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Artikel „Hartmann“ von Elias von Steinmeyer in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 10 (1879), S. 679, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Hartmann_(Dichter)&oldid=- (Version vom 19. April 2024, 02:43 Uhr UTC)
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Hartmann, deutscher Dichter, verfaßte ein uns nicht mehr erhaltenes Gedicht vom Antichrist, sowie die „Rede vom Glauben“, diese nach der einzigen unvollständigen Handschrift von H. F. Maßmann in seinen „Deutschen Gedichten des zwölften Jahrhunderts“ (Quedlinburg und Leipzig 1837) herausgegeben. Sie mag, nach den noch sehr ungenauen Reimen zu urtheilen, während allerdings der innere Bau der Verse ziemlich genau ist, während der ersten Hälfte des 12. Jahrhunderts in Mitteldeutschland entstanden sein. Jedenfalls gehört sie zu den hervorragendsten Erzeugnissen der geistlichen Poesie. Es ist eine Zusammenfassung der christlichen Glaubenslehre. Das Grundschema bildet das nicaeno-constantinopolitanische Glaubensbekenntniß, dessen Artikel ganz oder stückweise in ihrer lateinischen Fassung den einzelnen Abschnitten vorangestellt sind. Aber während das erste Hauptstück ziemlich kurz abgehandelt wird, und auch in der Erläuterung des zweiten nur ein knapper Abriß des Lebens und Leidens Christi, seiner Auferstehung und Himmelfahrt geboten ist, erscheint die Lehre vom heiligen Geist in einer solchen Ausführlichkeit und so systematisch gegliedert, daß sie beinahe ein selbständiges Werk genannt zu werden verdient. Mit wohlgelungener Steigerung wird hier dargelegt, welche Rathschläge für ihr Handeln der heilige Geist den Menschen je nach ihren verschiedenen Anlagen ertheile. Die detaillirte Ausführung dieser Vorschriften des Geistes gibt dem Dichter Gelegenheit zu einer Reihe von farbenprächtigen und psychologisch fein erfaßten Bildern aus der damaligen vornehmen Gesellschaft, und läßt uns, wenn auch nur in dunklen Umrissen, die eigene Individualität und den Stand des Mannes erkennen. Denn will man die zerstreuten Andeutungen zu einem einheitlichen Bilde seiner Persönlichkeit zusammenfügen, so verstatten sie nur die Annahme daß H. einem ritterlichen Geschlechte entstammte und in seiner Jugend alle die Genüsse und Freuden, die ihm sein Stand bot, durchkostete, bis er übersättigt und von Reue und Bußgedanken ergriffen in die Stille eines Klosters sich zurückzog. Dort eignete er sich einige geistliche Bildung an und war nunmehr mit leidenschaftlichem Eifer bemüht, auch seinen früheren Genossen eine ähnliche weltentsagende Gesinnung, wie sie ihn beseelte, einzupflanzen: dadurch wurde er zum Dichter. Das wäre ein für damalige Zeit fast typisch zu nennender Entwickelungsgang, nahezu der gleiche, wie er in der deutschen Litteratur bei Heinrich (s. daselbst), dem Laienbruder von Melk, abermals begegnet, nur mit dem wichtigen Unterschiede, daß H. nicht blos, wie Heinrich, Satiriker ist, daß er nicht allein strafen will, sondern daß er die Besserung seiner Mitmenschen aufrichtig und voll sittlichen Ernstes im Auge hat. Mehr können wir mit unseren Mitteln nicht errathen: denn es wäre vorschnell, aus dem Verzeichniß aller der Sünden, die begangen zu haben H. sich vorwirft, etwas auf sein Vorleben schließen zu wollen; aus der reichen Predigt- und Beichtlitteratur waren jedem auch nur einigermaßen geistlich gebildeten Manne alle diese festformulirten Selbstanklagen geläufig, und so begegnen sie denn auch in zum Theil nur wenig abwechselnder Gestalt in verschiedenen Dichtungen der Zeit. Es ist auch nicht zweifelhaft, daß H. mancherlei geistliche deutsche Gedichte bekannt waren.

K. Reißenberger, Ueber Hartmann’s Rede vom Glauben, Hermannstadt 1871. – M. Scheins in der Zeitschrift für deutsches Alterthum 16, 157 ff.