ADB:Liechtenstein, Johann I. Fürst von und zu

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Artikel „Liechtenstein, Johann Fürst zu“ von Adolf Schinzl in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 18 (1883), S. 610–614, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Liechtenstein,_Johann_I._F%C3%BCrst_von_und_zu&oldid=- (Version vom 7. Dezember 2024, 18:23 Uhr UTC)
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Liechtenstein: Johann Fürst zu L., souveräner Fürst und Regierer des Hauses von und zu Liechtenstein, Herzog von Troppau und Jägerndorf, Ritter, Commandeur und Großkreuz des Militär-Maria-Theresien-Ordens, [611] Inhaber des k. k. Husarenregiments Nr. 7, k. k. geheimer Rath, k. k. Feldmarschall, war der Sohn des Fürsten Franz Joseph L. aus dessen Ehe mit Fürstin Leopoldine, geb. Gräfin Sternberg und wurde den 26. Juni 1760 zu Wien geboren, woselbst er auch den 24. April 1836 starb. An L. hatte das Vaterland einen ganzen Mann in des Wortes edelster Bedeutung, denn unverzagt setzte er selbst das Leben ein, sobald es die Erhaltung des Staates galt, und was er vollbracht, das hat er stets nur für die Erfüllung seiner Pflicht gehalten. Deshalb war er auch jedem berechneten, schmeichelnden Beifall Feind, sowie abgeneigt von seinen Thaten zu sprechen. Und doch wäre er hierzu berechtigt gewesen, als „erster Soldat von Aspern“, als kühner und begabter Reiterführer in mehr als 100 Schlachten und Gefechten, dem 23 Pferde unter dem Leibe erschossen wurden und der 1794 waghalsig genug gewesen, allein mit einer Ordonnanz, im Angesichte eines feindlichen Regiments dessen Commandanten gefangen zu nehmen. Liechtenstein’s Begeisterung für den Kriegerstand äußerte sich schon in dessen frühester Jugend, so daß des fürstlichen Hauses Freund, Feldmarschall Lacy, persönlich dessen militärische Ausbildung leitete und überwachte. 1782 trat L. als Lieutenant in das später aufgelöste Kürassierregiment Anspach und nachdem er 1783 Rittmeister, 1787 Major im Dragonerregimente Harrach, jetzt Nr. 7, geworden war, rückte er 1788 zum ersten Male gegen den Feind. Kaum zwischen Semlin und Belgrad eingetroffen, bewiesen auch schon Liechtenstein’s wiederholte Kämpfe mit den türkischen Vorposten und Streifcommanden, welche Zuversicht in die eigene Kraft ihn beseelte, und wurde er in Beachtung dessen vorzugsweise zum Oberstlieutenant im Regimente Kinsky-Chevauxlegers, jetzt Dragonerregiment Nr. 10, ernannt. Das Ritterkreuz des Militär-Maria-Theresien-Ordens ward aber L. für seine muthvolle That bei Csettin, welches die Türken in einer stürmischen Nacht zu entsetzen versuchten. Ohne einen Befehl abzuwarten, schwang sich L. auf ein ungesatteltes Pferd und führte das Regiment an Stelle des eben abwesenden Obersten mit solcher Bravour gegen den Feind, daß derselbe fliehend sein Vorhaben aufgeben mußte. Und als später, 20. Juli, Csettin erstürmt wurde, da erklommen L. und Gyulai, die ersten, die Mauern der Festung. Bald hierauf übernahm L. das Commando des Regiments, in welchem seine Kampfesfreudigkeit in Kürze das Gemeingut Aller geworden, so daß überall, wo 1789–90 und 1792–97 L. und sein Regiment zur Action kamen, verwegener, überwältigender Reitermuth des Gegners Reihen schwer erschütterte. In geradezu seltener Art geschah dies den 12. September 1793 bei Avesnes le Sec in der Ebene von Cambray. Dort traten 8000 Mann mit 20 Geschützen seinem Regimente und fünf Compagnieen des Freicorps O’donell kämpfend entgegen; vorzeitig zu weichen lag jedoch selbst einer Uebermacht gegenüber nicht im Sinne des Fürsten; er hielt Stand, warf entschlossen manövrirend und angreifend des Gegners Cavallerie und hatte bald nur Infanterie und Artillerie vor sich. Vergeblich suchten diese Truppen L., der weder über Infanterie noch Artillerie verfügte, zum Stehen zu bringen; seiner Reiter blitzartige Bedrohungen nöthigten den Feind zur Formirung von Carré’s, welche L. in stürmischem Anpralle, unterstützt von herbeigekommenen Hilfstruppen, zersprengte und niederritt. 5 Fahnen, 70 Pferde, 20 Geschütze, alles Fuhrwerk, sämmtliches Schanzzeug waren die Beute des Tages; überdies wurden 2000 Mann gefangen und sind 2000 Mann des Feindes gefallen. Die vollste Zufriedenheit des Kaisers ehrte Liechtenstein’s glänzend errungenen Sieg und ist ihm diese auch geworden, als er den 29. September 1793 die feindlichen Verschanzungen bei St. Remy Malbatie an der Sambre nächst Maubeuge mit einer Division seines Regiments eroberte, dann für seine den 21. Mai 1794 bei Cense de Fagnel unternommenen Angriffe auf den an Zahl überlegenen Feind, endlich für die [612] erfolgreiche Verfolgung des aus den Befestigungen bei Erquelinne vertriebenen Gegners am 24. Mai 1794. Noch im Laufe dieses Jahres erfolgte Liechtenstein’s wohlverdiente Ernennung zum Generalmajor und bot sich ihm auch 1795 kein Anlaß zu besonders hervorleuchtenden Handlungen, so konnte er dagegen 1796 während einer achtmonatlichen kriegerischen Thätigkeit alle Tugenden eines guten Soldaten und zielbewußten Anführers bekunden. Vornehmlich an den Tagen bei Bamberg am 24. August, bei Würzburg am 1.–3. September wirkte L. durch ein bemerkenswerth vielseitiges Aufgebot von Klugheit und Umsicht und straften seine allerwärts heranbrausenden Reiter jede Schwäche des Gegners mit der Schärfe des Säbels. Ruhmwürdig bleibt aber vor Allem, wie L., der bald als Vorhutcommandant, bald als Befehlshaber von Seiten- und Nachhut, meist auf Nebenwegen weite Landschaften durchzog, die Disciplin unter allen Verhältnissen auf jener Höhe zu erhalten wußte, daß die Bevölkerung dankend auf die Schonung, Milde und Menschlichkeit seiner Truppe hinwies. Dieser beachtenswerthe Erfolg war aber ausschließlich der Abglanz von Liechtenstein’s Beispiel und findet die natürliche Begründung in dem auf seine Untergebenen übergegangenen Pflicht- und Rechtlichkeitssinne, in der richtigen Wahl der Unterabtheilungscommandanten, in bestimmter Befehlsgebung, in der aufmunternden Zuwendung von Lob und Ehre an die Truppe und endlich in der Betheiligung an den Mühen und Entbehrungen derselben. Zu des Heeres großer Befriedigung, das L. allgemein verehrte und bewunderte, wurde ihm für die Leistungen im Feldzuge 1796 das Commandeurkreuz des Militär-Maria-Theresien-Ordens zuerkannt. Nachdem L. auch an den wenigen Kriegsbegebenheiten des Jahres 1797 theilgenommen, eilte er 1799, anfänglich ohne bestimmtes Commando, nach Italien, wo er zur Zeit der blutigen Schlacht an der Trebbia am 17.–19. Juni anlangte. Freiwillig begab er sich in den Kampf, steigerte durch begeisternde Ansprachen und persönlich bewiesene Unerschrockenheit den Muth der Truppe, und sobald er am 18. ein größeres Commando erhalten, da fand L. auch die Gelegenheit sich hervorzuthun. Ohne Zaudern dirigirte er seine Grenadiere gegen das bedrohte St. Antonio; er selbst aber führte sechs Schwadronen Reiter gerade in den Rücken der feindlichen Cavallerie und warf selbe mit solchem Nachdrucke, daß sie ihr eigenes Fußvolk in Unordnung brachte. Hierauf kämpfte L. – nun F.-M.-L. – mit altbewährtem Muth den 15. August bei Novi und gab als selbständiger Commandant des Belagerungscorps von Cuneo vom 29. November bis 4. December 1799 zu erkennen, daß er auch einer solchen Aufgabe gewachsen. Während er nämlich mit gewohnter Allseitigkeit jederlei von Außen kommende Gefahr beseitigte, schritt er gleichzeitig energisch an die Eröffnung der Laufgräben und ließ sich hierin weder durch Versuche hinhaltenden Parlamentirens, noch durch das feindliche Feuer beirren. Daß aber sein Ziel nur die Unterwerfung der Feste, erhellt aus der Kundmachung: „Ich will den Ruhm des Armeecorps, welches ich befehlige, mit der Sicherheit der Belagerten zu vereinigen trachten.“ Seinem entschiedenen Vorgehen konnte die Besatzung nicht lange widerstehen und capitulirte den 4. December. Auch der Feldzug 1800, so unglücklich er auch für Oesterreich war, schmückte L. mit neuen Lorbeeren, errungen durch Heldenmuth und Ausdauer, so bei Hohenlinden am 3. December, wo er von 9 Uhr früh bis 3 Uhr Nachmittags nächst Straßmayer’s Wirthshause des Feindes Vorbrechen verhinderte, dann bei Anthering am 14. December und in den folgenden Gefechten, wo er mit dem Reservecorps den Rückzug des Heeres deckte. Fürst L., dem nun das Großkreuz des Militär-Maria-Theresien-Ordens verliehen wurde, folgte wenige Jahre später, den 24. März 1805, seinem verstorbenen Bruder in der Regierung. Besorgt blickte Heer und Land, welches L. – den populärsten Mann nächst Erzherzog Karl – nur ungerne verloren hätte, auf des Helden [613] Entschlüsse und begrüßte freudig dessen Hingebung und Selbstlosigkeit, als er auch als Regierender in kaiserlichen Kriegsdiensten verblieb, ja sogar bei nicht ganz fester Gesundheit Mitte November 1805 das Commando eines Armeecorps übernahm. Und diesem war L. bei Austerlitz, 2. December, wie immer ein feuriger, gewandter, todesverachtend tapferer Führer, der bis zum letzten Kampfesmomente sein Bestes that und erst dann, geordnet und kämpfend, den Rückzug antrat, als er von einer übermächtigen Umgehung bedroht gewesen. Noch in der Nacht vom 2. zum 3. December begab sich L. als Friedensvermittler in das feindliche Hauptquartier, begleitete den 4. December Kaiser Franz zu einer Unterredung mit Napoleon, unterzeichnete am 6. December ein Abkommen über Einstellung der Feindseligkeiten und führte dann nebst Gyulai die Verhandlungen bis zum Preßburger Friedensschlusse. Liechtenstein’s erprobte Selbstverleugnung und Heldenmüthigkeit in solch unglücklicher Zeit würdigend, erhob ihn der Kaiser 1806 zum Ritter des goldenen Vließes, 1808 zum General der Cavallerie; der Dank des Fürsten hierfür war der eines hochsinnigen Charakters, denn er hat auch 1809, nachdem er die Verwaltung des ohne sein Zuthun dem Rheinbunde zugezählten Fürstenthums in des Sohnes Hände gelegt und trotz seiner durch die Kriegsanstrengungen stark angegriffenen Gesundheit, all’ seine Kraft dem Gesammtwohle des Vaterlandes geweiht. Schon die Vorbereitungen zu dem bevorstehenden großen Kampfe fanden in L. einen rastlos thätigen Mitarbeiter und als das Heer gegen den Feind vorzurücken begann, da folgte das erste Reservecorps vertrauensvoll und begeistert dem seit Spork befähigtesten und kühnsten Reiterführer Oesterreichs. Den 20. April fiel Regensburg zu nicht geringem Nutzen des hart bedrängten Heeres in die Gewalt seiner Truppen; den 23. April beim Rückzuge glänzte L. an der Spitze der Kürassiere durch ähnlich jugendliche Raschheit und Entschlossenheit wie bei Csettin 1788; bei Aspern und Wagram endlich überbot L. allen Heroismus, den er bisher in so vielen Schlachten und Gefechten bewiesen, er erspähte mit scharfem Blicke jede Schwäche des Gegners, bedurfte keinerlei besonderer Aufforderung zur That, war stets dort, wo das gewaltigste Kartätschenfeuer wüthete, wo ernste Gefahr abgewendet werden mußte. Erzherzog Karl, der im Armeebefehle vom 24. Mai die Kämpfer bei Aspern als die ersten Soldaten der Welt bezeichnet und der öffentlichen Dankbarkeit würdig erklärt, nennt namentlich L. mit den denkwürdigen Worten: „Der General der Cavallerie Fürst Johann Liechtenstein hat seinen Namen verewigt. Dieses Gefühl und meine warme Anhänglichkeit an seine Person verbürgt ihm die Dankbarkeit unseres Monarchen. Ich kann ihm nur mit dem öffentlichen Ausdruck meiner Achtung lohnen“, und nach Wagram ertheilt der Erzherzog den Reitern Liechtenstein’s das Zeugniß, unter einem Hagel von Kugeln so kaltblütig wie auf dem Exercierplatze manövrirt zu haben. L., welcher den 31. Juli den Oberbefehl des Heeres übernommen und den 14. October den Wiener Frieden unterzeichnet hatte, mußte bald darauf der dringend gebotenen Schonung seiner körperlichen Kräfte Rechnung tragend den activen Dienst verlassen. Nun lebte der Feldmarschall L., der mit Ausnahme einer bei Wagram erhaltenen Contusion wunderbarer Weise nie verwundet worden war, nur dem Wohle seiner Unterthanen und der Sorge für seine zahlreiche Familie. Er unterstützte fürstlich Künste und Wissenschaften, Viehzucht, Forstcultur und Industrie; sein hoher Sinn für Alterthum und Baukunst ließ ihn bedeutende Summen in dieser Hinsicht verwenden; um die Ausbreitung der fürstlichen Besitzungen hat sich L. neben dem Stifter des Hauses die nachhaltigsten Verdienste erworben. Bis an sein Lebensende blieb Fürst L. zugethan dem Staate, für welchen er nicht nur seine Thatkraft und sein Leben, sondern auch nach dem Wiener Frieden behufs rascherer Räumung Wiens seine sämmtlichen Güter zu opfern bereit war; er blieb Freund dem ihm dankbar verehrenden Heere und [614] bekundete dies, indem er der bei Aspern und Wagram gefallenen österreichischen Krieger gedenkend, nächst Mödling ein Mausoleum – im Volksmunde der Husarentempel genannt – errichten ließ, dessen Inschrift zum Schlusse sagt: „Vermag euer Freund euere entseelten Leichname nicht zu beseelen; sie stets zu ehren ist seine Pflicht.“

(Hormayr,) Taschenb. f. vaterl. Gesch., 3. Jahrg., Wien 1822. Hirtenfeld, Der Militär-Maria-Theresien-Orden etc., 1. Bd., Wien 1857. Vehse, Gesch. d. österr. Hofs etc., 9. Bd., Hamburg 1852. Szöllösy, Tagebuch gefeierter Helden etc., Fünfkirchen 1837. Oesterreichische National-Encyklopädie, 3. Bd., Wien 1835. Schweigerd, Oesterreichs Helden etc., 3. Bd., Wien 1855. Biographie des hommes vivants etc. Tome IV. Paris 1818. Thürheim, Gedenkblätter a. d. Kriegsgesch. d. k. k. österr. Armee, 2. Bd., Wien und Teschen 1880. Victorin, Gesch. d. 7. Drag.-Rgmts., Wien 1879. Schels, Oesterreichische milit. Ztschr. 1811–12 1. Bd., 1822 1., 2. Bd., 1827 4. Bd., 1836 2. Bd. Thürheim. Gesch. des 8. Uhlanen-Rgts., Wien 1860. (Großer,) Beitrag z. Kriegsgesch. d. fürstl. Lobkowitz’schen, hernach gräfl. O’Reilly’schen Chevauxlegers-Regiments (Manuscript). Hirtenfeld u. Meynert, Milit.-Conversat.-Lex., 1. Bd., Wien 1851. Schönhals, Der Krieg 1805 in Deutschl. (Aus Streffleur’s österr. milit. Ztschr., Wien 1873). Heller, Feldzug 1809 in Süddeutschland (Aus Streffleur’s österr. milit. Ztschr., Wien 1862–1865). Falke, Gesch. d. fürstl. Hauses Liechtenstein, 3. Bd. Wien 1882.