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Artikel „Holdheim, Samuel“ von Immanuel Heinrich Ritter in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 12 (1880), S. 734–735, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Holdheim,_Samuel&oldid=- (Version vom 22. November 2024, 00:38 Uhr UTC)
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Holdheim: Samuel H., jüdischer Theologe, geb. 1802 zu Kempen, Provinz Posen, † am 22. August 1860 zu Berlin als Prediger der dortigen jüdischen Reformgemeinde. Seine Jugendjahre widmete er ausschließlich dem Studium des[WS 1] Talmud, in dessen dialectischer Methode er bei seinem ungewöhnlichen Scharfsinn [735] rasch zur Meisterschaft gelangte. Später, als er sich im Umgange mit gebildeten jungen Leuten, die er im Hebräischen unterrichtete und auf den Universitäten zu Prag und Berlin auch humanistisches und philosophisches Wissen in reichlichem Maße angeeignet hatte, trat er als Lehrer des Judenthums auf und bemühte sich zu zeigen, daß dieses bei richtiger Anwendung der talmudisch-rabbinischen Interpretationsweise alle religiösen Wahrheiten entfalte. Im J. 1836 ward ihm, der sich bereits einen bedeutenden Namen gemacht, von der Gemeinde zu Frankfurt a. O. das Amt eines Rabbiners daselbst übertragen, als welcher er noch ganz im Sinne der hergebrachten Ritualgesetze fungirte. Aber theoretisch schritt er schon damals zu einer höheren Auffassung von der Bedeutung der jüdischen Symbole fort, und als das Studium der Schriften von Zunz, Geiger u. A. seinem Nachdenken einen weiteren Horizont eröffnete, fühlte er sich berufen die wissenschaftliche Behandlungsweise jener Schriften auch auf die Lehren und Grundsätze des Talmud anzuwenden und diesen durch seine eignen Consequenzen zu neuen mit den Forderungen der Gegenwart in Einklang stehenden Resultaten zu führen. In diesem Streben sah er sich durch die 1840 übernommene Stellung eines Landrabbiners von Mecklenburg-Schwerin wesentlich gefördert. Die dortige Regierung stand ihm in seinen Bemühungen um die Hebung der synagogalen Andacht und des jüdischen Unterrichtswesens helfend zur Seite und die fanatischen Gegner suchten vergebens die angebahnten Reformen rückgängig zu machen. In die Mecklenburger Periode 1840–1847 fällt auch das Epoche machende Werk Holdheim’s über „Die Autonomie der Rabbiner“, 1843, worin er zum ersten Male mit aller Schärfe die Scheidung des rein Religiösen vom Nationalen und Politischen verlangt und nach der Auflösung des jüdischen Staates nur das erstere für berechtigt im Judenthum anerkennt, hingegen alles National-Politische, insbesondere die rabbinische Jurisdiction, beseitigt wissen will. Später entwickelte er in anderen Schriften weitere Folgerungen aus diesem Princip, indem er es auf die Beschneidung 1844, auf die Messiasidee 1845, auf den Cultus 1846, auf den Eid 1849 und auf die Ehe 1850 anwendete. Da nun H. auch bei den deutschen Rabbinerversammlungen (1844–46) seine Ueberzeugung mit furchtloser Consequenz und mit großer Energie vertheidigte, so ward er allmählich als Vorkämpfer und rückhaltlosester Verfechter der Umgestaltungen im Judenthum angesehen und im J. 1847 von der jüdischen Reformgemeinde in Berlin als deren Rabbiner und Prediger berufen. Hier hatte er nun Gelegenheit sowol auf der Kanzel als in den Gebetordnungen der Gemeinde, in Lehrbüchern und in geharnischten Streitschriften die ganze Fülle seines fruchtbaren Geistes und seines thatkräftigen Strebens kundzuthun. Die fortgesetzte angestrengte Thätigkeit lähmte aber frühzeitig seine körperliche Kraft und nach kurzer Krankheit verschied er im Sommer 1860, nachdem er eben eine größere Abhandlung über die Streitfragen der Sadducäer und Pharisäer in hebräischer Sprache vollendet hatte und somit zu dem Idiom seiner Jugend zurückgekehrt war.

Eine ausführliche Behandlung der Schriften und Leistungen Holdheim’s findet man bei Ritter, Geschichte der jüd. Reformation. Bd. III: Samuel Holdheim, Sein Leben u. seine Werke, Berlin 1865.


Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: es