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Artikel „Kirch, Gottfried“ von Siegmund Günther in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 15 (1882), S. 787–788, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Kirch,_Gottfried&oldid=- (Version vom 22. November 2024, 19:35 Uhr UTC)
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Kirch: Gottfried K., Astronom, geb. den 18. December 1639 zu Guben, † den 25. Juli 1710 zu Berlin. Er studirte zu Jena unter dem damals berühmten Polyhistor Erhard Weigel und ward von demselben an Hevelius in Danzig empfohlen, um sich unter dessen Leitung in der praktischen Sternkunde auszubilden. Von da zurückgekehrt, betrieb er an verschiedenen Orten, in Leipzig, Guben, Lobenstein (Reuß) und Koburg das Gewerbe eines Kalendermachers, setzte aber auch seine theoretischen Studien weiter fort und stellte fleißig Beobachtungen an. Seine Ephemeriden, welche von 1681–1702 reichen und wesentlich nach Kepler’s rudolphinischen Tafeln gearbeitet waren, machten seinen Namen in weiteren Kreisen bekannt, und so erhielt er im J. 1700 einen Ruf als Astronom an die neu begründete Berliner Akademie, der er bis zu seinem Tode treu blieb. Praktisch arbeiten konnte er daselbst allerdings nur seit 1706, in welchem Jahre ihm eine Sternwarte gebaut wurde. Seine vollständige Beobachtungssammlung ist nach Lalande von de l’Isle erworben worden und in dessen Papieren vergraben geblieben. Immerhin ist Manches publicirt, insbesondere in den Philosophical Transactions, den Acta Eruditorum und in den Berliner Denkschriften (Miscellanea Berolinensia). Mit Vorliebe beobachtete K. Kometen; ja man darf ihn als den ersten Astronomen bezeichnen, der systematisch mit dem Fernrohr nach diesen Himmelskörpern suchte. Seine Mühe ward belohnt durch die Auffindung eines gewaltigen Schweifsternes (4. November 1680), der später für die kometarische Astronomie zu großer Berühmtheit gelangte. Nicht minder eifrig beobachtete er die Sonnenflecke, Nebel- und veränderlichen Sterne, sowie Planetendurchgänge, wenn sich solche ereigneten (Merkursdurchgang im J. 1707). Bei dieser eifrigen Durchmusterung des gestirnten Himmels nahm er wahr, daß ein Stern im Halse des Schwanes seine Lichtstärke periodisch ändert; damit hatte [788] der Stern Mira Ceti, dessen Veränderlichkeit bereits bekannt und von K. in einer eigenen Schrift („Wunderstern am Halse des Wallfisches“, Leipzig 1678) beschrieben worden war, einen Collegen erhalten. Noch dürfte erwähnt werden, daß K. ein neues Mikrometer für feinere Messungen erfand, und daß er zuerst den von Halley in St. Helena angefertigten Katalog der südlichen Gestirne in Deutschland bekannt machte. Eine astronomische Leistung von mehr byzantinischem als wissenschaftlichem Charakter stellt die Einführung dreier neuer Sternbilder, des Reichsapfels, des kursächsischen Schwertes und des brandenburgischen Scepters dar. Von Kirch’s Familienmitgliedern, die sich ebenfalls in der Geschichte der Astronomie einen gewissen Namen gemacht haben, sind noch die folgenden aufzuführen :

Maria Margaretha K. geb. Winkelmann, geb. den 25. Februar 1670 zu Panitzsch bei Leipzig, † den 29. December 1720 zu Berlin. Tochter eines Geistlichen, hatte sie eine gute Vorbildung erhalten und lernte bald ihren Gatten, Gottfried K., beim Beobachten und Rechnen unterstützen. Sie entdeckte den Kometen von 1702 und gab 1712 zu Berlin eine kleine Schrift über die bevorstehende Conjunction von Jupiter und Saturn heraus. Darin werden noch ziemlich umfassende astrologische Prognostika mitgetheilt, doch ist die Verfasserin vorurtheilsfrei genug, selbst einzugestehen, daß der ganzen Sterndeuterei kein großer Werth zukomme. Der bekannte „astronomische Bauer“, Christoph Arnold von Sommerfeld bei Leipzig, der es nach Weidler’s Zeugniß als Autodidact bis zur selbständigen Construction von Tafeln für die Jupiterstrabanten brachte, scheint die Neigungen der jungen Margaretha Winkelmann dauernd beeinflußt zu haben.

Christfried K., Sohn von Gottfried und Margaretha, geb. den 24. December 1694 zu Guben, † den 9. März 1740 zu Berlin, begann seine astronomischen Studien in Danzig und rückte 1717 in die Stelle seines Vaters an der Akademie ein. Seine astronomischen Observationen sind in den nämlichen Zeitschriften zerstreut wie diejenigen des Vaters, doch erschien auch 1730 in Berlin ein größeres Werk aus seiner Feder, betitelt: „Observationes astronomicae selectores in observatorio regio Berolinensi habitae, quibus adjectae sunt annotationes quaedam et animadversiones geographicae et chronologicae, aliaque ad astronomicam scientiam pertinentia.

Christine K., Christfried’s Schwester, geb. um 1696, † den 6. Mai 1782 zu Berlin, stand ihrem Bruder in ähnlicher Weise zur Seite, wie dereinst die Mutter dem Vater. Besonders Kalenderberechnungen beschäftigten sie; so lieferte sie, wie Bode berichtet, viele Jahre hindurch den Kalender für die Provinz Schlesien.

Weidler, Historia astronomiae, S. 555 ff. – Lalande, Astronomie, 1. Bd. S. 221, 226. – Bibliothèque germanique, 3. u. 50. Bd. – Geschichte der Astronomie von den ältesten bis auf gegenwärtige Zeiten, 1. Bd. S. 516 ff. – Bode’s astronomisches Jahrbuch für das Jahr 1816, S. 111, 113, 114. – R. Wolf, Geschichte der Astronomie, S. 457 ff. u. a. a. O.