzeitig zu den emsigsten und verständnißvollsten. Er ist der einzige aus dieser Schülerzahl, der die Natur- und Geschichtsseite der Erde sowie die Geschichte ihrer geographischen Erforschung gleichmäßig beherrschte und welcher aus solcher Vielseitigkeit heraus für den fünften Erdtheil Aehnliches geleistet hat, wie Ritter für Afrika und Asien. Ebenso wenig wie bei Ritter beeinträchtigte bei ihm die Weite und Vielartigkeit des Stoffes die Eigenthümlichkeit der Auffassung und die Gründlichkeit der Behandlung. Gleich Ritter hat er ein Lebenswerk in „Die Inseln des Stillen Oceans“ (1876) hinterlassen, welches noch lange, wenn sein Inhalt überholt sein wird, als vollständige, methodische Fixirung eines bestimmten Zustandes geschätzt werden dürfte. Der Grundgedanke in Meinicke’s wissenschaftlicher Thätigkeit war die Behandlung der Völkerkunde nach denselben wissenschaftlichen Grundsätzen, welche die Ritter’sche Erdkunde gleichzeitig zu so hohen Leistungen geführt hatten. Er schrieb 1844: „Ich bin bei meinen Studien über die Inseln der Südsee und die sie bewohnenden Völkerstämme darauf gekommen, einen Versuch zu machen, wie meiner Ansicht nach die Ethnographie wissenschaftlich zu behandeln ist.“ Doch findet sich die gleiche Anregung und Idee schon im Grundbau der Erstlingsarbeit: „Beiträge zur Ethnographie Asiens,“ welche 1837 als Beilage zum Programm des Prenzlauer Gymnasiums erschien. Diese Arbeit [238] schließt sich unmittelbar an Ritters Asien an. So wie dieses durch die Beschreibung der Länder auf Grund des vollständigst kritisch gesichteten Materials die Geographie zum ersten Mal mit einem Strabos würdigen Grundwerk beschenkte, so strebt auch M. hier die Völkerkunde Asiens, des „Continentes voller Völkerruinen“, wie er Asien nennt, durch die gelehrte Doppelarbeit einer ausgedehnten Materialsammlung und einer eindringenden Kritik zu fördern. Und es ist bezeichnend, daß er sich gerade demjenigen Problem zuwandte, welches durch Reinhold Forsters geistvolle Theorie einer malayischen Invasion der ursprünglich von negroiden Völkern bewohnten Inseln des Indischen und Stillen Oceans für gelöst galt, ohne es doch zu sein. Er sah hier „eines der in der geographischen Wissenschaft gerade nicht seltenen Beispiele, wie die Hypothesen eines geistreichen Forschers einzig und allein durch das urtheilslose Nachbeten Anderer die Rechte der Thatsachen usurpiren“. Er versuchte demnach einmal, die Frage zu beantworten, ob diese beiden Völkerstämme denn wirklich auch auf jenen Inseln bestehen und ferner, ob das von Forster angenommene geschichtliche Verhältniß zwischen ihnen das wirklich vorhandene sei. Am Schluß aber begnügt er sich, den Weg anzugeben, auf welchem allein dieses ethnographische Problem gelöst werden könne, und bezeichnet als solchen die ethnographische Analyse, die auszuscheiden hat, was malayisch, was indisch, was negroid. Und auf diesem Wege ist M. dann in allen seinen späteren Schriften vorgeschritten und keiner seiner Nachfolger hat ihn an Gelehrsamkeit oder Scharfsinn übertroffen, manche aber sind, zumal seine Schriften nicht nach Verdienst bekannt wurden, weit hinter ihm zurückgeblieben. Dem Grundsatze folgend, den er in seinem letzten großen Werke: „Die Inseln des: Stillen Oceans“ (2 Bände, 1875–1876), aussprach, daß die weitere Entwickelung der geographischen Wissenschaft nur durch Monographien erfolgen könne, hat er eine Reihe von größeren und kleineren Arbeiten über Länder und Inseln im Osten und Süden von Asien geschaffen, unter denen wir, als die verschiedenen Seiten seiner Thätigkeit am besten bezeichnend, hier noch nennen: „Das Festland Australien“ (1837); „Die Südseevölker und das Christenthum“ (1844); „Geschichte der Entdeckung Australiens vor Cook“ (1861); „Urgeschichte der Polynesier“ (1870). M. hat in Wappäus’ Handbuch der Geographie Australien bearbeitet (1854 und 1866). Ueber sein „Lehrbuch der Geographie“ (1837) siehe Spörers Urtheil in den Geogr. Mittheil. 1877, wo auch Meinicke’s Nekrolog.

Vgl. ferner Sophus Ruge im XV. Jahresber. des Vereins f. Erdkunde zu Dresden; wissenschaftl. Theil. Dresden 1878. S. 56–85 (mit Bildniß M.’s und Briefen W. v. Humboldt’s an M. aus d. J. 1832–1835).