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Artikel „Herz, Markus“ von Ludwig Geiger in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 12 (1880), S. 260–262, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Herz,_Markus&oldid=- (Version vom 7. Oktober 2024, 17:41 Uhr UTC)
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Herz: Markus H., Arzt und Philosoph, geb. in Berlin am 17. Januar 1747, † daselbst am 19. Januar 1803. Er wurde von seinen jüdischen Eltern zum Handel bestimmt und zur Erlernung desselben in seinem 15. Lebensjahre nach Königsberg geschickt. Hier wendete er sich aber, seiner Neigung folgend, dem Studium der Philosophie und Medicin zu, wurde von seinem Lehrer Kant größter Beachtung gewürdigt und von ihm, bei seiner Rückkehr nach Berlin (1770) mit Empfehlungsschreiben an Mendelssohn, Lambert und Sulzer versehen. Hier erhielt er sich durch Schriftstellerei und kleine Stellungen, die er bekleidete, setzte dann, durch seinen Freund David Friedlaender unterstützt, seine medicinischen Studien in Halle fort und erwarb daselbst 1774 die Doctorwürde. Nach Erlangung derselben ließ er sich als praktischer Arzt in Berlin nieder, heirathete 1779, verfiel 1782 in eine schwere Krankheit, aus der er glücklich gerettet wurde (vgl. seinen Bericht in Moritz, Magazin für Erfahrungsseelenkunde, 1783, I. 2. S. 44–73), wurde Arzt am jüdischen Krankenhause und einer der gesuchtesten Aerzte seiner Glaubensgenossen, erhielt 1785 von dem [261] Fürsten von Waldeck den Titel eines Leibarztes und Hofrathes, 1787 vom König Friedrich Wilhelm II. von Preußen die Würde eines Professors mit einem jährlichen Gehalt. Ursache dieser letztern Ernennung waren die Vorlesungen, welche H. seit 1776 vor einem auserwählten Zuhörerkreise, zu dem Mitglieder des königlichen Hauses, der Minister Zedlitz, die Brüder Humboldt gehörten, über Medicin, Experimentalphysik und Philosophie hielt. Durch diese Vorlesungen, für welche er Grundrisse und Compendien drucken ließ, belehrte er Studirende und Dilettanten, in seinen Schriften sprach er zu seinen Fachgenossen. Von den medicinischen Schriften, über die mir kein Urtheil zusteht, sind zu nennen: „Briefe an die Aerzte“, 2. Aufl. 2 Bde., Berlin 1784, welche von Kant gelobt wurden; „Versuch über den Schwindel“, 1786, 2. Aufl. 1791, und „Ueber die Brutalimpfung und deren Vergleichung mit der humanen“, welche, gegen die damals noch gebräuchliche Kuhpockenimpfung, die Impfung von Mensch auf Mensch befürwortend, Zustimmung, aber auch lebhafte Bekämpfung fand. Die Briefe an Aerzte, welche dazu bestimmt sind, selbständig gemachte Erfahrungen hervorragenden Collegen mitzutheilen, sind gerichtet an Prof. Goldhagen in Halle, an Cothenius (A. D. B. IV. 517 ff.), an Hofrath Marx in Hannover, mit welchem H. wegen dieses Briefes in eine litterarische Fehde gerieth, an den Leibarzt Baron v. Quarin in Wien, und an den berühmten Zimmermann, mit dem H. vielleicht durch den gemeinschaftlichen Freund Sulzer in Berührung gekommen war. In diesen medicinischen Schriften versuchte er Medicin und Philosophie mit einander zu vereinigen, er beklagt die unbillige Verachtung der Psychologie bei dem großen Haufen der Aerzte; er wünschte nicht, wie er einmal gelegentlich ausspricht, „seine Talente auf das bloße Curirwerk zu verwenden“. In seinen philosophischen Schriften schloß er sich an Kant an, mit dem er seit 1770 einen allerdings nicht sehr häufigen Briefwechsel unterhielt. Die erste philosophische Schrift, von H. in seinen Studienjahren geschrieben: „Betrachtungen aus der spekulativen Weltweisheit“, Königsberg 1771, ist eine Erläuterung und Weiterführung einer 1770 erschienenen lateinischen Schrift Kant’s, der ebenso wie Mendelssohn von dem jugendlichen Verfasser sehr gerühmt wird; seine Hauptschrift ist der 1776 zuerst veröffentlichte, 1791 umgearbeitete Versuch über den Geschmack und die Ursachen seiner Verschiedenheit, in welchem, unter Rücksichtnahme auf Lessing’s und Herder’s Untersuchungen, das Thema gründlich erörtert wird und die Griechen als Träger des guten Geschmacks gepriesen werden (S. 217 Anm. ein freundliches Wort für die Juden). Außer seiner medicinischen und philosophischen Schriftstellerthätigkeit ist seine Bemühung für die sittliche und geistige Hebung seiner Glaubensgenossen zu erwähnen. H. gehörte zu den Freunden und Schülern Moses Mendelssohn’s, die, dem Meister aufs innigste ergeben, gleich ihm durch Wort und Schrift sich bemühten, die Juden für deutsche Kultur empfänglich zu machen und ihre äußere Stellung zu verbessern. Mit Witz vertheidigte er sie in: „Freimüthige Kaffeegespräche zweier jüdischer Zuschauerinnen über den Juden Pinkus“, Berlin 1772, mit Schärfe griff er eine ihrer gefährlichen Unsitten in der Schrift: „Ueber die frühe Beerdigung der Todten“, 1787, an. Witz und Schärfe waren seine hervorragenden Eigenschaften; noch heute werden manche seiner scharfen Bemerkungen und witzigen Antworten erzählt (vgl. Beobachter an der Spree, 1805, S. 413; gegen H. das. 1802, S. 68 ff.). Er war mit den hervorragenden Gelehrten Berlins, Engel, K. Ph. Moritz u. A. befreundet, auch Lessing stand er nahe (ein Fragment von ihm: „Briefe an die Aerzte“, I. S. 222–225); an dessen Werken konnte er sich erlaben, während er an Goethe und später an den Romantikern keinen Gefallen fand.

[262] Schlichtegroll, Nekrolog d. Deutschen, Gotha 1805, III. Bd. S. 27–56. Kant’s Werke herausgegeben von Rosenkranz, XI. S. 18–69. M. Mendelssohn’s Werke, V. S. 555–575 und Henr. Herz, Erinnerungen.