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Artikel „Hahn, Friedrich von“ von Albert Teichmann in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 49 (1904), S. 705–706, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Hahn,_Friedrich_von&oldid=- (Version vom 12. Oktober 2024, 11:45 Uhr UTC)
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Hahn: Dr. Friedrich von H., Senatspräsident am Reichsgericht, wurde am 7. Juni 1823 zu Homburg v. d. H. als Sohn des landgräflich hessischen Leibarztes und Geheimen Rathes Dr. phil. Franz v. H.[WS 1] geboren, besuchte 1837–42 die Fürstenschule zu Meißen, dann bis 1846 die Universitäten Jena und Heidelberg behufs Rechtsstudien, promovirte in Heidelberg am 10. August 1846 zum Doctor beider Rechte und trat dann auf kurze Zeit in den landgräflich hessischen Staatsdienst. Aus diesem ausgeschieden, habilitirte er sich am 10. November 1847 als Privatdocent an der juristischen Facultät in Jena mit der Schrift „De diversis testamentorum formis, quae in Germania obtinuerant, observationes“. Am 26. Februar 1850 wurde er zum außerordentlichen und am 3. September gl. J. zum ordentlichen Assessor des dortigen Schöppenstuhles ernannt. 1856 erhielt er durch den Landgrafen von Hessen-Homburg den Charakter eines Hofrathes verliehen. Vom 15. Januar 1857 an vertrat er die großherzogliche und herzoglich sächsische und anhaltinische Regierungen auf den Handelsgesetzbuchconferenzen zu Nürnberg und Hamburg, wurde 1861 außerordentlicher Honorarprofessor, am 1. April 1862 ordentlicher Professor des deutschen Privatrechts und des Handelsrechts sowie Mitglied des Oberappellationsgerichts in Jena. In der Schrift „Die materielle Uebereinstimmung der römischen und germanischen Rechtsprincipien“, Jena 1856, gab er eine ausführliche Kritik der Schrift des Oberappellationsgerichtsrathes C. A. Schmidt „Der principielle Unterschied zwischen dem römischen und germanischen Rechte“, Rostock und Schwerin 1853. Es standen sich damals Romanisten und Germanisten schroff gegenüber. Auf der einen Seite war man bestrebt, die Wissenschaft des römischen Rechts aus den beengenden Banden der historischen Schule zu befreien, auf der andern stellte man die deutschrechtlichen Institute aus den einheimischen Quellen zusammen, ohne dem großen Einfluß des römischen Rechts auf alle Theile des Rechtslebens gerecht zu werden. Man rühmte jenem große technische Vollendung, dem deutschen tieferen ethischen Gehalt nach. In sachlicher, scharfsinniger und liebevoller Würdigung beider Rechtssysteme suchte H. unparteiisch jedem das Seine zu geben und die Verschiedenheiten beider aus den geschichtlichen, politischen und wirthschaftlichen Entwicklungsmomenten dieser Völker mit praktischem Blicke für die sociale Bedeutung der Rechtsinstitute darzulegen. Damals fand diese Arbeit geringe Beachtung, weil beiden Parteien an einer unparteiischen Vergleichung wenig gelegen war. Immerhin förderte diese energische Vertiefung in die Rechtsgedanken zweier Völker den Verfasser für sein eigentliches Lebenswerk, die Behandlung des Handelsrechts in einem großen Commentar. Die beste Vorschule hierfür boten die Verhandlungen der erwähnten Conferenzen, bei denen sich praktische Erfahrung, theoretische Beherrschung und gesetzgeberische Weisheit gleichmäßig zur Schaffung eines gelungenen Werkes vereinten. Die akademische Laufbahn nicht ungern verlassend, trat H. am 1. April 1872 in das Reichsoberhandelsgericht ein, aus dem er dann am 1. October 1879 in das Reichsgericht überging. Am 1. October 1891 zum Senatspräsidenten befördert, übernahm er als solcher den Vorsitz im 6. Civilsenat, trat jedoch schon am 1. Januar 1893 in den Ruhestand. Er starb am 3. März 1897, nachdem er kurz vorher sein 50jähriges Doctorjubiläum gefeiert hatte. Sein großer Commentar des Handelsgesetzbuches war in erster Auflage 1862–67 (Braunschweig) [706] erschienen. Es kam dem Verfasser dabei darauf an, den inneren Zusammenhang, den juristischen Gedankeninhalt des neuen Gesetzbuches in wissenschaftlicher Deduction klarzulegen. Er behandelte die handelsrechtlichen Institute in engem Zusammenhalt mit den civilrechtlichen und führte die Abweichung beider auf einleuchtende Principienunterschiede zurück. Nach Laband’s Urtheil war seine juristische Construction scharfsinnig, doch frei von willkürlichen und unnatürlichen Fictionen und darum besonders anziehend, weil sie erkennen ließ, wie die Ordnung der äußern Dinge im Einklang steht mit der dem Menschengeist angeborenen Logik. In den weiteren Auflagen (1871 ff., 1877 ff. und 1894 [nur bis zu Art. 172 ausgearbeitet]) folgte Verfasser eifrigst den Fortschritten der Gesetzgebung, Rechtsprechung und Wissenschaft, so daß er für weitere Arbeiten keine Muße fand. Nur für die Zeitschrift von Goldschmidt lieferte er eine Recension über die Abhandlungen von Römer (Stuttg. 1877) in Bd. 23 S. 630–641 und eine eigene kleinere Arbeit über das Commissionsgeschäft in Bd. 29 S. 1–17. Als Mitglied des obersten Gerichtshofes war er von großem Einfluß; er genoß in den Kreisen seiner Amtsgenossen großes Ansehen. Als Menschen zeichneten ihn anspruchslose Bescheidenheit und vornehmes Wesen aus.

Reichsgerichtsrath Dr. Rehbein in der Deutschen Juristen-Zeitung II, 139 (auch Notiz in I, 362). – Nekrolog von Laband in der Zeitschr. f. d. ges. Handelsrecht, Bd. 46 (N. F. 31), S. 365–374. – Recension des Commentars in der Krit. Vierteljahresschrift XII, 30–33 (Laband). – Zeitschr. f. d. ges. Handelsrecht VI, 325; XVII, 665; XXIII, 318. – Grünhut’s Zeitschrift III, 185; V, 170; XI, 480; XXI, 786. – Goldschmidt, Handbuch d. H.-R., 2. Aufl. 1875, S. 92, 102, 111. – Rechtsforschung und Rechtsunterricht auf den deutschen Universitäten von O. Fischer, Berlin 1893, S. 62. – Günther, Lebensskizzen der Professoren der Universität Jena seit 1558–1858, Jena 1858, S. 105/6. – Illustrirte Leipziger Zeitung 1879, II, 266.

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Der Vater war Dr. med. Philipp Franz (von) Hahn (1770-1836)