ADB:Müller, Karl (preußischer Agent)

Empfohlene Zitierweise:

Artikel „Müller, Karl Christian“ von Karl Wippermann in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 22 (1885), S. 643–647, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:M%C3%BCller,_Karl_(preu%C3%9Fischer_Agent)&oldid=- (Version vom 29. März 2024, 05:30 Uhr UTC)
Allgemeine Deutsche Biographie
>>>enthalten in<<<
[[ADB:{{{VERWEIS}}}|{{{VERWEIS}}}]]
Band 22 (1885), S. 643–647 (Quelle).
[[| bei Wikisource]]
Kein Wikipedia-Artikel
(Stand März 2020, suchen)
Karl Müller in Wikidata
GND-Nummer 11927017X
Datensatz, Rohdaten, Werke, Deutsche Biographie, weitere Angebote
fertig
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Kopiervorlage  
* {{ADB|22|643|647|Müller, Karl Christian|Karl Wippermann|ADB:Müller, Karl (preußischer Agent)}}    

{{Normdaten|TYP=p|GND=11927017X}}    

Müller: Karl Christian M., deutsch-patriotischer Agitator gegen die französische Fremdherrschaft, preußischer Geh. Hofrath, geb. am 13. April 1775 im sächsischen Dorfe Klebitz bei Wittenberg, † 3. Februar 1847 in Berlin. Er war der älteste von vier Söhnen eines Pfarrers, erhielt den ersten Unterricht bei einem Lehrer in Kropstädt und wurde im Herbst 1787 als kurfürstlicher Zögling in die Fürstenschule zu Meißen aufgenommen. Von October 1793 bis October 1797 studirte er in Wittenberg Theologie, worauf er die Stellung als Hauslehrer bei den Söhnen der Baronin v. Flemming auf Falkenhain annahm. Im Frühjahr 1802 vertauschte er diese Stellung mit der ihm angebotenen Stelle eines Oberpredigers in Golßen, nahm jedoch, noch bevor er diese angetreten, auf Empfehlung des kursächsischen Generals v. Christiani den Antrag des sächsischen Oberkammerherrn Grafen Bose in Dresden an, seinem soeben die Universität Leipzig beziehenden Sohne ein Führer zu sein. Nach Erfüllung dieser Aufgabe stellte ihm Graf Bose denselben Antrag auch bezüglich seines jüngeren Sohnes. M. zeigte sich hierzu wenig geneigt, weil Bose freundliche Beziehungen zu den Häuptern der das Land besetzt haltenden Franzosen unterhielt und gab nur auf die dringendsten Bitten nach. Die Folge waren verschiedene Mißhelligkeiten, da M. in Folge der Siege der Franzosen von 1805 von Haß und Rache gegen dieselben erfüllt war. Bei einem Besuche in Dresden kam er einmal mit dem Marschall Davoust in Streit, welcher nur durch Graf Bose beigelegt wurde. Durch das Vertrauen der Zöglinge war er weit über das gewöhnliche Maß hinaus in diesen ihn im Berufe nicht fördernden Verhältnissen geblieben. Dagegen kam der inzwischen zur Reife gelangte Mann in Leipzig mit vielen bedeutenden und patriotischen Persönlichkeiten, mit Seume, v. Elßholtz, Fürst Ed. Lichnowsky, Graf Pückler u. A. in lebhafte Berührung und gab sich, ergriffen von der Noth und Schmach des Vaterlandes, in den Zeiten von 1805 bis 1813 mit vollem [644] Eifer und ganzer Kraft vorbereitenden Bestrebungen zur Befreiung Deutschlands hin, welche von Einzelnen im Geheimen unternommen wurden. Er legte sich auf das Studium der Kriegsgeschichte und Kriegskunst, suchte durch Rede und Schrift das Vaterlandsgefühl zu beleben und warb für die Unterstützung der durch die Ereignisse von 1805–1807 dienstlos gewordenen Officiere. Nachdem der zweite Sohn Bose’s die Universität verlassen hatte, bot letzterer M. das Amt eines Postdirectors in Leipzig oder die Generalpacht der dortigen 6 Tageblätter an; er lehnte aber ab, worauf ihm Bose 6000 Thaler schenkte. Nachdem er in Wittenberg die philosophische Doctorwürde erworben, machte er zunächst Leipzig zum Mittelpunkt seiner patriotischen Thätigkeit, dann trat er dem in Königsberg gebildeten Tugendbunde bei und verlegte seine Wirksamkeit nach Preußen. Im Mai 1809 kam er nach Berlin und entwarf hier mit Rücksicht auf die Möglichkeit, daß Preußen dem Kriege Oesterreichs gegen Frankreich beitreten werde, strategische Pläne und kriegerische Anordnungen, welche durch Gruner, den Leiter der preußischen Polizei, einem Ausschusse vertrauter Kriegskundiger, unter denen sich Prinz August Ferdinand von Preußen befand, vorgelegt wurden. M. zog auch als Kundschafter umher und lieferte dem Feldmarschall Blücher, der ungeduldig auf das Zeichen zum Losbrechen wartete, die genausten Nachrichten über die Zahl und Stellung der französischen Truppen. Für diesmal waren in Folge der Schlacht bei Wagram alle Bemühungen vergeblich, M. setzte sie aber unermüdlich fort, kam in nahe Verbindung mit dem Staatskanzler Hardenberg und zeigte sich bereit, sich den schwierigsten Aufgaben zur Vorbereitung einer Erhebung Preußen’s zu unterziehen. Zur Erforschung des Standes der Dinge und der Stimmung durchreiste er große Strecken von Deutschland, kaufte heimlich Waffen und Pulver und unterhielt die Verbindung mit dem Auslande, obwohl französischerseits Todesstrafe darauf gesetzt war. So wurde er im Frühjahr 1811 zum Freiherr v. Stein und zum geflüchteten Kurfürsten von Hessen nach Prag wie auch zur Rücksprache mit Franzosenfeinden nach Wien geschickt. Als die Zeit für Preußens Erhebung endlich herannahte, war M., nach der Anleitung Gruner’s, sehr thätig zur Vorbereitung des Planes, den Franzosen die von ihnen vertragsmäßig auch im Frieden besetzt gehaltenen 3 Oderfestungen abzunehmen. Von der Gefahr entdeckt und erschossen zu werden stets umgeben, besuchte er jene Festungen sowie die Stellungen der in Mecklenburg bis an die preußische Grenze vorgeschobenen Franzosen, ging abermals zum Kurfürsten von Hessen nach Prag und wurde zu Blücher nach Schlesien gesandt. Allmählich wurde er jedoch den französischen Behörden verdächtig, so daß bald die ganze von Hamburg aus geleitete französische Polizei auf seiner Spur war. In der That wurde er im October 1811 auf Veranlassung des königl. westfälischen Beamten v. Linden in Leipzig verhaftet; er entkam jedoch nach Berlin. Linden, ihm folgend, verlangte die Auslieferung, er wurde jedoch gerettet durch Hardenbergs Erklärung, zunächst habe Preußen wegen einer Schmähschrift ein Recht auf ihn. In der Haft erhielt er die Besuche seiner Mitwisser und alles Material zur weiteren Verfolgung der vorbereitenden Pläne. Als das französische Corps unter Oudinot auf dem Marsche nach Rußland sich Berlin näherte, wurde M. der Haft entlassen, erhielt von Hardenberg Reisegeld und verbarg sich auf den Gütern des Grafen Sandreczky von Sandraschütz in Schlesien, wo er seine patriotische Agitation, so gut es ging, fortsetzte. Als Gruner in Prag verhaftet und als österreichischer Staatsgefangener in Ungarn in Haft gehalten war, erhielt M. den Auftrag, dessen hohe polizeiliche Stellung in Berlin zu bekleiden. Im Frühjahr 1813 begab er sich mit geheimen Aufträgen Hardenbergs zum russischen Oberbefehlshaber Fürsten Kutusoff in dessen Hauptquartier zu Kalisch. Hier waren viele Vorfragen über das mit Rußland gegen Frankreich zu schließende Bündniß zu erledigen. M. drang [645] namentlich auch darauf, daß in den zu erlassenden Aufrufen die Sache der Fürsten zugleich als die der Völker aufgefaßt werde. In der That kam ein ganz neuer Ton in die betreffenden Ansprachen, indem in denselben vom Recht und der Freiheit der Nationen die Rede war. Eine besondere Berühmtheit erlangte der von M. verfaßte, von Kutusoff am 25. März 1813 in Kalisch unterzeichnete Aufruf. Es war in demselben mit einer gewisse Feierlichkeit die „Rückkehr der Freiheit und Unabhängigkeit“ als Zweck des Kriegs erklärt; die Monarchen von Preußen und Rußland kämen nur um den Völkern Deutschlands „diese entwandten, aber unveräußerlichen Stammgüter wieder erringen zu helfen und der Wiedergeburt eines ehrwürdigen Reichs mächtigen Schutz und dauernde Gewähr zu leisten“. Dieser Aufruf ist später officiell abgeleugnet worden; bei seinem Erscheinen trug er aber ganz den amtlichen Charakter und war von mächtiger Wirkung im Volke, wenngleich selbst M. bei Abfassung desselben keine bestimmte Vorstellung von der künftigen Verfassung Deutschlands hegte, sondern nur die Begeisterung seine Feder geführt hatte. Um sich auch persönlich am Kampfe zu betheiligen, trat er in das Streifcorps unter Oberst Füger in Schlesien; doch schon bald wurde er vom Freiherrn v. Stein abberufen, um in Westfalen Vorbereitungen zum Kriege zu treffen und um den Kurfürsten von Hessen in Prag zum nachdrücklichen Handeln zu bestimmen. Diesen Aufträgen kam er nach, nachdem er noch in Breslau mit Arndt, Friesen und Jahn sich an der Errichtung der Lützower Freischaar betheiligt hatte. Beim Vorrücken der preußischen und russischen Truppen in Sachsen wurde M. im April 1813 vom Freiherrn v. Stein mit nach Dresden genommen, damit er bei der Verwaltung Sachsen’s mitwirke. In Folge dessen wurde er Seitens des Verwaltungsraths der verbündeten Truppen für das nördliche Deutschland dem Grafen v. Reisach als Generalgouverneur für die sächsischen Herzogthümer, die reußischen und schwarzburgischen Fürstenthümer beigegeben. Als aber ein Zusammenstoß mit den Franzosen nicht mehr fern zu sein schien, trat wieder Müller’s Wunsch hervor, sich persönlich am Kampfe zu betheiligen. Er wurde zum Hauptmann beim Generalstabe der in Sachsen zu errichtenden Legion ernannt, begab sich in Blücher’s Hauptquartier nach Altenburg und begann Freiwillige aufzurufen und den Landsturm zu errichten. Blücher, am 1. Mai 1813 von Altenburg aufbrechend um dem französischen Heere entgegen zu ziehen, ließ M. mit dem Auftrage zurück, dort Sicherheitsmaßregeln zu treffen. Aber wiederholt überkam ihn die Lust, im Felde mit thätig zu sein. Dem durch Altenburg kommenden Prinzen Karl v. Mecklenburg klagte er daher, die bevorstehende Schlacht nicht mitmachen zu können und war froh, daß dieser ihm einen Stellvertreter gab. Er eilte dem Hauptquartiere Blücher’s nach und ließ am 2. Mai bei seiner Ankunft in Zeitz den mit seinem Corps dort stehenden russischen General Miloradowitsch durch General v. Korff beschwören, die Höhen von Mölsen zu besetzen. Miloradowitsch beachtete den Rath nicht und trug dadurch, daß er während der Schlacht bei Großgörschen stille stand, während sein Eingreifen dort sehnlichst erwartet wurde, zur Erfolglosigkeit jener Schlacht bei. Nachträglich erhielt er den Befehl zur Besetzung jener Höhen und nun wünschte er, M. möge als landeskundiger Rathgeber ihn begleiten. Das lehnte dieser jedoch mit dem Bemerken ab, den Rückzug ziehe er vor mit den preußischen Truppen zu machen. So schloß er sich denn auch den über Altenburg ziehenden Blücher’schen Truppen an. Nach der Schlacht bei Bautzen führte M. Stein’s Auftrag aus, die trotz des Waffenstillstands von den Franzosen überfallenen und zersprengten Lützow’schen Reiter zu sammeln und ihrem Corps nach Mecklenburg nachzusenden. Sodann warb er in Polen neue Freischaaren zur Ergänzung der Lücken dieses Corps. Nach Ablauf des Waffenstillstandes wurde M. zum Gouvernements-Commissar für die Niederlausitz in Lübben eingesetzt. [646] In dem halben Jahre, während dessen er diese Stellung bekleidete, wurde er mit Aufträgen Blücher’s zum Nordheere gesandt. Er trat beim General v. Tauentzien am 6. Sept. ein und leistete ihm während der Schlacht von Dennewitz Adjutantendienste. Nach der Schlacht hatte er ein Gespräch mit dem Kronprinzen von Schweden, der seinen Plan, eine sächsische Legion zu errichten, billigte. M. erließ einen bezüglichen Aufruf, die Sache scheiterte jedoch, weil die Sachsen preußische Officiere nicht haben wollten. Im Januar 1814 begab er sich nach Dresden, wo Fürst Repnin, russischer Generalgouverneur von Sachsen, von seinen Kenntnissen Gebrauch machte. Auch als Schriftsteller erregte M. die Aufmerksamkeit der Heerführer. Ende October 1813 erschienen (in Berlin) seine „17 Kriegsberichte des Kronprinzen v. Schweden in teutschem Gewand“, 1814 sein „Verteutschungs-Wörterbuch der Kriegssprache“. In der Schrift „Auch eine Ansicht von der Völkerschlacht bei Leipzig“ legte er seine Ansichten über den strategischen Werth dieser Schlacht nieder. Dafür wurden ihm von Militärs die größten Lobsprüche zu Theil und Gneisenau soll gesagt haben, M. sei zum Kriegsführer geboren. Hierdurch ermuthigt, wies er in einer Schrift „Ueber Dijon nach Paris“ (Dresden 1814) auf den Weg, auf welchem die Verbündeten vordringen müßten. Sein Ruf als kriegserfahrener Mann war auch im Auslande verbreitet, sodaß er von russischen Generalen und österreichischen Staatsmännern glänzende Anerbietungen erhielt. Er blieb aber Preußen treu und begleitete Hardenberg, auf dessen Wunsch, auf den Wiener Congreß, wo er mit wichtigen Aufträgen betraut wurde und einen Aufsatz für die Vereinigung Sachsens mit Preußen schrieb. Nachdem der Congreß die Theilung Sachsens beschlossen hatte, wurde M. beauftragt, den vorgeschlagenen Lauf der Grenze zu prüfen und auf seinen Vorschlag wurden einige wesentliche Verbesserungen der Grenzlinie beschlossen. Weiterhin lieferte er in Wien Arbeiten für die Grenzbestimmung gegen Polen hin. Nach Napoleon’s Rückkehr von Elba war M. sehr rasch mit strategischen Plänen bei der Hand. Einen Antrag des mit der Kriegsführung in Italien gegen Murat beauftragten österreichischen Generals Bianchi, in seinen Generalstab zu treten, lehnte er ab. Im October 1815 erschien seine Schrift „Deutschlands Naturgrenzen gegen Frankreich“, worin er für die Wiedergewinnung von Elsaß und Lothringen auftrat. Schon vorher hatte er in der Schrift „Unsere Denkmale in Paris“ die Wiederauslieferung der von den Franzosen aus Deutschland entführten Denkmäler verlangt. In ähnlichem Sinne war er für eine Reihe der vornehmsten deutschen Zeitungen thätig. 1816 erschien sein „Rückblick auf das Jahr 1815“. Gegen das Ende der Pariser Friedensverhandlungen unternahm er in höherem Auftrage eine Reise durch die Normandie, die Bretagne, Lothringen und nach London. Nach der Befreiung Deutschlands schien der Lebenszweck Müller’s erfüllt zu sein. Er hatte als einer der Ersten und dann Jahre lang unausgesetzt mit dem größten Eifer, dem unerschrockensten Muthe, aller Gefahren ungeachtet, unter den größten Schwierigkeiten, aufopferungsvoll, aus den edelsten Beweggründen und ohne Rücksicht auf die Gewinnung einer dauernden Lebensstellung der Befreiung[WS 1] des Vaterlandes erfolgreich und unter größter Anerkennung sich gewidmet; im befreiten Vaterlande aber schien für ihn kein geeigneter Platz zu sein. Hardenberg bedauerte sehr, daß keine Müller’s Fähigkeiten entsprechende Stellung vorhanden sei und so wurde er den Räthen Stägemann und Rother in Berlin als Hülfsarbeiter zugewiesen. Unter dem Namen des ersteren leitete er eine Zeit lang die in Berlin neu gegründete Staatszeitung. Erst 1817 erhielt er mit dem Titel Hofrath, später Geh. Hofrath, eine feste Anstellung im preußischen statistischen Amte. In demselben Jahre erschien seine Schrift: „Blick auf eine der Schlachten neuerer Zeit“. Lange Jahre war er Vorsitzender der deutschen Sprachgesellschaft in Berlin, gab auch 1817–1825 [647] „Neulateinische Gedichte“ heraus. Seine erste Ehe wurde geschieden; in zweiter war er verheirathet mit der Wittwe des Majors v. Gottberg, geb. Elßholtz.

Varnhagen v. Ense, K. Müller’s Leben u. kleine Schriften. (Berl. 1847); N. Nekrol. d. Deutschen, 1847. Thl. 1, Nr. 31; Steger’s Ergänzungsblätter. Bd. 4, (1858–59), S. 96. Eine Charakteristik Müller’s in Dorow, Erlebtes a. d. Jahren 1813–20. Thl. 1 (Leipz. 1843), S. 8.

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: Befreiuung