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Artikel „Katsch, Christoph von“ von Siegfried Isaacsohn in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 15 (1882), S. 453–455, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Katsch,_Christoph_von&oldid=- (Version vom 21. Dezember 2024, 13:58 Uhr UTC)
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Katsch: Christoph v. K., geb. am 15. Sept. 1665, † am 29. Juli 1729, stammte gleich mehreren andern der vornehmsten Minister Friedrich Wilhelms I. von Preußen aus dem Magdeburgischen. Nach Absolvirung des Rechtsstudiums scheint er zuerst an einem Collegium seiner Heimath thätig gewesen zu sein. Dort muß er frühzeitig die Aufmerksamkeit der Leiter des Justizwesens auf sich gezogen haben. Bereits im Alter von 37 Jahren, am 10. März 1703, wurde er zum ordentlichen Mitgliede des Hof- und Kammergerichts zu Berlin, des obersten Landesgerichts der Marken berufen. Dieser Berufung folgte drei Jahre später, 1706, über die Köpfe mancher Aeltern hinweg die in den Geh. Justizrath, der Justizabtheilung des Geh. Staatsraths zur Entscheidung angefochtener Erkenntnisse der Gerichts- und Verwaltungsbehörden in letzter Instanz, wie von Suppliken und Beschwerden. K. verharrte officiell in dieser doppelten Stellung bis zu seiner zwölf Jahre später erfolgenden Ernennung zum Minister. Doch nahm ihn seine Thätigkeit in Militär-, Commissariats-, Justiz- und Gesetzgebungsfragen bald derart in Anspruch, daß er den Gerichtssitzungen nur noch gelegentlich beiwohnen konnte. Er war nämlich um diese Zeit zum Oberauditeur in den Marken gemacht worden und hatte in diesem Amt, das er mit der ihm eigenen Unermüdlichkeit und Unerbittlichkeit wahrnahm, die Aufmerksamkeit des Kronprinzen Friedrich Wilhelm dermaßen auf sich gezogen, daß dieser ihn seitdem nicht mehr aus den Augen ließ, um ihm später einen der hervorragendsten Plätze einzuräumen. Dieser Empfehlung dürfte auch seine 1712 erfolgende Berufung zum Geheimen Kriegsrath und Decernenten für Justizsachen im General-Kriegscommissariat zuzuschreiben sein. Diese letztere Behörde war eben damals durch Fr. Wilhelm v. Grumbkow unter der Begünstigung des Kronprinzen reorganisirt worden. Da ein großer Theil der Justizsachen, alles was sich auf indirekte Abgaben, Kämmereiwesen der Städte, Innungs- und Privilegienstreitigkeiten etc. bezog, durch die Ordnungen von 1712 und 1715 der Cognition des General-Kriegs-Commissariats zugewiesen wurde, so ward hier die Thätigkeit des Decernenten zu einer höchst ausgedehnten. Die berührten beiden Ordnungen, die die Kompetenzgrenzen in den genannten Dingen zwischen Regierungen (Obergerichten) und Commissariaten regelten, dürften in ihrer Hauptsache auf K. zurückzuführen [454] sein, der seit dem Regierungsantritt Friedrich Wilhelms I. auch eine bedeutende gesetzgeberische Thätigkeit zu entwickeln begann. Die Zeit drängte immer mehr auf die Sonderung von Justiz und Verwaltung, die Aufstellung fester Normen für die Rechtsprechung der Verwaltungsbehörden. Dazu bedurfte es eines Mannes, der, von klarer Einsicht in die gegebenen Verhältnisse und gesetzgeberischer Initiative, die Macht erhielt zu selbständigen Reformen, ohne von den laufenden Geschäften erdrückt zu werden. Eine solche Stellung wünschte Friedrich Wilhelm seinem auf allen Gebieten der Rechtspflege bereits erprobten Rathe zu geben, als er ihn unterm 8. Juni 1718 zum Wirklichen Geheimen Etats- und Kriegsrath und zugleich zum Generalauditeur der Armee machte. Er hob ihn damit über die Masse des Beamtenthums hinaus auf eine der Stellen ersten Ranges. Die Bestellung zum Generalauditeur sowie der Wortlaut seines Bestallungspatents bekunden übrigens, daß der König sich noch nicht entschließen konnte eine Stelle zu schaffen, die nur mit der obersten Leitung der Justiz zu thun, um das Detail der Rechtspflege selbst sich nicht zu kümmern hatte. Im Gegentheil war auch die praktische Thätigkeit Katsch’s in der folgenden Zeit eine sehr beträchtliche. Neben der Respicirung der Militärjustiz in der obersten Instanz, hatte er die Leitung der Criminaljustiz der Residenz wie der Kurmark im Allgemeinen, wofür an Stelle der bisherigen Hausvoigtei im J. 1720 ein Kriegs-, Hof- und Criminalgericht zu Berlin begründet wurde. Dazu kam seine Thätigkeit als Decernent für die Justizsachen des General-Kriegscommissariats, das sich wenige Jahre darauf (Dec. 1722) zum Generaldirektorium erweiterte und K. somit die letzte Entscheidung über alle das Polizei- und Verwaltungswesen betreffenden Rechtssachen überließ. Endlich erschien er fast ohne Unterbrechung in den Sitzungen des Geh. Staatsraths und referirte dort über alle einschlägigen Sachen seiner diversen Ressorts. Auch der Bericht über die hier darüber gefaßten Beschlüsse an den König und die Ausführung von dessen Entscheidungen waren seine Sache. Seine seltene Arbeitskraft und Energie ermöglichten ihm dabei die ganze Gesetzgebungsarbeit aus der ersten Hälfte von Friedrich Wilhelms Regierung entweder selbst zu leiten oder mindestens zu überwachen. Diese reiche Thätigkeit lohnte der König durch seine Erhebung zum dirigirenden Minister und Vicepräsidenten des fünften (Justiz-)Departements beim General-Directorium gelegentlich der Begründung desselben im Januar 1723. K. wurde durch sein Patent dahin gewiesen, in allen Dingen seines Ressorts, d. h. allen Rechtsfällen der andern vier Departements des Directoriums, die oberste Leitung zu führen und für eine prompte und gerechte Justiz zu sorgen. Gleichzeitig wurde ihm sowol die Redaction aller aus dem General-Directorium emanirenden Edicte, Verordnungen und Verfügungen aufgetragen, als auch die Beseitigung alles dessen, was aus früheren übrig geblieben, dem jetzigen Zustande widersprach. Seine bisherige Thätigkeit wurde somit erweitert und fester normirt. Neu dagegen war die Stellung, die der König ihm den andern vier Ministern des General-Directoriums gegenüber in einer Geheimen Instruktion anwies. Danach sollte er auch die Thätigkeit dieser obersten Beamten der Krone überwachen. Ueber jede Unregelmäßigkeit, Nachlässigkeit, Parteilichkeit oder Intrigue sollte er dem Könige im Geheimen berichten, ohne Furcht und ohne Scheu, wogegen der König ihn seines Schutzes und seiner Gnade gegen Jedermann versicherte. Ob und in wie weit K. von dieser Befugniß Gebrauch gemacht hat, erhellt aus den Acten jener Zeit nicht. Es war dieß die letzte Consequenz, die der König in seinem System zog, alles, Personen wie Zustände, der schärfsten fiskalischen Kontrole zu unterwerfen. Und er wußte, wem er diese Aufgabe zuwies. Nebenbei leitete K. in seiner Eigenschaft als Generalauditeur die namhaftesten Militärprocesse, was natürlich nicht zur Verbesserung seiner persönlichen Stellung beitrug. Er war, [455] wie sich aus der Tradition seiner Zeit und der nächstfolgenden Generation ergibt, einer der bestgehaßten Männer seiner Epoche – ein Zeichen, daß er seiner eben so schwierigen wie undankbaren Aufgabe so gut als es anging gerecht wurde. Auch bei andern gesetzgeberischen Maßregeln von nachhaltigstem Einfluß war K. betheiligt. So soll er als der Erste auf den Vortheil der Allodification der Ritterlehen hingewiesen und diese Maßregel mit vorbereitet haben. Vier Jahre zuvor, 1713, war ihm vom Könige die Revision des Bartholdi-Sturmschen Entwurfs zur Reform des Justizwesens übertragen worden. Als Sam. v. Cocceji mit dem Entwurf zur Reform des Processes in der Kurmark betraut worden war, erhielt K. gemeinsam mit dem Minister Johann Heinrich v. Fuchs 1725 auch hier die Revision. Daraus erhellt gleichzeitig, daß seine praktische Thätigkeit zu groß war, als daß ihm die großen Gesetzreformen selbst hätten aufgetragen werden können. Als erster preußischer Justizminister, als ein Mann, der im Dienste seines Königs in einer schweren und rauhen Zeit unermüdlich und ohne Rücksicht auf sich bis zu seinem letzten Athemzuge thätig war, verdient K. einen ehrenvollen Platz in der Geschichte des Preußischen Beamtenthums.

Neben den Acten des Geh. Staatsarchivs zu Berlin, Cosmar und Klaproth, Geschichte des Preuß. Geh. Staatsraths. 404 und E. Friedländer, König Friedrich Wilhelms I. Entwurf zu der Instruktion für das General-Directorium und Königs Friedrichs II. Anmerkungen dazu, Zeitschrift für Preuß. Geschichte. Jahrg. 1880 S. 385–86.