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Artikel „Jordan, Charles Etienne“ von Theodor Hirsch in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 14 (1881), S. 504–506, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Jordan,_Charles_Etienne&oldid=- (Version vom 26. Dezember 2024, 02:42 Uhr UTC)
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Jordan: Charles Etienne J., geb. zu Berlin am 27. August 1700, † am 23. Mai 1745, der Freund Friedrichs II. Aus einer bürgerlichen Familie, die aus der Dauphiné der Religion wegen vertrieben, in die französische Colonie in Berlin eingewandert war, entstammend, wurde er von seinem Vater als der dritte Sohn frühe für den geistlichen Stand bestimmt. Obgleich dies den Neigungen des Sohnes nicht entsprach, so bereitete sich dieser dennoch mit allem Ernst, Eifer und Fleiß anfangs in Magdeburg unter Leitung seines Oheims, eines Predigers, darauf 1719–21 auf den Hochschulen zu Genf und Lausanne auf seinen Beruf vor, betrieb aber zugleich, namentlich nachdem er 1721 nach Berlin zurückgekehrt, mit dem gelehrten La Croze in nähere Verbindung getreten [505] war, sprachliche und philosophische Studien. 1724 als französischer Prediger nach Potzlow in der Uckermark und von hier 1727 nach Prenzlau berufen, genoß er hier fünf Jahre (1727–32), mit Susanne Perréault vermählt, ein glückliches Familienleben und entfaltete eine rege schriftstellerische Thätigkeit theils auf dem Gebiete der Theologie unter dem angenommenen Namen Cranzius a Fluvio in einem „kritischen Briefwechsel, betreffend Calvin’s Leben“, der von einem Amtsbruder anscheinend wegen freigeisterischer Ansichten bekämpft zu einer litterarischen Fehde Anlaß gab, theils auf dem Gebiete der schönen Wissenschaften in einer lateinischen Abhandlung über Jordanus Bruno (Prentzlow 1726) und einem „Recueil de Littérature, de Philosophie et d’Histoire“ (Amsterdam 1730). Der Tod seiner Frau im März 1732, die ihm zwei Töchter geboren hatte (deren eine später den Akademiker Merian heirathete) und eigene schwere Erkrankung bestimmten ihn, sein geistliches Amt aufzugeben und in Berlin sich niederzulassen, von wo er 1733 eine Reise nach Frankreich, England und Holland ausführte, auf welcher er nicht sowol der Natur, als dem litterarischen Leben jener Länder und ihren bedeutenden Gelehrten sein Interesse zuwandte, und deren Ergebnisse er nach seiner Rückkehr in seiner „Histoire d’un voyage litéraire fait en 1733“ ct. (à la Haye. 1735) veröffentlichte. Durch diese Arbeit und überdies durch den früheren sächsischen Minister v. Manteuffel dem preußischen Kronprinzen empfohlen, wurde er im September 1736 nach Rheinsberg berufen. Zunächst mit litterarischen Aufträgen, dann einer Uebersetzung von Chr. Wolff’s Moral ins Französische und der Durchsicht der französischen Arbeiten des Prinzen beschäftigt, gewann er bald das besondere Vertrauen desselben, wurde in seinen näheren Freundeskreis gezogen und in seinen poetischen Ergüssen als Hephästion[WS 1] und Tindal[WS 2] besungen; ganz besonderts gefiel dem Fürsten, daß der gelehrte Mann sein Wissen auch für das praktische Leben zu verwerthen verstand. Sobald daher Friedrich 1740 den Thron bestiegen hatte, ernannte er J. zum geheimen Rath und wies ihm seine Thätigkeit theils im französischen Oberdirectorium an, theils übertrug er ihm die Oberaufsicht über die Hospitäler, Waisenhäuser und Universitäten. In diesen Aemtern machte sich J. insbesondere durch zweckmäßige Einrichtungen zur Beseitigung der Straßenbettelei Berlins sehr verdient, nämlich durch die Anlage eines Arbeitshauses, in welchem bald 1000 Menschen durch geregelte Arbeit dem vagabundirenden Leben entzogen wurden, nicht minder durch die Besetzung der Professuren mit geeigneten Docenten. Daneben setzte J. seine gelehrten Studien fort und verwerthete sie zu einer Geschichte des Lebens und der Werke seines Lehrers La Croze (Amsterdam 1741) und für die 1744 erneuerte und umgestaltete Akademie der Wissenschaften in Berlin, zu deren Vicepräsident ihn der König ernannte. Noch höher schätzte dieser, was J. als Genosse seiner litterarischen Bestrebungen und als persönlicher Freund ihm war. Ueber dieses zwischen dem Könige und bis an den Tod andauernde innige Verhältniß liegen uns drei gleich gewichtige Zeugnisse vor, in ihrem Briefwechsel, in dem Ehrengedächtnisse (Eloge de Mr. Jordan), das Friedrich dem Freunde bald nach seinem Tode widmete, und in dem Marmordenkmale, auf das er die einfachen Worte: „Ci gît Jordan l’ami des Muses et du Roi“ setzen ließ. In der That konnte der Natur des großen Königs nicht leicht Jemand sympathischer sein als ein Mann, der den nach geistiger Erhebung und Erweiterung seiner Kenntnisse in seinen Mußestunden sich sehnenden Fürsten durch seine Vielseitigkeit und geistreiche Auffassung des Stoffes in vollem Maße befriedigen konnte, der dabei von lebhaftem Interesse für das religiöse Leben erfüllt, die Abneigung seines Königs gegen die dogmatischen Systeme der Theologen theilte, und der endlich, während er durch manche Schwächen, insbesondere durch die Zaghaftigkeit, welche er im Feldzuge von 1741, wo er in [506] Friedrichs Begleitung sich befand, bewies, den sarkastischen Neigungen des Herrschers manche Blößen darbot, dennoch dadurch, daß er die Ausfälle desselben mit großer Freiheit zu erwidern verstand, vor allem aber durch eine sich stets gleichbleibend edle und herzgewinnende Haltung die Achtung seines Fürsten in dem Maße wahrte, daß dieser ihm selbst in seine politische Thätigkeit tiefern Einblick gestattete und bedenkliche Schritte, die die Diplomatie zu thun ihn nöthigte, z. B. den Abschluß des Berliner Friedens 1742, vor seinem Freunde zu rechtfertigen sich gedrungen fühlte. Der nach vorhergegangener langer Krankheit während des zweiten schlesischen Krieges erfolgte Tod Jordan’s erfüllte Friedrich mit lange nachwirkendem Schmerze.

Frédéric II. Oevr. XI u. XVII. Müller-Küster, Berliner Chronik, V.


Anmerkungen (Wikisource)

  1. Hephaistion * um 360 v. Chr., makedonischer Adeliger, der engste Freund Alexanders des Großen.
  2. Matthew Tindal (1657–1733), Vertreter des Deismus in England