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Artikel „Ludolf von Suchen“ von Wilhelm Heyd in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 19 (1884), S. 388–390, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Ludolf_von_Sudheim&oldid=- (Version vom 23. Dezember 2024, 02:10 Uhr UTC)
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Ludolf von Suchen – so las man früher den Verfassernamen auf dem Titel und im Eingang eines bekannten Pilgerbuchs aus dem 14. Jahrhundert. An „Ludolf“ müssen wir auch jetzt festhalten, trotzdem daß in den ältesten hochdeutschen Uebersetzungen des Buchs sonderbarer Weise „Peter“ geschrieben steht. Aber Suchen oder Suchem ist falsch gelesen statt Suthem, Sutheim. Es soll nach dem Wortlaut des Textes einen Ort der Paderborner Diözese bezeichnen, in welchem L. Pfarrer (rector ecclesiae parochialis) war. Nun sucht man jetzt vergeblich im Paderbornischen nach einem Pfarrdorf dieses Namens, wohl aber befand sich im Mittelalter an der Stelle, wo gegenwärtig das adelige Gut Sudheim liegt, eine Viertelstunde von Lichtenau (südöstlich von Paderborn) entfernt eine Ortschaft Suthem (Sudhem), der Mittelpunkt einer kleinen Freigrafschaft, in kirchlicher Beziehung zu dem Archidiaconat des Propstes in Busdorf gehörig. Dies war ohne Zweifel die Pfarre, welche L. inne hatte, als er um [389] 1350 sein Buch schrieb und dem Paderborner Bischof Balduin von Steinfurt (reg. 1340–1361) widmete. Zur Zeit seiner Reise scheint er Caplan im Dienste eines deutschen Ritters gewesen zu sein. Das Buch selbst ist nicht sowohl eine Beschreibung der von ihm gemachten Pilgerfahrt, es will vielmehr ein Rathgeber und Führer für Pilger sein. Zunächst belehrt es sie darüber, was für verschiedene Wege man nach dem heiligen Land einschlagen könne. Ueber dem erfahren wir nicht, welchen L. selbst gemacht hat. Doch ist ziemlich sicher, daß er wenigstens im Hinweg Südfrankreich passirte. Bekanntschaft mit diesem Land verräth er auch sonst – er besuchte öfters die Gegend von Beziers und Narbonne – und gewiß beobachtete er selbst, was er Andern empfiehlt, die Einholung der Erlaubniß zur Pilgerreise beim Papste (damals in Avignon). Die Weiterreise zur See führte ihn nach Constantinopel und Ephesus. Während L. in letzterer Stadt schon alle Gelegenheit hatte, das Vordringen des Islam auf altchristlichem Boden zu beobachten, indem er sie aus einer griechischen in eine türkische umgestaltet antraf, so fand er vollends in Palästina die Herrschaft der Sultane von Aegypten seit Jahrzehnten befestigt, sodaß Cypern hinfort den äußersten Vorposten der Christenheit bildete. Als einer der ersten Deutschen, welche das heilige Land unter der neuen Herrschaft besuchten, konnte er noch von wenigen im Orient zurückgebliebenen Abendländern einige leider durch Anachronismen und Uebertreibungen getrübte Kunde über die Ursachen und den Hergang von Accons Fall sowie über das Aussehen der Stadt unter der Kreuzfahrerherrschaft einziehen, andererseits durfte er sich aber auch davon überzeugen, daß die der Christenheit theuer gewordenen Stätten in Jerusalem, Bethlehem, Hebron etc. von den Saracenen im Zustand leidlicher Erhaltung, ja theilweise in der Obhut abendländischer Geistlichen und Mönche belassen worden waren. Jedenfalls hinderte das moslimische Regiment den L. nicht, Aegypten, die Sinaihalbinsel, Palästina und Syrien (Damaskus) unbehelligt zu bereisen und sich fünf Jahre (1336–1341) in diesen Gegenden aufzuhalten. Sein Routier im Einzelnen festzustellen ist nicht mehr möglich, indem L. durch die Reisebeschreibung des Wilhelm von Boldensele (s. Bd. III, S. 96), welcher nur wenige Jahre vorher dieselben Länder begangen hatte, sich so stark beeinflussen ließ, daß er bei seiner Periegese die Orte ganz in der Reihenfolge aufzählt, in welcher Boldensele sie durchwandert hat. Auch in der Ortsbeschreibung selbst verräth sich die Abhängigkeit von diesem Vorgänger oft in dem Maße, daß Ludolfs Text nichts ist als eine schlecht verhüllte Paraphrase des Boldensele’schen. Was aber dann L. aus seiner eigenen Beobachtung sowie als Resultat vielseitiger Erkundigungen hinzufügt, ist reichhaltig und interessant genug, um es zu rechtfertigen, wenn man diesem liber de itinere terrae sanctae in der Pilgerlitteratur des Mittelalters einen der vordersten Plätze anweist. Legenden- und Sagenhaftes fehlt freilich auch hier nicht und die Bibelkunde des geistlichen Verfassers zeigt sich oft in einem recht bedenklichen Lichte. Welch einen großen Erfolg das Buch bei den Zeitgenossen und noch lange nachher hatte, das beweisen die vielen Uebersetzungen des lateinischen Originals ins Hochdeutsche, Niederrheinische und Niedersächsische, wie denn auch die Druckerpresse unter allen Pilgerschriften zuerst diese vervielfältigte.

Für Ludolfs Leben ist die einzige Quelle sein Buch De itinere terrae sanctae. Beides ist ausführlicher besprochen von Ferd. Deycks, Ueber ältere Pilgerfahrten nach Jerusalem (Münster 1848) und von Evelt in der Zeitschrift für vaterländ. (westfälische) Geschichte und Alterthumskunde. N. F. Bd. 10 (1859). S. 1–22. Die bis jetzt beste Ausgabe des Urtextes hat Deycks geliefert im 25. Band der Bibliothek des litt. Vereins in Stuttgart (1851); dann publicirte J. G. L. Kosegarten, L. v. S. Reisebuch ins heilige [390] Land in niederdeutscher Mundart (Greifswald 1861); Proben einer niederrheinischen Version giebt Deycks im ersterwähnten Buche S. 28 ff. Ueber die verschiedenen Handschriften und Drucke vgl. außer den genannten Autoren Tobler, Bibl. geogr. Palaestinae p. 39 ff. und die Zusätze bei Röhricht und Meißner, Deutsche Pilgerreisen, S. 564 ff. Ein später geschriebenes deutsches Buch Ludolfs ist verloren; er hatte darin das erste fast ganz wieder aufgenommen (freilich mit ziemlichen Aenderungen und Weglassungen) und dazu eine Beschreibung des hl. Landes nach seiner natürlichen Beschaffenheit und seinen Bewohnern gefügt. Nur das lateinische Werk eines Compilators, welchem jenes deutsche Buch Ludolfs zu Grunde liegt, hat sich erhalten und wird in den Archives de l’Orient latin II, 2. p. 305–377 von Neumann in Wien publicirt werden.