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Artikel „Kurz, Joseph Felix Freiherr von“ von Joseph Kürschner in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 17 (1883), S. 426–428, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Kurz,_Joseph_von&oldid=- (Version vom 22. Dezember 2024, 14:18 Uhr UTC)
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Kurz: Joseph Felix Freiherr v. K., genannt Bernardon, Schauspieler und Director, geb. 1715 zu Wien, starb daselbst am 2. Febr. 1784. Dieser mehr als 30 Jahre in der Vertretung der Stegreifpossen so glückliche Mann, der in Wien der Burleske zu neuen Siegen verhalf, als sie in Norddeutschland schon der besseren Einsicht der Neuberin und Gottsched’s zum Opfer gefallen war, gehörte bereits seit 1730 der Bühne an. Sein Vater, der selbst zur Bühne gehörte, hatte sich in Berlin unter dem Namen Felix beliebt gemacht und dann als Prinzipal die österreichischen Staaten durchzogen. Auf Provinzbühnen begegnen wir dann auch K., bevor er zum ersten Mal in Wien auftrat, was 1737 geschah. Der Erfolg heftet sich hier sofort an seine Sohlen, denn mit lebhaftem Temperament, verband er Witz, Erfindungsgabe, eine ganz außergewöhnliche komische Darstellungsgabe und was nicht zum letzten für sein Gefallen [427] entschied, eine feine Empfindung für die Schwächen des Publicums, auf die er stets mit Geschick speculirte. Ein ganz besonderes Aufsehen erregte er in der Rolle einer dem italienischen Scapino ähnlichen Figur, dem Bernardon, nach der er sich bald nannte und die er in zahllosen von ihm selbst geschaffenen Variationen immer und immer wieder dem Publicum vorführte. Diese mit dem reichsten Apparat ausgestatteten Burlesken führten u. A. folgende Titel: „Bernardon, der weynende Amant und Hans Wurst der Crupeler von des Herodes seiner Frauen, der Mariamne, Fürstin von Jerusalem“, „Bernardon, der aus einem Schmeltz-Degel entsprungene flüchtige Mercurialische Geist, nebst einem Poetischen Prologuen genannt: Der Kreutzweis mit Fesseln belegte Cupido oder der Streit zwischen denen Göttern und Göttinnen über den unschuldig verklagten Bernardonischen Mercurium“, worin Bernardon als Amor, Venus, Jupiter, Mercur, altes Weib, Pavian, Tanzbär und Pandur erschien; ferner „Der achtmal verwandelte Bernardon und Hans Wurst, der gezwungene Holzhacker“, „Bernardon, der alte Seefahrer aus der neuen Welt und Hans Wurst, der geplagte Tänzer vor der Madame Bazayraziania“, „Bernardon der liederliche Frichtel“, „Hans Wurst und Bernardon, die zwei heldenmüthigen Söhne des großen Ritters Sacrapans und tapfre Befreyer der Königin Lenorella auf der Insel Lilliput, nebst zwei Auftritten, so von einem Kinde recitirt werden“, „Colombine die glücklich gewordene Haubenhefterin oder Bernardon der dreißigjährige ABCSchütz“ u. a. m. Welche Art diese und ähnliche von K. gegebene Burlesken waren, geht schon aus den bei Meyer „Leben Schröder’s“ (I. S. 173) mitgetheilten Anekdoten hervor, nach denen z. B. ein Darsteller, der eine Laterne trug, diese vor seine Kehrseite hielt mit der Erklärung „damit ich das Licht gleich wieder anblasen kann, wenn’s der Wind ausmacht“. Ueber ein Stück, in dem der Liebhaber seine mit Leder bekleidete Sitzfläche als Zielscheibe großer Wasserspritzen darbieten mußte, sagte K. zu Schröder: „In Wienn ist das Stuckerl über zwanzigmal hintereinand auf’gführt“. Bis in die höchsten Kreise jubelte man solchen Scherzen zu und lohnte sie durch mehr Beifall als etwa das Spiel eines Ekhof. Ein Zeitgenosse berichtet im Märzheft (1792) der „Deutschen Monatsschrift“: „Wenn K. auf die Bühne trat, strömte die Menge gleichsam ins Schauspielhaus, wenn er herabstieg, zankten sich selbst von den stolzesten Großen viele um seinen Umgang … Dennoch spielte er nirgends, wo er merkte, daß man es fordere, den Lustigmacher; war niemanden für ein Gastgebot verbunden, und machte selbst zu Wien ein Haus, wie wenige Kavalier“. Ja er besaß die Dreistigkeit, unter dem Deckmantel seiner Rolle bittere Bemerkungen über Staatspersonen zu machen, die man ihm gemeinhin nicht verübelte. Endlich aber stieß er doch einmal an und verscherzte sich durch eine unglaublich freche Antwort die Gunst Maria Theresia’s, die sonst sehr große Stücke auf ihn hielt, seit jenem Vorfall ihn aber trotz aller Bitten nie mehr sah. Eben dieser Vorfall war auch der Grund, daß er 1743 Wien verließ. Doch schon 1744 kehrte er an diese beste Stätte für sein Wirken zurück, schied dann abermals und diesmal aus Unbehagen über die Reformpläne der Kaiserin und wegen der Nachcensur von der schönen Donaustadt, um 1754 unter Graf Durazzo’s Schutz von neuem seinen Einzug zu halten. Seine Stellung war indessen nicht mehr die gesicherte alte, die extemporirte Komödie ging ihrem Ende entgegen und K. mußte 1760 zum dritten Mal den Schauplatz verlassen. Er wandte sich nach Prag, dirigirte hier bis 1763, ging dann nach Venedig, wo er bei einem Theaterunternehmen seine Prager Ersparnisse jämmerlich einbüßte. 1765 abermals in Wien, bereiste er dann mit einer Truppe Baiern, Salzburg, Schwaben, die Rheingegend und Frankfurt a. M. In diese Zeit fällt auch das Engagement Schröder’s, der u. a. von K. erzählte, er habe aus seinem Munde nie eine Zote gehört, doch habe er sie [428] andern nie verboten. 1765 war K. auch vom kurfürstlichen Hof in München beauftragt worden, ein stehendes Theater daselbst zu errichten (vgl. Brandes’ Lebensgeschichte, II.), was aber nicht zu Stande kam, da die meisten der bedeutenden Schauspieler, die man zum Mitwirken aufgefordert hatte, diese Aufforderung abschlugen. Noch ein Mal – es war 1770 – versuchte K. in Wien sein Heil. Vergeblich! Er hatte verlauten lassen, „Equivoquen mit anscheinender Dummheit vorgetragen, wären die Lieblingsspeise des Wiener Publicums, und die wirksamste Aushülfe eines dramatischen Schriftstellers“ (J. H. F. Müller’s Abschied, S. 71); allein er hatte sich getäuscht. Da er nicht extemporiren durfte, mußte er seine Possen niederschreiben und die Censur strich aus diesen Niederschriften alle Zweideutigkeiten und allen groben Scherz weg. Damit war dem Wirken Kurz’ in Wien der Todesstoß versetzt und der einst Gefeierte mußte besiegt seinen letzten Rückzug aus Wien antreten. 1774 finden wir ihn an der Spitze eines Theaterunternehmens in Warschau, wo er zuletzt Papiermüller war. Während dieser Epoche seines Lebens wurde K. in den polnischen Freiherrnstand erhoben. Nach einer Erzählung des gothaischen Theaterjournals (XIX. S. 101) soll K. auf folgende Weise zu seinem Adel gekommen sein. Er hatte ein Stück gemacht, „Baron Zwickel“, worin er die Titelrolle spielte. Der Kaiser Franz, dem er in dieser Partie gut gefallen hatte, sprach eines Tages auf der Promenade von dem Stück mit einigen Cavalieren, als K. vorbeiging. „Sieh’ da, unser Herr Baron“, sagte der Kaiser. K. hört’s, geht hinzu und bemerkt, sich verbeugend: „I dank Ew. Majestät für die Charge“. Der Kaiser lachte und seit dieser Zeit schrieb sich der Spieler „Baron v. K.“ Die letzten Jahre seines Lebens verbrachte K. in Wien, wo ihm die Schauspieler aller österreichischer Länder den von ihm mit Vergnügen angenommenen Titel „Vater“ gaben. – Außer den Bernardoniaden hat K. auch noch eine einaktige Opera buffa „La gouvernante“ und den Text zu Peter Winter’s Oper „Helena und Paris“ geschrieben. – Kurz’ Frau, Franziska, gehörte auch zur Bühne und dirigirte sogar einige Zeit eine elende Truppe. Sie war in komischen Rollen besser als in tragischen. Mitte der 60er Jahre ließ sie sich von K. scheiden, weil dieser ein Liebesverhältniß mit ihrem Kammermädchen unterhalten hatte.