ADB:Harrach, Ferdinand Graf von

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Artikel „Harrach, Ferdinand Bonaventura Graf“ von Anton Victor Felgel in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 10 (1879), S. 632–634, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Harrach,_Ferdinand_Graf_von&oldid=- (Version vom 28. März 2024, 10:51 Uhr UTC)
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Harrach: Ferdinand Bonaventura Graf H., geb. am 11. April 1708, war der jüngste Sohn des Grafen Alois Thomas Raimund H. (geb. 1669, † 1742) und dessen zweiter Gemahlin Anna Cäcilia v. Thanhausen, verwittw. Gräfin Thun. Er trat in den Staatsdienst und ward bald österreichischer Hofrath und wirklicher geheimer Rath. Im October 1744 wurde er als kaiserlicher Commissär zur Salzburger Erzbischofswahl abgeordnet. Der jeweilige Erzbischof von Salzburg genoß als Primas von Deutschland und ausschreibender Fürst des bairischen Kreises besonderes Ansehen im deutschen Reiche. Er führte das Condirectorat mit Oesterreich im Fürstenrathe auf dem Reichstage. Das Fürstenthum Salzburg grenzte an österreichische Lande. Vermöge ansehnlichen Güterbesitzes in mehreren österreichischen Provinzen war der Erzbischof ein vornehmer Landstand in denselben. Er hatte hier Suffragane und übte kirchliche Jurisdiction aus. Es war daher für den österreichischen Landesfürsten keineswegs gleichgiltig, wer den Salzburger Fürstenstuhl einnahm. Nun, da die Kaiserkrone von dem Hause Oesterreich abgekommen, dies sogar in Fehde mit dem Reichsoberhaupte sich befand, war es von erhöhter Bedeutung, daß kein zu Baiern sich neigender, sondern ein dem österreichischen Hause ergebener Prälat das Erzbisthum erlange. Gewiß war es zum großen Theile auch dem diplomatischen Geschicke Harrach’s zuzuschreiben, daß die erforderliche Stimmenzahl sich auf Jakob Ernst von Liechtenstein, den Erzbischof von Olmütz vereinigte – am 13. Jänner 1745. Als Landmarschall und Landesoberster stand H. in den J. 1745–50 amtlich an der Spitze der niederösterreichischen Stände. In den October 1746 fällt seine Sendung als bevollmächtigter Minister der Kaiserin Maria Theresia zum Bredaer Congresse. Die weitläufige Instruction, welche er bei diesem Anlasse erhielt, belehrte ihn ausführlich über die Begebenheiten und Verhandlungen der letzten Jahre in ihrem Zusammenhange. Indem sie ihm die Betrachtungen und Grundsätze, von welchen die kaiserliche Politik ausging, die Pläne und Absichten, welche Maria Theresia verfolgte, klar legte, sollte sie es ermöglichen, daß H. in unvorhergesehenen Fällen auch ohne besondere Weisung – gleichsam aus dem Stegreife – sich zu helfen wisse. Namentlich aber wurde ihm vorgezeichnet das „Gedeihlichste“ sei die Fortdauer des innigen Einverständnisses zwischen den Verbündeten; [633] das „minder nützliche“ sei der wirkliche Bruch des Wormser Friedens durch Sardinien und dessen geheime Verständigung mit Frankreich; das „schädlichste“ aber wäre, wenn England früher mit Spanien sich einigen würde, ehe dies von Seiten Oesterreichs geschehen. Auf französische Anträge, die etwa auf Abtretung von Limburg und Geldern an Kurpfalz und von Toscana an den Infanten Don Philipp hinausliefen, sollte H. unter keiner Bedingung eingehen. Da zu besorgen stand, daß die Minister anderer Mächte vor ihm eintreffen dürften und es nicht vortheilhaft schien, sie lange allein verhandeln zu lassen, so trat H. schleunigst seine Reise an. Ende October 1746 traf er im Haag ein. Gleich Anfangs stellten sich der Erfüllung seiner Mission Schwierigkeiten entgegen. Der Marquis von Puysieux bestand hartnäckig auf Nichtzulassung eines österreichischen Bevollmächtigten. Endlich folgte H. doch der Aufforderung des Lord Sandwich, nach Breda zu kommen und übereinstimmend mit Macanaz und la Chavanne die Vertretung aller betheiligten Mächte zu erzwingen. Er konnte keine bessere Gelegenheit erhoffen, seine persönliche Theilnahme an den Berathungen durchzusetzen. Auch war er von der Besorgniß geleitet, Spanien möchte sich einseitig mit England verständigen, wenn er etwaigen Verhandlungen der Minister dieser beiden Staaten gleichfalls ferne bleibe. Gleich nach seiner Ankunft in Breda trat H. in unmittelbaren Verkehr mit Macanaz, ward aber von dessen Art und Weise, Staatsgeschäfte zu betreiben, nicht sonderlich erbaut. Bekanntlich blieben die Friedensconferenzen von Breda fruchtlos. Aus dem Haag abberufen wurde H. im August 1747 zum Generalstatthalter der Lombardei ernannt. Im September 1747 langte er in Mailand an. Wie segensvoll Harrach’s Wirksamkeit auf diesem glänzenden Posten für die von ihm regierte österreichische Provinz sich gestaltete, geht aus dem übereinstimmenden Lobe hervor, welches ihm lombardische Schriftsteller zollen. Als H. die Statthalterschaft übernahm, war das Land durch übermäßige Steuern und durch Kriegsverheerungen verarmt, durch politische Parteiungen zerklüftet. Der Fortbestand der österreichischen Herrschaft in Mailand schien sogar in Frage gestellt. H. besaß aber die nöthigen Eigenschaften, um unter so schwierigen Verhältnissen gut zu regieren. Er ordnete die Frage der Herbeischaffung der Lebensmittel und ließ sich die Förderung des Handels und der Industrie angelegen sein. Er schloß Verträge mit den benachbarten Staaten, denen zu Folge sie nicht länger als Zufluchtstätten der Räuber und Mörder dienten, welche von dort aus die Lombardei überströmten und verminderte so beträchtlich die Zahl der Verbrecher. Alle diese Maßregeln strebten dahin, den politischen und wirthschaftlichen Zustand des Landes zu verbessern. Nach dreijähriger erfolgreicher Thätigkeit legte H. die Statthalterschaft nieder. Im September 1750 übersiedelte er wieder nach Wien. Der Tod seines Bruders, den eine zahlreiche Familie betrauerte, mochte ihn wol zunächst dazu bewogen haben. Ritter des goldenen Vließes, Staatsconferenz-Minister, oberster Justizpräsident und seit Jänner 1751 Reichs-Hofrathspräsident, starb H. zu Wien am 28. Jänner 1778. – Seine erste Ehe mit Marie Elisabeth (geb. am 18. Jänner 1718, vermählt im October 1733, † am 8. Jänner 1734), einer Tochter des Vicekönigs in Neapel, Grafen Wenzel Johann von Gallas, war kinderlos geblieben. Am 9. October 1740 vermählte er sich wieder mit der 19jährigen Gräfin Rosa v. H., der ältesten Tochter seines Bruders, des Grafen Friedrich v. H., obersten Kanzlers von Böhmen. Harrach’s Stiefmutter, die Gräfin Ernestine v. H. († 1745), setzte ihn zu ihrem Erben ein. Dadurch reich geworden, Freund einer heiteren Lebensweise, versammelte H. während der drei Jahre seiner italienischen Statthalterschaft sowol in Mailand als auch in seinem Landaufenthalte Cermuseo Armaria eine gewählte Gesellschaft um sich, in der [634] namentlich seine geistreiche Gemahlin glänzte. Jung und lebhaft, schön und elegant, verbreitete sie Fröhlichkeit im Lande. Sie führte die Sitte ein, daß auch in der Stadt die Damen zu Pferde sich sehen ließen und man zur Faschingszeit in Masken die Logen der Theater besuchte. Sie war auch wol der stärkste Magnet des glänzenden Hauses, welches H. später in Wien führte. Noch 30 Jahre später war sie eine der Damen, deren Umgang Josef II. mit Vorliebe aufsuchte. Von zwei Töchtern, welche dieser Ehe entstammten, starb eine – Marie Eleonora, geb. am 12. Juni 1757 – in zartestem Kindesalter, die andere – Marie Rosa Aloisie, geb. am 25. November 1758 – wurde am 23. April 1777 dem kaiserlichen Reichshofrathe Fürsten Joseph Kinsky vermählt. – H. ist auch der Gründer der seiner Zeit weit berühmten Leinwandfabriken, Bleichen, Eisenhämmer und Drathziehereien auf der mährischen Herrschaft Janovitz. – Hervorragende Begabung und edle Gesinnung, treuer Diensteifer für Maria Theresia, warme Liebe für sein Vaterland zeichnen ihn aus. Bedächtig und ruhig, erwarb er sich durch leidenschaftsloses Wesen, durch Freigebigkeit und Zuvorkommenheit die Hochachtung und Liebe Aller. In steter ununterbrochener Gunst bei Maria Theresia beschwor H. – stets voll Bedenklichkeiten und ein abgesagter Feind von Neuerungen – doch wiederholt den Unwillen Josefs II. auf sich. Von außergewöhnlicher Gutmüthigkeit, ohne Stolz, voll Humanität, ein Freund der Ordnung und Ruhe, so wird er von hervorragenden Zeitgenossen geschildert.

Benutzt wurde außer einschlägigen Acten des k. u. k. Haus-, Hof- und Staats-Archives in Wien namentlich: Wurzbach, Biogr. Lex. Bd. VII und die betreffenden Bände von Alfred v. Arneth’s Geschichte Maria Theresia’s.