Empfohlene Zitierweise:

Artikel „Hennings, August“ von Wilhelm Wattenbach in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 11 (1880), S. 778–780, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Hennings,_August&oldid=- (Version vom 21. November 2024, 16:06 Uhr UTC)
Allgemeine Deutsche Biographie
>>>enthalten in<<<
[[ADB:{{{VERWEIS}}}|{{{VERWEIS}}}]]
<<<Vorheriger
Henninges, Hieronymus
Band 11 (1880), S. 778–780 (Quelle).
[[| bei Wikisource]]
August Adolph von Hennings in der Wikipedia
August Adolph von Hennings in Wikidata
GND-Nummer 118549235
Datensatz, Rohdaten, Werke, Deutsche Biographie, weitere Angebote
fertig
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Kopiervorlage  
* {{ADB|11|778|780|Hennings, August|Wilhelm Wattenbach|ADB:Hennings, August}}    

{{Normdaten|TYP=p|GND=118549235}}    

Hennings: August H., geb. am 19. Juli 1746 in Pinneberg, gest. am 17. Mai 1826 zu Ranzau in Holstein. Als Sohn des Etatsraths Martin Nik. H. erhielt H. eine sorgfältige Erziehung, und folgte 1760 dem Dr. Ballhorn, seinem früheren Privatlehrer auf das Gymnasium zu Hannover, von wo er im folgenden Jahre nach Altona übersiedelte. Von 1763–1766 studirte er mit seinem Bruder in Göttingen, wo er als Dr. jur. promovirte und ein glänzendes Zeugniß von Pütter erhielt. Aus dieser Zeit stammt seine Freundschaft mit A. Kestner, welche durch die Schrift „Goethe und Werther“ von A. Kestner (1814) bekannt geworden ist. Ein Aufenthalt im elterlichen Hause nach vollendeten Studien gab Gelegenheit zur Bekanntschaft mit Ernst Schimmelmann, dem Sohne des Schatzmeisters, aus welcher bald eine schwärmerische Freundschaft wurde. Er begleitete ihn 1768 nach Kopenhagen, und hier bildeten die beiden jugendlich enthusiastischen Freunde Pläne für die Reform des dänischen Staats, in welchem Schimmelmann eine einflußreiche Stellung sicher war. Von Struensee, einst seinem Arzte, erhielt er 1771 eine erste Anstellung als Archivar der Rentekammer; vergeblich versuchte er ihn zu warnen, noch auf dem letzten Hofball [779] sah er Struensee und Brandt „bouffis d’arrogance“. Nach ihrem Sturze betheiligte H. sich an der Verschwörung zur Herstellung der Königin, welche durch deren frühen Tod abgebrochen wurde und tiefes Geheimniß blieb. Im Herbst 1772 ward er zum Legationssecretär in Berlin ernannt, wo ihn jene Umtriebe in nähere Beziehung zum englischen Gesandten Harris (Lord Malmsbury) brachten. Ein Brief seines Schwagers Reimarus führte ihn bei M. Mendelssohn ein, mit welchem er von da an sehr befreundet und in regem Verkehr blieb; er verwandte sich eifrig zu seinen Gunsten und schützte ihn gegen den Fanatismus des Oberrabbiners in Altona. Auch begann jetzt sein Briefwechsel mit Elise Reimarus, der handschriftlich vorhanden und namentlich für Lessing’s Biographie benutzt ist. Nachdem er eine Zeit lang als Chargé d’affaires in Berlin den Gesandten vertreten hatte, wurde er 1775 in gleicher Eigenschaft nach Dresden geschickt, wo er 16 Monate in sehr angenehmen Verhältnissen zubrachte. So weit konnte man es ohne Familienverbindungen bringen; den in Aussicht gestellten Gesandtschaftsposten erhielt er so wenig wie später J. Rist. Dagegen wurde er 1776 Mitglied des Commerzcollegiums, welches der Schatzmeister Schimmelmann für seinen Sohn errichtet hatte, und begann den langen Kampf des vergeblichen Ringens gegen Mißbräuche und Maßregeln, deren Verderblichkeit er richtig erkannte. Wie eifrig er mit allen Einzelheiten des praktischen Dienstes sich beschäftigte, zeigen die Berichte von einer Bereisung Jütlands 1779, die er 1786 zu einem Buche verarbeitete. Dagegen zeigen die Briefe des Ministers Hoegh Guldberg die Mischung von Oberflächlichkeit und Pietismus, welche weder einen so eifrigen Reformator noch einen so freisinnigen Denker ertragen konnte. H. veröffentlichte nämlich 1779 ein Epos: „Olavides, herausgegeben und mit einigen Anmerkungen über Duldung und Vorurtheile begleitet“, und dieses erregte einen großen und lange nachwirkenden Sturm bei der herrschenden orthodoxen Partei. Doch erwarben seine außerordentliche Thätigkeit und sein scharfer Verstand dem geistvollen jungen Mann, wie ihn sein von Juel 1780 gemaltes Bild zeigt, auch Anerkennung und Freunde; in demselben Jahre vermählte er sich mit Eleonore, der Tochter des Admirals v. Krabbe. Aber am 14. April 1784 erfolgte der Sturz Guldberg’s; E. Schimmelmann wurde Finanzminister, Krabbe wurde entlassen und der unbequem gewordene H. mit dem inhaltlosen Titel eines Commerzintendanten in den Herzogthümern aus Kopenhagen entfernt. Von Natur reizbar, wurde er dadurch für sein übriges Leben verbittert und hat sich gerade noch in den letzten Jahren seines Lebens mit großer Schärfe darüber geäußert. Er sah deutlich den verderblichen Gang der öffentlichen Angelegenheiten, und während er die Kraft zu bedeutender Wirksamkeit in sich fühlte, war er bei Seite geschoben und ohne Einfluß; noch tiefer verletzte es ihn, daß er in Schimmelmann’s Benehmen einen Verrath ihrer Freundschaft sah. Dabei dürfen wir jedoch nicht verschweigen, daß zu rücksichtsloses Vorbringen und Mangel an Tact seinerseits ohne Zweifel einen Theil der Schuld trugen. In seiner erzwungenen Unthätigkeit war H. in Schleswig unablässig litterarisch beschäftigt; ich nenne nur das dreibändige Werk: „Gegenwärtiger Zustand der Europäer in Ostindien“ (1786) als Denkmal seiner rastlosen Studien. Im J. 1787 wurde er Amtmann in Plön und lebte auf dem herrlich gelegenen Schloß in glücklicher Häuslichkeit und lebhaftem litterarischen Austausch, doch gehemmt durch die damalige Schwierigkeit des Verkehrs, besonders in schlechter Jahreszeit. Die Ernennung zum Kammerherrn gab ihm äußerlich eine angesehene Stellung. Hier gab er 1792 das Schlesw. Journal heraus, dessen Druck und Verlag aber 1793, da „die Kreisschreibenden Fürsten die Regierung in Glückstadt bestürmten“, in Holstein verboten wurde. Da eröffnete H. ein neues Journal unter dem Titel: „Genius der Zeit“. Während [780] schon die Ankündigung einen heftigen Angriff von M. Claudius zur Folge hatte, benutzte man von verschiedenen Seiten eifrig und freudig dieses letzte noch übrig gebliebene Asyl einer freien Meinungsäußerung, welches sich bis in den Anfang des 19. Jahrhunderts erhielt; vgl. die Correspondenz mit Zerboni, Held und Nieter in den Abhandl. der Schlesischen Gesellschaft für 1869. Aber auch hier hatte H. viel Aergerniß, und nicht ohne eigene Schuld. Abgesehen von der Feindschaft aller Dunkelmänner, hatte er sich in Gegensatz gegen die ganze neuere Richtung der deutschen Litteratur gesetzt. Aufgewachsen in Bewunderung von Voltaire und Rousseau, vermochte er der veränderten Richtung der Zeit keinen Geschmack abzugewinnen. Er war ein sehr fruchtbarer aber kein glücklicher Schriftsteller. Seine zahlreichen Gedichte sind, aufrichtig gesagt, großentheils unlesbar, die weitläufigen philosophischen Betrachtungen in seinen prosaischen Schriften nicht minder. So hatte er nicht den Erfolg, den er erwartete, und auch seine Zeitschrift litt unter diesen Mängeln. Auch hatte er vielerlei Kämpfe und Reibungen, so durch sein unerschrockenes Eintreten für den Grafen W. Schmettow, welcher die dänische Militärverwaltung angegriffen hatte. Belebt wurde der Aufenthalt in Plön durch die Niederlassung französischer Emigranten in der Nachbarschaft, namentlich der Familie Lafayette. Im J. 1808 Administrator der Grafschaft Ranzau geworden, hatte H. schwere Lasten durch die Kriegszeiten zu ertragen; sein zu ihm geflüchteter Schwager Reimarus starb in Ranzau am 2. Juni 1814, nachdem er seinen Enkeln das Leben gerettet hatte. Im J. 1817 starb auch dessen Wittwe, Hennings’ Schwester, mit welcher er einen lebhaften Briefwechsel unterhalten hatte. Vielerlei Streitigkeiten verbitterten auch jetzt sein Leben; für die Opposition der Ritterschaft vermochte er keine Sympathie zu empfinden, da er als Beamter deren Privilegien vielmehr für schädlich erachtete, und ebenso wenig konnte die damalige Gestaltung Deutschlands ihn anziehen. Er erstrebte Reform auf dem Boden des Gesammtstaats, aber freilich vergeblich. Wie bei vielen Männern jener Periode erkennen wir auch bei ihm sehr lebhaft den Mangel, daß es kein öffentliches Leben, kein Organ gab, durch welches auf legalem Wege für eine Besserung der öffentlichen Zustände gewirkt werden konnte. Aeußerlich verlebte H. seine letzten Jahre in sehr angesehener Stellung, als glücklicher Familienvater, eifrig beschäftigt mit seinen Amtsgeschäften und mit Gartencultur, die ihm immer eine Lieblingsbeschäftigung gewesen war; zugleich mit der Ordnung und Durchsicht seiner zahlreichen Papiere, welche jetzt auf der Hamburger Stadtbibliothek niedergelegt sind.

Ein Nekrolog von Lübker steht im Neuen Nekrolog der Deutschen, 4. Jahrg. 1826, 1. Theil 1828, S. 292–299. Briefe sind gedruckt in der Biogr. von M. Mendelssohn von Kayserling, 1862, in G. A. von Halem’s Selbstbiographie, Old. 1840, im Anhang zu dem Lebensbild der Marquise von Montagu, Münster 1870.