ADB:Herbort von Fritzlar
W. Grimm, Ueber Freidank, 1850, S. 46, noch im 12. Jahrhundert) unternahm er, wol noch als junger Mann, eine poetische Bearbeitung des Trojanerkriegs. Die Anregung dazu erhielt er durch den Landgrafen Hermann von Thüringen, den eifrigen Förderer der deutschen Poesie; dieser hatte die französische Quelle, der Herbort folgte, durch einen Grafen von Leiningen erhalten. Herborts „liet von Troie“ ist die älteste deutsche Bearbeitung der Trojanersage, wenigstens die älteste uns erhaltene, denn es gab solcher schon vor ihm (vgl. den Eingang von Heinrichs v. Veldeke Eneide und Herbort V. 60. 71. 81). Herbort nahm sich Heinrich v. Veldeke zum Muster, zu dessen Eneide seine Dichtung eine Art Einleitung oder Ergänzung bilden sollte; aber auch Lamprechts Alexander ist nicht ohne Einfluß auf ihn gewesen und in den Schlachtschilderungen erinnert er mehr an diesen als an jenen. Die Form seines Gedichts ist die der gewöhnlichen Reimpaare zu vier Hebungen, doch hat er in einem Abschnitte elf Mal hinter einander vierfachen Reim angewendet. Die Sprache Herborts ist nicht rein oberdeutsch, sondern trägt, der Heimath des Dichters entsprechend, entschieden mitteldeutschen Charakter. Seiner französischen Quelle, welche wir in dem Roman de Troie des normännischen Trouvère’s Benoit de Sainte More (herausgegeben von [118] Joly, Paris 1870) besitzen, schließt sich Herbort genau an. Auch den geographischen Excurs, welchen Benoit aus der Kosmographie des Honorius eingeflochten, hat er beibehalten, wiewol er ihn sehr langweilig findet. Im einzelnen erlaubt er sich manche Kürzungen, namentlich in den langen Reden und den Schlachtbeschreibungen, und nur ein Mal (V. 5479-5871) hat er eine solche Kampfscene, der nichts im französischen Original entspricht. Trotz des höfischen Vorbildes eines Heinrich v. Veldeke ist doch Herbort viel derber und weniger höfisch ; er verräth eine gewisse Neigung zum Gräßlichen und fällt nicht selten ganz aus dem höfischen Tone heraus, der zu seiner Zeit in der Poesie durch Hartmann von Aue schon begründet war. Die schöne Scene des Abschiedes von Hector und Andromache hat bei Herbort ein unschönes Nachspiel, indem sich Andromache dann in Zorn und Verzweiflung an Priamus wendet und ihn mit einer Fluth gemeiner Schmähungen und Schimpfwörter überhäuft, die auf Rechnung des deutschen Bearbeiters kommen. Dagegen sind andere Züge bei Herbort schön und gemüthvoll, so die Worte, die er den Achill dem gefallenen Hector nachrufen läßt. Sein ehrliches und redliches deutsches Gemüth tritt uns entgegen, wenn er gleich im Eingang seines Gedichtes sich gegen seine Quelle ausspricht, die dem treulosen Pelias hohes Lob ertheile; er könne einem untreuen Manne, auch wenn derselbe alle Tugenden besäße, kein Lob spenden. Auch sonst macht sich deutsche Anschauung vielfach geltend, in Beziehungen auf deutsche Mythologie, deutsche Sitten, Gebräuche und Rechtsgewohnheiten. Wenn er auch des Französischen ziemlich mächtig ist, so laufen doch manche Mißverständnisse des Originals mit unter. So macht er aus dem maistre donjon, dem Hauptthurme der Burg, einen Meister, Namens Donjon, und ähnliches, was übrigens den meisten mittelhochdeutschen Dichtern jener Zeit einmal passirt ist. - Herbort ist kein hervorragendes dichterisches Talent; er gesteht sein Unvermögen selbst ein, einen so gewaltigen Stoff zu verarbeiten, und bezeichnet den Stoff als einen mühsam zu ersteigenden Berg. Im Vergleiche mit denen, die vor ihm diesen Stoff in deutschem Gedichte behandelt (mit Hinblick auf Heinrich v. Veldeke, nennt er sich das vierte Rad (wir würden sagen, das fünfte Rad am Wagen) und tröstet sich damit, daß, wenn er nichts nütze, er doch auch nichts schade. „Ich bearbeite doch die Straße, die sie gelassen haben, und übe meinen Sinn daran, der hart und träge ist, daß ich ihn biegsam mache.“ Aehnlich äußert er sich am Schlusse: man dürfe es nicht hoch anschlagen, daß er etwas dichten könne; dennoch habe er sich Dichtens angenommen mit anderen Dichtern, deren Schaar er mehren wolle, andern Ruhm begehre er nicht. - Vielleicht ist H. auch der Verfasser eines verloren gegangenen Dramas vom heiligen Otto; als Dichter desselben wird ein Scholasticus Herbort genannt.
Fritzlar: Herbort v. F., Dichter aus der Stadt Fritzlar in Hessen. Er bezeichnet sich selbst als einen „gelarten schulere“, und war unzweifelhaft geistlichen Standes, worauf auch seine classische Bildung (er kennt Ovid’s Dichtungen) hinweist. Im ersten Jahrzehnt des 13. Jahrhunderts (nach- Herausgegeben nach der einzigen vollständigen Handschrift in Heidelberg (zu der neuerdings noch ein Fragment gekommen: Zeitschrift f. deutsches Alterthum, 21, 203 ff.) von G. K. Frommann, Quedlinburg u. Leipzig 1837; vgl. dazu Frommann im 2. Bande von Pfeiffer’s Germania.