ADB:Lange, Johann (evangelischer Theologe)

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Artikel „Lange, Johann“ von Carl Bertheau in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 17 (1883), S. 639–640, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Lange,_Johann_(evangelischer_Theologe)&oldid=- (Version vom 4. November 2024, 21:35 Uhr UTC)
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Lange: Johann L., Theologe, einer der erbittertesten Gegner der Pietisten, ist geboren zu Weidhausen in der Oberpfalz am 6. Novbr. 1630 und gestorben zu Hamburg im J. 1700. Er studirte anfänglich von 1649–52 zu Jena Medicin, ging dann aber seiner Mutter zu Gefallen zur Theologie über. Im J. 1654 ward er zu Jena Magister und hielt als Adjunct der philosophischen Fakultät daselbst Vorlesungen. Etwa vom Jahre 1655 an machte er größere Reisen in Italien und Deutschland; er soll während dieser Zeit etwa ein Jahr lang heimlich Prediger im „Deutschen Hause“ zu Venedig und hernach Feldprediger beim General Wrangel gewesen sein. Im J. 1658 wurde er als Vicar zu Hiltpeltstein ordinirt, wurde 1666 nach Entenberg und 1676 nach Nürnberg versetzt, wo er zuerst an der Spitalkirche zum hl. Geist und hernach, seit 1678, an der Kirche zum hl. Kreuz stand. Im J. 1678 ward er auch Mitglied des Pegnitzordens. Gerühmt wird seine außerordentlich kräftige Stimme; doch wußte er auch durch seine übrigen Gaben für die Kanzel immer eine zahlreiche Gemeinde um sich zu sammeln. Sein Privatleben war jedoch nicht makellos, und im J. 1681 wurde ihm die Kanzel verboten, weil er Wucherzinsen genommen habe; auch wurde ihm in Betreff seines ehelichen Lebens böses nachgesagt. Nürnberger Kaufleute sollen ihn darauf nach Hamburg empfohlen haben; er wurde für eine Predigerstelle an St. Petri daselbst auf den Aufsatz gebracht. Das Ministerium verweigerte zwar (am 25. Januar 1682) die übliche Fürbitte vor der Wahl, weil L. in Nürnberg wegen anstößiger Dinge abgesetzt sei; aber die Kirchenvorsteher wählten ihn dennoch am 12. Februar 1682; am 7. März trat er sein Amt an; am 4. April desselben Jahres wurde er zugleich zum Prediger am Spinnhaus (einer Strafanstalt) erwählt. In Hamburg trat L. [640] in den hier ausbrechenden pietistischen Streitigkeiten entschieden auf die Seite der Gegner der Pietisten; im Kampfe gegen Horbius (vgl. Bd. XIII. S. 120 ff.), Winckler und Hinkelmann (vgl. Bd. XII. S. 460 ff.) stand er an Mayer’s Seite und übertraf diesen womöglich noch an Heftigkeit und Rücksichtslosigkeit. In der ungehörigsten Weise brachte er Ausfälle auf seine Gegner auf die Kanzel. Er war es denn auch, der im J. 1693 in der Zeit des erregtesten Kampfes gegen Horbius bei einer Trauung den Brautleuten den Geist Gottes, „aber nicht den Geist Horbius’ und Winckler’s“ wünschte. Als er in Folge dieser Ungezogenheit auf Winckler’s Klage durch ein Decret des Senats vom 12. Juni 1693 vom Amte suspendirt ward, war der Senat doch nicht im Stande, die Suspension aufrecht zu erhalten; namentlich Mayer verstand es, eine solche Bewegung der Volksmassen gegen den Senat und die Oberalten (die ältesten Kirchenvorsteher), welche letztere insbesondere von einer Aufhebung der Suspension anfänglich nichts wissen wollten, zu bewirken, daß L. am 15. Septbr. 1693 wieder restituirt ward. Als er dann aber Ende October ein Responsum der Leipziger theologischen Fakultät gegen Hinkelmann mit einem beleidigenden Titel und einigen anderen anzüglichen Zuthaten herausgab, wurde er am 3. November von Gerichtswegen abermals vom Amte suspendirt. Diesmal gelang es ihm nicht so leicht, eine Aufhebung dieses Urtheils zu erwirken. Ihm wurde förmlich der Proceß gemacht und trotz seiner Supplik an den Senat vom 31. Januar 1694, das Verfahren gegen ihn einzustellen, wurde am 21. März das Urtheil dahin gefällt, daß er Abbitte thun und die Gerichtskosten tragen solle; und erst mehrere Monate später, nachdem die kirchlichen Streitigkeiten beigelegt waren, wurde er wieder restituirt. Er hat dann auch später noch allerlei Streitigkeiten gehabt und Unruhen erregt. Als Mayer im J. 1697 mit den Juden einen Streit hatte, gab auch L. eine heftige Schrift gegen dieselben heraus. Doch verfeindete er sich in demselben Jahre auch mit Mayer. Besonderes Aufsehen machten dann noch die Streitigkeiten, welche L. im J. 1699 dadurch erregte, daß er plötzlich gegen die bestehende Sitte verlangte, die Gemeinde solle beim Beten des Vaterunsers nach der Predigt aufstehen; erst durch ein Einschreiten des Senates gegen diese Neuerung wurde die Sache beigelegt. – Im Jahre darauf starb L.; als sein Todestag wird der 7. März, der 7. April und der 7. Mai 1700 angegeben; das letztere Datum wird das richtige sein. Er hinterließ eine Bibliothek von 9546 Bänden. Unter den von ihm herausgegebenen Schriften sind einige für den Gebrauch der Insassen des Spinnhauses bestimmte Erbauungsschriften dadurch bemerkenswerth, daß sie viel mehr, als nach seinem Kampfe gegen die Pietisten zu vermuthen wäre, auf praktisches Christenthum Gewicht legen. Einige eigene Reimereien in ihnen erinnern in ihrer gezierten und schwülstigen Sprache an seine Zugehörigkeit zum Pegnitzorden. Er soll nach einigen auch ein besonderes Gesangbuch für die Gefangenen im Spinnhause haben drucken lassen; doch beruht diese Angabe wohl auf einem Versehen.

Zum Theil nach handschriftlichen Quellen. – Vgl. Will, Nürnberger Gelehrtenlexikon, II. S. 390 f.; Nopitsch, Supplement dazu, II. S. 275. Moller, Cimbria litterata, II. S. 444. Rotermund zum Jöcher, III. Sp. 1215 f. Lexikon der hamburgischen Schriftsteller, IV. S. 305 ff. Geffcken, Johann Winckler und die hamburgische Kirche in seiner Zeit, Hamburg 1861, an mehreren Stellen, namentlich S. 156 f. über Lange’s Predigtweise. Otto Beneke, Hamburgische Geschichten und Sagen, Hamburg 1854, S. 338 ff., über den Streit wegen des Aufstehens beim Vaterunser.