ADB:Johann (Herzog von Görlitz)

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Artikel „Johann (Herzog von Görlitz)“ von Theodor Lindner in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 14 (1881), S. 216–218, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Johann_(Herzog_von_G%C3%B6rlitz)&oldid=- (Version vom 3. Oktober 2024, 20:56 Uhr UTC)
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Johann, Herzog von Görlitz, geb. 1370, † am 1. März 1396, war das vierte Kind des Kaisers Karl IV. aus dessen vierter Ehe mit Elisabeth von Pommern. Nach der Sitte der Zeit wurde das Knäblein bereits am 1. Mai 1376 mit einer Tochter des Herzogs Albrecht II. des Großen von Mecklenburg verlobt. Um ihm für die Zukunft ein standesgemäßes Leben zu sichern, befahl Karl im Januar 1377 dem Rathe von Görlitz, J. zu huldigen, da er denselben [217] zum Herzoge von Görlitz gemacht habe, „wo ein besonderes Fürstenthum sein soll, das bei der Krone Böhmen zu Lehen geht“. Dasselbe umfaßte nur die Stadt und deren vogteilichen Bezirk, doch fügte Karl bald darauf noch einen Theil der Niederlausitz und wahrscheinlich auch die Neumark hinzu. Nach des Vaters Tode behielt J. das Herzogthum Görlitz, in der Niederlausitz gebot er gemeinsam mit dem Könige Wenzel, die Neumark kam 1381 an den älteren Bruder Sigmund, den Markgrafen von Brandenburg, wenn J. auch in den Urkunden den Titel derselben weiterführte. Die ersten Jahre nach Karls Tode brachte der junge Prinz meist in Görlitz zu, wo ihn seine Mutter oft besuchte, während Wenzel die Vormundschaft führte. Da sich zwischen beiden Brüdern ein inniges Verhältniß bildete, hielt sich J., als er mehr heranwuchs, gewöhnlich am königl. Hofe in Prag auf, bis er im April 1386 zum Verweser des Herzogthums Luxemburg ernannt wurde, wohin er sich sogleich begab. Aber schon im November desselben Jahres erscheint er wieder in Görlitz und obgleich er sich Herzog von Luxemburg nennen ließ, hat er doch das Land nicht wieder betreten. Da die ihm früher verlobte mecklenburgische Prinzessin wahrscheinlich inzwischen eine andere Ehe eingegangen und die Absichten Wenzels, ihm die Hand der schönen und reichen Valentine, der Tochter Galeazzos von Mailand zu verschaffen, sich zerschlagen hatten, führte J. die Tochter Albrechts III., Herzogs von Mecklenburg und Königs von Schweden, heim. Vermuthlich hieß sie Richardis, schon Ende 1386 war sie in Görlitz, doch mag die Hochzeit erst Anfang 1388 vollzogen worden sein. Fortan nahmen die Vorgänge und Verwickelungen in der königlichen Familie seine Aufmerksamkeit und Thätigkeit in Anspruch. Durch die Verhandlungen, welche Sigmund seit längerer Zeit mit dem Markgrafen Jost von Mähren über die Verpfändung der Mark Brandenburg führte, wurde J., welchem das nächste Erbrecht auf dieselbe zustand, tief berührt; er gab seine Genehmigung erst dann, nachdem ihm die Neumark überwiesen und Aussicht auf die böhmische Thronfolge eröffnet worden. Fortan schrieb er sich: Markgraf zu Brandenburg und zu Lausitz und Herzog zu Görlitz. Es war um dieselbe Zeit, daß Wenzel selbst daran dachte, ihm auch die Nachfolge auf den deutschen Thron zu eröffnen; dadurch wurde die bereits bestehende Rivalität mit dem ehrgeizigen Markgrafen Jost noch vermehrt. Die nächsten Jahre füllten die vergeblichen Versuche des Herzogs, die Neumark an den deutschen Orden zu verpfänden; auch hier traten Jost und Sigmund hindernd dazwischen. Als daher Jost sich immer offener bemühte, Wenzel zu verdrängen, trat J. entschieden auf des letzteren Seite, doch mißglückte gleich sein erster Versuch, den Markgrafen Wilhelm von Meißen von den Gegnern abzuziehen. Als jedoch der König am 8. Mai 1394 von Jost und den böhmischen Landherren gefangen wurde, trat J. sehr entschieden auf und wurde daher von der königlichen Partei als rechter Herr und Verweser der Krone Böhmens und rechtmäßiger Thronerbe anerkannt. Während er die deutschen Reichsfürsten um Hülfe anrief, traf er selbst umfangreiche kriegerische Rüstungen, denen der König hauptsächlich seine Freilassung zu verdanken hatte. Da jedoch die vorhandenen Mittel nicht ausreichten, die Gegner völlig niederzuwerfen und der schwankende König keinen Verlaß bot, suchte J. um jeden Preis den Frieden wiederherzustellen und ließ sich dadurch zu einem sehr bedenklichen Vertrage mit Jost und Wilhelm bewegen. Die Gewaltthat des Königs gegen den mährischen Markgrafen vernichtete die Aussöhnungsversuche, welche der Herzog nicht ohne Erfolg begonnen hatte, und durch den neu ausgebrochenen Krieg in die unerquicklichste Lage versetzt, erkannte er als einzige Rettung, selbst in den Bund der Landherren einzutreten. Diese waren nun damit einverstanden, daß J. im August 1395 zum [218] Hauptmann von Böhmen ernannt wurde, mit der Vollmacht, die Verhandlungen zu einem Ende zu führen. Doch Wenzel, ermuthigt durch den Tod des Herzogs Albrecht III. von Oesterreich, widerrief diese Ernennung schon nach zwei Monaten, so daß J. nun selbst gegen den König auftrat. Zwar erfolgte gegen Ende des Jahres wieder eine Aussöhnung, aber nur für kurze Zeit. Denn der König, welcher behauptete, J. habe ihn durch Ueberschreitung seiner Vollmachten getäuscht, erschien im Januar 1396 plötzlich in Prag und befahl dem Bruder, die Stadt zu verlassen. Gekränkt zog sich dieser in die Niederlausitz zurück; am 2. März im Kloster Neuzelle fand man ihn früh todt im Bett, nachdem er am Abend vorher noch gesund gewesen war. Ob er vergiftet worden, wie Zeitgenossen behaupten, muß unentschieden bleiben. Ihn überlebten seine Wittwe und eine Tochter Elisabeth, welche später den Herzog Anton von Burgund heirathete. – J. neigte zur Verschwendung und zu sittlichen Ausschweifungen, so daß er in seinen Erblanden keinen guten Nachruhm hinterließ; dagegen hat seine politische Thätigkeit gezeigt, daß er nicht ohne Einsicht und frei von treulosen Ränken war.

Vgl. Theodor Lindner, Geschichte des Deutschen Reiches unter König Wenzel, 1. u. 2. Bd., wo das gesammte gedruckte und ungedruckte Material angegeben ist.