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Artikel „Müller, Gottfried“ von Oskar von Meltzl in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 22 (1885), S. 553–554, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:M%C3%BCller,_Gottfried&oldid=- (Version vom 26. Dezember 2024, 06:24 Uhr UTC)
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Müller: Joh. Gottfried M., geb. in Broos (Siebenbürgen) am 28. December 1796, erhielt seine Gymnasialbildung am evangelischen Obergymnasium in Hermannstadt und bezog im J. 1817 die Wiener Universität, wo er nach absolvirten rechts- und staatswissenschaftlichen Studien zum Doctor der Rechte promovirt wurde. Hierauf besuchte er während des Jahrgangs 1821/22 die Universität Göttingen, während 1822/23 die faculté de droit sowie die faculté des sciences et des lettres der Sorbonne in Paris, während 1823/24 wiederum die Universität Göttingen, welche ihn später zum Doctor der Philosophie und Magister der freien Künste ernannte. Nach siebenjährigem Universitätsstudium ließ er sich 1824 in Pest nieder, wo er als Advocat, zugleich aber auch als Mitglied der Rechtsfacultäten an den Universitäten von Wien und Pest in reger wissenschaftlicher Thätigkeit 17 Jahre lang zubrachte. Im J. 1844 folgte er einem ehrenvollen Ruf des evangelischen Oberconsistoriums A. C., der obersten Kirchen- und Schulbehörde der Siebenbürger Sachsen, und übernahm eine Professur an der neuerrichteten Rechtsakademie in Hermannstadt. Da M. über ein Vierteljahrhundert lang dieses Institut als Director geleitet hat, dürften ein paar kurze Worte über dasselbe hier am Platze sein. Die Errichtung dieser wichtigen wissenschaftlichen Anstalt, welche, soweit es die beschränkten Mittel erlaubten, eine den modernen Anforderungen entsprechende Einrichtung erhielt, war ein verdienstvolles Werk, von welchem der im J. 1850 nach Hermannstadt entsendete Commissär des österreichischen Cultus- und Unterrichtsministeriums mit Recht sagen konnte: „Durch die Gründung der Rechtsakademie hat die sächsische Nation ihren vielen Verdiensten um die höhere Bildung der Deutschen in Siebenbürgen ein neues großes hinzugefügt.“ Die sächsische Nationsuniversität – so hieß die nationale Oberbehörde für alle Zweige der politischen und gerichtlichen Verwaltung – bewilligte bereitwillig die Kosten der Anstalt; durch namhafte Schenkungen Einzelner wurde der Stock zu einer werthvollen Bibliothek gelegt und am 1. November 1844 konnte die feierliche Eröffnung der Akademie erfolgen. Im J. 1851 wurde dieselbe auf Grund eines Uebereinkommens zwischen dem Oberconsistorium und der Staatsbehörde in eine staatliche Anstalt verwandelt. Als solche theilte sie nach den staatsrechtlichen Veränderungen des Jahres 1867 das Schicksal aller Staatsanstalten Ungarns, indem sie allmählich magyarisirt wurde. Ja, ein Erlaß des ungarischen Unterrichtsministers Trefort hat im Juli 1884 die allmähliche Auflösung der Akademie verordnet, wonach der erste Jahrgang schon [554] 1884/85 aufgelassen wurde. So wird mit dem Schuljahr 1887/88 ein Institut aufhören, welches von dem sächsischen Volke stets wie ein Kleinod gepflegt wurde und welches nach dem übereinstimmenden Urtheil aller Berufenen seit seinem Beginne sich stets auf der Höhe der Wissenschaft der Zeit gehalten hat. In Anerkennung der Verdienste, die M. um das Gedeihen der von ihm geleiteten Anstalt sich erworben hatte, ward er im J. 1860 mit dem Titel eines kaiserlichen Rathes und im J. 1862 mit dem Ritterkreuz des Franz-Josephsordens ausgezeichnet. Am 1. September 1870 trat er in den wohlverdienten Ruhestand und lebte seit 1875, da auch ihm, wie so vielen Anderen die Verhältnisse der Heimath unleidlich geworden waren, in Währing bei Wien, wo er, 84 Jahre alt, am 4. März 1881 starb. M. war ein Mann von überaus reichem und vielseitigem Wissen und umfassenden Sprachkenntnissen, dabei von peinlichster Gewissenhaftigkeit in der Erfüllung seiner Berufspflichten. Seine Vortragsfächer waren seit der Neuorganisation der Akademie Ethik, Rechtsphilosophie und protestantisches Kirchenrecht. In früheren Jahren trug er noch juristische Encyklopädie, Staatsrecht, römisches Recht und Strafrecht vor. Die akademischen Ferien benutzte er jedes Jahr zu ausgedehnten Reisen; es gibt kein Land in Europa, welches er nicht wiederholt besucht hätte, sogar Kleinasien, Palästina, Aegypten und die übrigen Länder Nordafrikas hat er nicht weniger als dreimal bereist. Er war Mitglied mehrerer gelehrten Gesellschaften, unter Anderem auch der Alliance evangélique, bei deren im J. 1855 in der Kirche de la Redemption zu Paris abgehaltenen Jahresversammlung M. einen beifällig aufgenommenen Vortrag über die Stellung der protestantischen Kirchen in Siebenbürgen hielt. Zu erwähnen ist noch, daß M. als langjähriger Vorstand des Hermannstädter Gewerbevereins sich mannigfache Verdienste erworben hat. Unter seinen Schriften sind zu erwähnen: „Magyarenspiegel oder wahre Schilderung der Völkerverfassung und Richtung des ungarischen Reiches“, 1844. (Der geschmacklose Titel rührt nicht von M., sondern von seinem Leipziger Verleger her.) „Dráma és regény“ (Drama und Roman), eine von der Kisfaludigesellschaft in Pest gekrönte Preisschrift. „Nemzetiség és népiesség a költészetben“ (Nationalität und Volksthümlichkeit in der Poesie), Preisschrift der Kisfaludigesellschaft. „A szépről és fenségesről“[WS 1] (Vom Schönen und Erhabenen), eine von der ungarischen Akademie des Accessits gewürdigte Preisschrift. „Az új franczia drámáról“[WS 2] (Ueber das neuere französische Drama), von der ungarischen ästhetischen Gesellschaft in Pest gekrönte Preisschrift. „A haszonbérnek Magyarországban használandó legjobb módjáról.“ (Ueber das für Ungarn passendste Pachtsystem.) Von der ungarischen Landwirthschaftsgesellschaft in Pest gekrönte Preisschrift. „Historisch-statistische Darstellung des Ursprungs, der Eigenthümlichkeiten und Sitten der Ungarn bewohnenden Volksstämme.“ Eine von der Fürst Jablonowsky’schen Gesellschaft der Wissenschaften zu Leipzig gekrönte Preisschrift. „Taschenbuch der k. k. Hermannstädter Rechtsakademie“, 1. Band für das Jahr 1858/59, 2. Band für das Jahr 1859/60. Hermannstadt 1859 und 1860.

Ueber Müller’s sonstige zahlreiche Gelegenheitsschriften s. J. Trausch, Schriftstellerlexikon, II. S. 453 ff.


Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: „A széprôl és fenségesröl“
  2. Vorlage: „Az uj franczia drámárol“