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Artikel „Kirchbach, Hugo Graf von“ von Bernhard von Poten in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 51 (1906), S. 146–148, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Kirchbach,_Hugo_Graf_von&oldid=- (Version vom 22. Dezember 2024, 18:35 Uhr UTC)
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Kirchbach: Hugo Ewald Graf von K., königlich preußischer General der Infanterie, am 23. Mai 1809 zu Neumarkt in Schlesien geboren, war der Sohn eines Hauptmannes der Adjutantur, welcher im J. 1814 während des Feldzuges in Frankreich starb. In den Cadettenhäusern zu Culm und Berlin erzogen, kam er am 5. April 1826 als Portepeefähnrich zum 26. Infanterieregimente nach Magdeburg, wurde am 29. März 1827 Officier, besuchte von 1831 bis 1834 die Allgemeine Kriegsschule (jetzt Kriegsakademie), wurde 1838, nachdem er seit 1835 Bataillonsadjutant gewesen war, zur Topographischen Abtheilung des Großen Generalstabes commandirt und kam, seit 1840 Premierlieutenant, 1841 in die höhere Adjutantur. Aus dieser wurde er zehn Jahre später, nachdem er 1845 zum Hauptmann, 1850 zum Major aufgestiegen war, in den Generalstab versetzt, welchem er bis zu seiner, am 13. October 1859 geschehenen Ernennung zum Commandeur des 36. Infanterieregiments in Halle, zuletzt als Chef des Generalstabes des III. Armeecorps in Berlin, angehört [147] hat. Jene Stellung vertauschte er ein Jahr darauf mit der an der Spitze des neuaufgestellten 66. Infanterieregiments in Magdeburg, an welcher er blieb bis er durch die am 26. Januar 1863 erfolgte Beförderung zum Commandeur der 19. Infanteriebrigade zu Posen in den Verband des V. Armeecorps trat, aus welchem er erst durch seinen Austritt aus dem Dienste geschieden ist. Am 27. März 1863 wurde er Generalmajor, am 13. Mai 1865 erhielt er das Commando der zu jenem Corps gehörenden 10. Division, welche er im J. 1866 während des Feldzuges gegen Oesterreich auf dem Kriegsschauplatze in Böhmen geführt hat. Bei der Mobilmachung wurde er Generallieutenant.

Als Vorhut der II. Armee überschritt das V. Armeecorps am Abend des 26. Juni die Metau, den Grenzfluß zwischen der Grafschaft Glatz und Böhmen, am folgenden Tage kam es jenseits des Flusses zu dem siegreichen aber blutigen Gefechte von Nachod, in welchem General v. K. das Gros des Corps commandirte. Sein rechtzeitiges Eingreifen wendete den Vorgang zu Gunsten der preußischen Waffen. Ebenso brachte am 28. im Gefechte bei Skalitz sein Angriff auf die letzte Stellung des Feindes die Entscheidung des Tages und am 29. wurde unter seiner Führung ein neuer Erfolg bei Schweinschädel davongetragen. In der Schlacht bei Königgrätz kam K. dagegen nicht zur Thätigkeit, das stark mitgenommene V. Armeecorps blieb in Reserve. Am Abend erhielt er Befehl mit einer zu diesem Zwecke gebildeten Avantgarde die Verfolgung zu übernehmen, der Auftrag wurde aber zurückgenommen und dahin geändert, daß er Vorposten auszustellen habe. Der weitere Vormarsch, welcher die 10. Division bis nach Ungarn hineinführte, gab K. keine Gelegenheit zu weiterer Kampfesthätigkeit in diesem Feldzuge (Beihefte zum Militär-Wochenblatte, Berlin 1868). Am 20. September rückte K., mit dem Orden pour le mérite geschmückt, in Posen wieder ein um in emsiger Friedensarbeit die ihm unterstellte Truppe für den nächsten Krieg vorzubereiten.

Die Mobilmachung vom Jahre 1870 stellte den General v. K. an die Spitze des Armeecorps, dem er bis dahin als Divisionscommandeur angehört hatte. Sein Vorgänger im Commando, der General v. Steinmetz, erhielt den Oberbefehl der I. Armee und K. kam mit dem V. Armeecorps zur III. des Kronprinzen Friedrich Wilhelm von Preußen, unter dem er auch im J. 1866 gestanden hatte. Schon beim ersten größeren Zusammenstoße mit dem Feinde, dem am 4. August, dem Tage, von welchem auch sein Patent als General der Infanterie datirt, stattfindenden Treffen von Weißenburg, kam es zum Gefechte. Im Vormarsche gegen die Stadt begriffen erhielt K. vom Obercommando Befehl, den Baiern zu Hülfe zu eilen und in wirksamster Weise leistete er diese bei der Einnahme von Stadt und Bahnhof und bei der Erstürmung des Geisberges. Hier traf ihn eine Chassepotkugel am Halse, der Streifschuß hielt ihn aber nicht ab zwei Tage darauf sein Corps von neuem zum Siege zu führen. Und dieser Tag von Wörth, der 6. August, war es, an welchem er während des Verlaufes des Feldzuges mit seiner Person am glänzendsten hervorgetreten ist. Die Heeresleitung hatte eine Schlacht nicht beabsichtigt, der Kampfeseifer von Kirchbach’s Vorpostencommandeur, des Generals Walther v. Monbary, führte sie herbei. K. versuchte zunächst das wider seinen Willen eingeleitete Gefecht abzubrechen. Als es nicht gelang, weil der Kampf schon zu weit vorgeschritten war, schickte er sich an, ihn mit voller Kraft durchzuführen. Da traf ihn der Befehl des Kronprinzen, ihn nicht aufzunehmen und alles zu vermeiden, was ein neues Gefecht herbeiführen könnte. K. erkannte, daß das Abbrechen nicht mehr in seiner Hand lag, daß es für eine Niederlage angesehen werden könnte. Er leistete daher [148] dem Befehle keine Folge, sondern verfolgte seinen Weg, der zum Siege führte, nahm die Verantwortung für den Ungehorsam auf sich und, als er am Abend mit dem Kronprinzen auf dem Schlachtfelde zusammentraf, stieg dieser vom Pferde, umarmte ihn und dankte für die bewiesene Initiative und Energie, ohne welche die blutige Arbeit noch bevorstände. Von hier ging es auf Sedan. Auf dem Wege dorthin hatte das V. Armeecorps am 30. August bei Stonne ein unbedeutendes Gefecht zu bestehen. In der Schlacht vom 1. September fiel ihm die Aufgabe zu nach Norden den Ring zu schließen, der die französische Armee umklammerte, indem er Fühlung mit der von Osten kommenden Maasarmee gewann und dann den verzweifelten Versuchen des Feindes nach Belgien durchzudringen einen Damm entgegensetzte. Sie wurde glänzend gelöst. Am Nachmittage leitete K. neben der Kampfesthätigkeit seines eigenen Corps auch die des benachbarten XI., dessen Commandeur, der General v. Gersdorff, tödlich verwundet war. Während der nun folgenden Einschließung von Paris, zu welcher das Armeecorps sich am 17. September durch ein Gefecht bei Valenton den Weg über die Seine hatte bahnen und durch ein zweites, am 19. bei Bicêtre geliefertes die Möglichkeit des Weitermarsches hatte erzwingen müssen, war ihm seit dem 11. October die Strecke Meudon-Bougival, zwischen dem XI. Armeecorps zur Rechten, dem IV. zur Linken, angewiesen, sein Hauptquartier befand sich in Versailles. Von den gegen diese Strecke gerichteten Angriffen war der bedeutendste der als Schlacht vom Mont Valérien bezeichnete Ausfallsversuch vom 19. Januar 1871. Mit seinem Mißlingen schloß die Kriegsthätigkeit des V. Armeecorps und seines commandirenden Generals ebenso glänzend ab wie das Gefecht von Weißenburg sie eröffnet hatte. Nach der Capitulation von Paris rückte das Corps zunächst an die Loire, dann im März nach Burgund, Anfang Juni kehrte es in die Heimath zurück. Die Dienste, welche General v. K. geleistet hatte, wurden durch die Verleihung des Eichenlaubs zu dem 1866 erworbenen Orden pour 1e mérite, des Eisernen Kreuzes I. Classe sowie anderer Auszeichnungen und einer der von Frankreich gezahlten Kriegsentschädigung entnommenen baaren Dotation anerkannt. (Stieler von Hedydekampf, Das V. Armeecorps im Kriege gegen Frankreich 1870/71, Berlin 1872).

Nach dem Friedensschlusse ist er noch neun Jahre an der Spitze des Corps geblieben. Am 3. Februar 1880 wurde ihm, unter Verbleib in der Stellung als Chef des 1. Niederschlesischen Infanterieregiments Nr. 47, welches seit dem 27. Januar 1889 auf Befehl Kaiser Wilhelm’s II. für immerwährende Zeiten den Namen „Graf Kirchbach“ trägt, und unter Erhebung in den nach dem Rechte der Erstgeburt vererblichen, an den Besitz eines Fideicommisses geknüpften Grafenstand, der Abschied bewilligt. 1873 war einem Fort bei Straßburg sein Name beigelegt, nach dem Kaisermanöver vom Jahre 1875 war ihm der Schwarze Adlerorden verliehen. Am 6. October 1877 starb er auf dem von ihm erkauften Gute Moholz bei Niesky im Kreise Rothenburg in der Oberlausitz. – K. gehörte zu den in Deutschlands Einigungskriegen hervorgetretenen Generalen, welche aus den bescheidensten Verhältnissen durch eigene Kraft zu den höchsten Stellungen sich hinaufgearbeitet hatten.

Militär-Wochenblatt Nr. 85 vom 12. October 1887.