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Artikel „Karsten, Hermann“ von Wilhelm von Gümbel in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 15 (1882), S. 425–427, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Karsten,_Hermann&oldid=- (Version vom 24. November 2024, 17:14 Uhr UTC)
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Karsten: Hermann K., Professor der Mathematik und Mineralogie an der Universität Rostock, Sohn des berühmten Metallurgen und Mineralogen Karl Johann Bernhard K. und Vetter des gleichnamigen Botanikers Hermann K., welcher gleichfalls mehrere geologische Abhandlungen schrieb, weshalb beide Gelehrte vielfach mit einander verwechselt werden. K. war geboren am 3. Sept. 1809 zu Breslau und starb am 26. Aug. 1877. Er besuchte zuerst die Bildungsanstalten seiner Geburtsstadt, dann nach Versetzung seines Vaters nach Berlin jene Berlins und bezog nach vollendeten Gymnasialstudien erst 16½ Jahre alt die Universität Bonn, um Jurisprudenz zu studiren. Doch die anererbte und von Jugend auf ihm innewohnende Neigung zu naturwissenschaftlichen und mathematischen Studien veranlaßte ihn schon 1827 der Jurisprudenz zu entsagen und auf der Universität Berlin den seiner Neigung entsprechenden Fächern sich zu widmen, die er mit solchem Eifer betrieb, daß er schon nach zwei Jahren, 1829, durch seine Dissertation: „De cristallographiae mathematicae problematicis nonnullis“ sich den Doctorhut in der Philosophie [426] erwarb. Zur Vervollständigung seiner Studien ging K. dann auf ein Jahr nach Königsberg, um unter Bessel’s Leitung auf der Sternwarte daselbst in astronomischen Arbeiten sich zu üben. So gründlich vorbereitet, habilitirte sich K. einem Lieblingswunsche seines Großvaters entsprechend im Frühjahr 1830 an der Universität Rostock für Mathematik und Mineralogie, wurde schon im folgenden Jahre zum außerordentlichen und nach weiteren fünf Jahren zum ordentlichen Professor der Mathematik ernannt. K. hielt aber nicht blos Vorlesungen über mathematische Fächer, sondern auch über Astronomie, Physik und Mineralogie und beschäftigte sich nebenbei vielfach mit mineralogisch-geologischen Gegenständen, wie eine eingehende Arbeit „Ueber das Vorkommen des Bernsteins an der preußischen Küste“ (Karstens Arch. II. 1830) beweist. Auch war K. schon seit 1830 als vorzüglich geschulter Astronom mit der Berechnung des Kalenders für Mecklenburg betraut, eine Arbeit, die er bis zu seinem Lebensende fortführte. In dieser Richtung publicirte K. den mecklenburgischen Kalender seit 1830 und den „Kleinen astronomischen Almanach, vorzüglich zum Gebrauch für Seeleute“ (1830–1850) und „Beitrag zur Berichtigung der Sterblichkeitstabellen“ (Rektoratsprogramm 1845). Das Ordnen der mineralogischen Universitätssammlung, für deren Vervollständigung er eifrig bemüht war, veranlaßte eine weitere geologische Publication: „Verzeichniß der im Rostocker Museum enthaltenen Versteinerungen der Tertiärformation“ (Rekt. 1849) und daran anschließend: „Versteinerungen aus dem Sternberger Gestein“ (Karsten’s Arch. XXIII. 1850). Mit dem J. 1854 wurde ihm überdies die Direction der Rostocker Navigationsschule übertragen und K. wendete sich in späteren Jahren mit Vorliebe der Nautik und den Bestrebungen des deutschen nautischen Vereins zu, dessen Vorstandschaft er 1874 übernahm. K. bekleidete wiederholt die Stelle eines Rektors der Universität und versah vielfache Ehrenstellen. Seit 1874 war er auch Mitglied der k. Leop. Carol. Akademie der Naturforscher. Er starb nach kurzer Krankheit in Folge einer Lungenentzündung am 26. August 1877 im Bade Reinerz in Schlesien. Außer den schon genannten Schriften Karsten’s sind noch zu verzeichnen: „Thermometerbeobachtungen während der Sonnenfinsterniß am 28. Juli 1851“ (Astr. Nachr. XXXIII. 1852); „Die Plänerformation in Mecklenburg“ (Ztschr. d. geol. Gesellsch. VI. 1854); „Krystallographie“ (in d. Allg. Encykl. d. Physik, Lief. I u. II. 1856); „Ueber die klimatischen Verhältnisse des Jahres 1858“ (Kiel, Mitth. d. Vereins Elbe, III. 1859); „Lehrbuch der Krystallographie“ (II. Bd. der Encykl. d. Physik v. G. Karsten, 1864); „Zur Geschichte der naturhistorischen Sammlungen der Rostocker Universität“ (Rector. 1874); verschiedene astronomische Beobachtungen (Astron. Nachr. 8, 9, 14, 16, 17, 20 u. 23).

Poggendorff, Biogr. Lex. I, 1229. Leopoldina, Heft XIII, 1877. 162.

K. war als „der alte Karsten“ eine der bekanntesten und allgemein bei allen Parteien, obwol er seine liberale Ueberzeugung nie verhehlte, beliebtesten Persönlichkeiten in ganz Mecklenburg. Sein Einfluß im bürgerlichen Leben, der zuletzt den wissenschaftlichen weit überwog, war daher ein tiefgreifender, welcher der Universität eine Einwirkung auf die verschiedensten Lebenskreise eintrug, die ihr sonst versagt gewesen wäre. Auch die Regierung wußte diese Vertrauensstellung in vielen Aufträgen zu würdigen. Außer den vielfachen Deputationen und Commissionen der Universitätsverwaltung, die er leitete oder denen er angehörte, war er Vorsitzender der Navigations-Prüfungsbehörden zu Rostock und Wustrow, Ausschußmitglied des Vereins für Rettung Schiffbrüchiger, der die entscheidende Stimme führte, Vorsitzender des Landesausschusses des mecklenburgischen Landesvereins der Kaiser Wilhelm-Stiftung für deutsche Invaliden, [427] den er vorzugsweise mit begründete. Als ständiger Secretär des „Rostocker Distrikts des Patriotischen Vereins", war er der eigentliche Leiter dieses wesentlich landwirthschaftlichen Vereines. Ein vielseitiger Freund der Künste, stand er an der Spitze des mecklenburgischen Sängerbundes wie des Kunstvereins, dem die Gemäldeausstellungen des norddeutschen Kunstvereins in Mecklenburg zu verdanken waren. Sein Versuch, in den letzten Lebensjahren die alte wichtige Matrikel der Universität Rostock zum Abdruck zu bringen, kam nicht zur Ausführung.