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Artikel „Kero“ von Elias von Steinmeyer in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 15 (1882), S. 646, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Kero&oldid=- (Version vom 22. Dezember 2024, 13:41 Uhr UTC)
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Kero soll der Name eines Mönchs in St. Gallen zur Zeit des Abtes Othmar (720–759) gewesen sein, welcher die uns in Handschriften der Abtei noch erhaltene deutsche Interlinearversion der Benedictinerregel und die sogenannten „Keronischen Glossen“, ein alphabetisch geordnete lateinisch-deutsches Wörterbuch, dessen Quellen noch nicht sicher bestimmt sind, sowie andere verlorene Schriften verfaßt habe. Aber wir besitzen für den Mann und seine litterarische Thätigkeit kein altes Zeugniß; nur einmal, in einer nicht unverdächtigen Urkunde vom J. 799 (Wartmann I. 149), begegnet ein K. als Zeuge: die ganze Tradition ist vielmehr eine Erfindung der St. Galler Gelehrten des 17. und 18. Jahrhunderts, namentlich des Jodocus Metzler, des Melchior Goldast, des Pius Kolb[WS 1], bei welcher höchst wahrscheinlich der Wunsch, für die ältere deutsche Litteratur des Klosters ebenso einen Sammelnamen zu besitzen, wie der Notkers ein solcher für die spätere war, eine Rolle spielte. Denn die Uebersetzung der Benedictinerregel, welche von Wort zu Wort, mechanisch und unbekümmert um den Zusammenhang, ihrer recht fehlerhaften lateinischen Vorlage folgt und ein trauriges Bild von dem damaligen Stande der Kenntniß des Lateins bietet, ist nicht nur in der jetzigen Handschrift von mehreren Händen geschrieben, sondern rührte auch ursprünglich von mehreren Verfassern her; zudem ist ihre Entstehung viel später zu setzen, zwischen die Jahre 802 und 804, nachdem Karls des Großen Verordnungen, daß die Klostergeistlichkeit ihre Regel kennen und verstehen solle, die Anregung gegeben hatten. Die Keronischen Glossen aber repräsentiren nur eine und zwar bereits ziemlich abgeleitete Copie eines auch anderweitig uns erhaltenen, aber nicht in St. Gallen entstandenen großen Vocabulars; auch sie zeigen geringes Verständniß der lateinischen Sprache.

Ausgabe der Benedictinerregel in H. Hattemer’s Denkmahlen des Mittelalters, I. (St. Gallen 1844) S. 26 ff. Collation derselben mit der Handschrift von mir, Zeitschrift für deutsches Alterthum, XVII. 433 ff. Letzte Ausgabe der Keronischen Glossen in meinen und Sievers’ Althochdeutschen Glossen, I. (Berlin 1879) S. 1–270. Dazu Kögel, Ueber das Keronische Glossar (Halle 1879) und meine Recension dieses Buches im Anzeiger für deutsches Alterthum, VI. 136–142. – Ueber die St. Galler Tradition s. Scherrer, Verzeichniß der Handschriften der Stiftsbibliothek von St. Gallen (Halle 1875) S. 340 ff. und Scherer in der Zeitschrift für deutsches Alterthum, XVIII. 145 ff. – Die verschiedenen Verfasser der Uebersetzung der Benedictinerregel wies ich nach Zeitschrift für deutsches Alterthum, XVI. 131 ff., XVII. 431 ff.; weiter führte das aus Seiler in den Beiträgen von Paul-Braune, I. 402 ff., II. 168 ff. – Ueber die Datirung der Version handelten Scherer in den Denkmälern (2. Aufl., Berlin 1873) S. 519 und Henning, Ueber die St. Gallischen Sprachdenkmäler bis zum Tode Karls d. Gr. (Straßburg 1874) S. 153 ff. – Als Romanfigur (in der Weise von Scheffel’s Ekkehard) wurde K. benutzt von Ludwig Laistner in seinem „Schneekind“ (Westermann’s Monatshefte Bd. XLII, 1877, S. 189 ff., 292 ff., 406 ff., 537 ff., wieder abgedruckt in seinen „Novellen aus alter Zeit“, Berlin 1882).


Anmerkungen (Wikisource)

  1. Pius Kolb (1712–1762), Benediktinerpater und Bibliothekar am Stift Sankt Gallen