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Artikel „Hugo, Karl“ von Franz Brümmer in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 50 (1905), S. 504–506, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Hugo,_Karl&oldid=- (Version vom 23. Dezember 2024, 15:07 Uhr UTC)
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Hugo: Karl H., dramatischer Dichter, heißt mit seinem wahren Namen Karl Hugo Amber Bernstein (Börnstein) und wurde 1808 in Budapest von armen jüdischen Eltern geboren. Der Vater wollte einen Kaufmann aus dem Sohne machen, während dieser Schauspieler werden wollte; die Mutter löste den Conflict, indem sie ihren Sohn zum Studium der Chirurgie bestimmte, [505] welchem derselbe auch an der heimathlichen Universität oblag. Um die ihm zum Rigorosum fehlenden Mittel zu beschaffen, trat er für 20 Monate in das Militär ein und deckte mit dem Ersparten die zum Rigorosum nöthigen Kosten. Bei Ausbruch der polnischen Revolution von 1830 ging H. nach Warschau und wurde zum Stabsarzt in der polnischen Armee ernannt. Nach dem Falle Warschaus trat er für kurze Zeit in russische Dienste und kehrte dann in die Heimath zurück, wo er die ärztliche Praxis aufnahm. Die Erfolge der Homöopathie in der ersten Choleraepidemie machten auch H. zu einem begeisterten Anhänger derselben. Dadurch wurde er mit Hahnemann, dem Vater der Homöopathie, bekannt, der ihn zu sich nach Paris einlud. H. begab sich 1839 dorthin, vernachlässigte aber sehr bald die Medicin und wandte sein ganzes Interesse der französischen Bühne zu. Sein Drang nach Unabhängigkeit und die fixe Idee, die deutschen Theater reformiren zu wollen, trieb ihn schon 1840 wieder aus Paris fort. Ueber Hamburg, wo er 1840 auf Subscription seine gesammelten Gedichte, „Sehnsuchtsklänge eines wandernden Hagestolzes“ herausgab, und Altona, wo er unter dem Namen Bern auf der Bühne debütirte, ging er 1841 nach Wien, dessen Hofburgtheater dem Ideale, das er sich von der Bühne gemacht hatte, am nächsten kam. Seine Praxis als Arzt ließ ihm Muße genug, sich als dramatischer Schriftsteller zu bethätigen. Zuerst veröffentlichte er zwei vieractige Dramen, „Das Schauspiel der Welt“ und „Der Stein der Weisen“, die gemeinschaftlich unter dem Titel „Die große Fibel in zwei dramatischen Dichtungen“ (1844) erschienen, und von denen H. Kurz rühmt, daß sie schöne poetische Anschauungen und kräftig gestaltete Charaktere darbieten. Bedeutender noch ist sein nächstes Drama „Brutus und Lucretia“ (1845), das nach H. Lorm mit größerem Verständniß des Alterthums geschrieben ist als Ponsard’s bekanntes Stück „Lucretia“. Es erlebte aber keine Aufführung, und enttäuscht wandte sich H. nach seiner Heimath. Hier begann er ungarische Stücke zu schreiben und dann ins Deutsche zu übersetzen; eines derselben „Ein ungarischer König“ wurde am 2. Juni 1846 in Pest aufgeführt und erschien 1847 u. d. T. „Ein Ungarkönig“ im Buchhandel; auch seine Erstlingswerke brachte er in ungarischer Uebersetzung und einer bühnengerechten Fassung auf die Bühne. Nachdem er dann noch eine Sammlung lyrischer Gedichte, „Psalmen eines armen Poeten“ (1846) veröffentlicht hatte, welche R. Gottschall als „grillenhafte Jeremiasklänge“ bezeichnet, wandte er sich 1847 abermals nach Paris, wo er die Stücke „La Comédie infernale“ und „L’Iliade finie“ schrieb, aber in dem Aufschwung, den sein Geschick an der Seine erhoffte, durch die 1848 ausbrechende Revolution gehindert wurde. Er übte daher in Paris die homöopathische Arzneipraxis aus und verließ erst 1858 diese Stadt, um in die Heimath zurückzukehren. Im folgenden Jahre ging er nach Berlin, wo er die Freude hatte, sein Stück „Baron und Bankier“ (geschrieben 1846, veröffentlicht als „Der Kaufmann von Marseille“, 1859) unter dem Titel „Die Ehre des Hauses“ an der königlichen Hofbühne aufgeführt zu sehen. Nur drei Personen treten in dem Stücke auf, und doch versetzte es die Hörer in die größte Spannung. Dieser erste große Erfolg scheint dem Dichter zu Hirne gestiegen zu sein; durch sein dünkelhaftes Auftreten als „Vorleser und Mime ersten Ranges“ heftete er den Fluch der Lächerlichkeit an seine Fersen, der sich noch vergrößerte, als er in einem Inserat der „Kreuzzeitung“ sich als „Fürst der Poesie“ bezeichnete und den vierten Band seiner „Memoires terribles d’un martyr monstre“ (die drei ersten Bände sind nie erschienen) u. d. T. „Karl Hugo Amber Bernstein oder das gemaßregelte Genie“ (1862) herausgab. Er wandte Berlin den Rücken und kehrte nach Ungarn zurück, nahm aber von [506] Zeit zu Zeit den Wanderstab in die Hand, um in größeren Städten seine Dramen vorzulesen oder „cantomimische Soireen“ zu geben, die oft an seiner Zurechnungsfähigkeit zweifeln ließen. In Pest construirte er ein eigenes System der – Erpressung (anders kann man es nicht bezeichnen), das er die „Hugologie“ oder „Hugologik“ nannte; er betrieb dieses System mit vielem Cynismus in einem periodisch erscheinenden Blättchen, „Die Fuchtel“, in welchem er die Größen des Tages in scheinbar wahnwitziger Weise zuerst durchhechelte und dann – anbettelte. Jahre lang hat er von diesen milden Pränumerationsspenden und von anderen Wohlthaten gelebt; es blieb ihm sogar noch immer soviel davon, um zur Winterzeit das milde Klima Italiens aufzusuchen. Gewöhnlich nahm er seinen Wohnsitz in Florenz, wo ihn jedes Kind als den Poeta Ungharese kannte und neckte. In Mailand ist er am 15. November 1877 gestorben.

Wurzbach’s Biogr. Lex. IX, 413. – Kürschner’s Jahrbuch f. das dtsch. Theater. 1. Jahrg. 1879, S. 50. – Tagesblätter aus dem Novbr. 1877.