ADB:Hagen, Karl
Luden mächtig angeregt, sich hauptsächlich der Geschichte widmete. Nach vollendetem Universitätscursus kam er als Hauslehrer zu Freiherrn v. Lotzbeck in München, wo er Gelegenheit hatte, seinen Zögling auf Reisen in Deutschland und den angrenzenden Ländern zu begleiten und sich mit Land und Leuten bekannt zu machen. Eine dieser Reisen führte ihn 1834 nach Heidelberg, wo er den Historiker Schlosser kennen lernte, der einen großen Eindruck auf ihn machte und ihn in seiner Begeisterung für Geschichte bestärkte. Zwei Jahre später habilitirte er sich mit einer Schrift „Ueber die Wappengenossen“ als Privatdocent der Geschichte in Erlangen, siedelte aber schon nach einem halben Jahre nach Heidelberg über, weil er dort durch den Verkehr mit gleichstrebenden Männern und eine reichere Bibliothek mehr Förderung seiner wissenschaftlichen Studien zu finden hoffte. Neben seinen Vorlesungen über deutsche Geschichte, neuere und neueste Geschichte und Anderes beschäftigte er sich mit der Redaction einer Zeitschrift, welche er in Gemeinschaft mit dem Historiker J. G. A. Wirth unter dem Titel „Braga“ in den J. 1838 und 39 herausgab und in welcher er mehrere werthvolle geschichtliche und politische Abhandlungen veröffentlichte. Ein dreibändiges Werk „Deutschlands religiöse und litterarische Verhältnisse im Zeitalter der Reformation“ erschien bei Palm in Erlangen und erschloß eine neue, bisher weniger beachtete Seite der deutschen Reformation. Auf Grund der Benützung der gleichzeitigen populären Flugschriften, von denen er eine reiche Sammlung in der Windsheimer Stadtbibliothek gefunden hatte, charakterisirte[WS 1] er darin die geistige Bewegung in den unteren Kreisen des Volkes und der Litteratur, und schilderte die Extreme der mit einander in Kampf gerathenen Richtungen. Dieses Werk machte Aufsehen und wurde als eine werthvolle [342] Ergänzung zu der einige Jahre vorher erschienenen Reformationsgeschichte Ranke’s anerkannt. Auch fand man in Auffassung und Darstellung eine überraschende Aehnlichkeit mit Ranke’s Art, von dem sich H. freilich durch eine demokratische Richtung wesentlich unterschied; Neben diesen litterarischen Arbeiten war Hagen’s akademische Wirksamkeit auch nicht unbedeutend; er erfreute sich, obgleich er mit Schlosser, Kortüm und Häusser zu concurriren hatte, mannichfachen Beifalls und einer verhältnißmäßigen Frequenz seiner Vorlesungen. Doch wurde er erst im J. 1845 zum außerordentlichen Professor ernannt. An der Bewegung des J. 1848 nahm er von Anfang an den lebhaftesten Antheil, und wurde von dem Wahlkreis Heidelberg als Abgeordneter in die Frankfurter Nationalversammlung gewählt. Daß er hier seine Stellung auf der äußersten Linken nahm, befremdete bei seinem sonst maßvollen, milden und besonnenen Wesen manche seiner Freunde; übrigens betheiligte er sich selten bei den Debatten, und stimmte nur einfach mit der Partei. Eine Folge dieses politischen Verhaltens war nach Auflösung des Parlaments die Enthebung von seiner Lehrstelle. Er blieb zunächst als Privatmann in Heidelberg, folgte aber 1855 sehr gerne einem Rufe nach Bern als ordentlicher Professor der Geschichte an der dortigen Hochschule und dem oberen Gymnasium, und wirkte hier 12 Jahre lang als beliebter und angesehener Lehrer. Im J. 1857 wurde er zum Rector der Universität und im folgenden Jahr zum Abgeordneten bei der Stiftungsfeier von Zürich und Jena gewählt. Er beschränkte seine Lehrthätigkeit nicht auf Universität und Schule, sondern suchte auch durch zahlreiche Vorträge im Großrathssaale und im Handwerkerverein auf weitere Kreise anregend zu wirken. Seine im Ganzen gute Gesundheit ermöglichte ihm eine umfassende und ausdauernde Thätigkeit. Doch mochte er über seine Kräfte gethan haben, denn als er im Anfang des J. 1868 von einem hartnäckigen Katarrh befallen wurde, nahm diese Krankheit schnell eine gefährliche Wendung, und ein Lungenschlag machte am 24. Januar seinem Leben ein Ende. – Außer dem oben angeführten Hauptwerk über die Reformationszeit veröffentlichte H. eine Reihe selbständiger Schriften, die wir hier aufzählen: „Zur politischen Geschichte Deutschlands“, Stuttgart, Franckh, 1842. „Fragen der Zeit“, 2 Bde., ebendas. 1843–45. „Politischer Katechismus“, 2 Bde., Braunschweig, Westermann, 1848. „Geschichte der neuesten Zeit vom Sturze Napoleons bis auf unsere Tage“, 2 Bde., ebendas. 1851. „Die östliche Frage mit besonderer Rücksicht auf Deutschland“, Frankfurt, Meidinger, 1854 erste und zweite Aufl. Als Fortsetzung von Duller’s „Vaterländischer Geschichte“: „Deutsche Geschichte von Rudolf von Habsburg bis auf die Zeit Friedrichs des Großen“, 3 Bde., Frankfurt, Meidinger, 1854–58. „Die Politik Rudolfs von Habsburg und Albrechts I. und die Entstehung der schweizerischen Eidgenossenschaft“, ebendas. 1857. „Grundriß der allgemeinen Geschichte, als Leitfaden für den Geschichtsunterricht in höheren Lehranstalten“, 3 Bde., Zürich, Schultheß, 1860. „Reden und Vorträge", Bern, Jent, 1861. „Der Maler Johann Mich. Voltz von Nördlingen und seine Beziehungen zur Zeit- und Kunstgeschichte“, Stuttgart, Ebner u. Seubert, 1863. „Die auswärtige Politik der Eidgenossenschaft, namentlich Berns in den J. 1610–18“, Bern, Haller, 1865. Hierzu kommen noch viele Abhandlungen und Aufsätze in wissenschaftlichen Zeitschriften und politischen Zeitungen, namentlich in den Blättern für litterarische Unterhaltung, Raumer’s historischem Taschenbuch, Schmidt’s Zeitschrift für Geschichtswissenschaft, Prutz’ litterar-historischem Taschenbuch und Brockhaus’ Gegenwart. Seine gewandte fließende Darstellung, sein freier Blick auf die mannichfaltigen Verhältnisse des politischen und socialen Lebens, sein Geschick das geschichtliche Wissen für die Fragen der Gegenwart zu verwerthen, machte ihn überall zum willkommenen Mitarbeiter. Seine geschichtlichen [343] Werke sind vorwiegend für weitere Kreise berechnet, aber sie sind keineswegs bloße Compilationen, sondern selbständig in Auffassung und Anlage, und geben vielfach die Ergebnisse eigener Forschung. Schon allein das Werk über Deutschland im Reformationszeitalter sichert ihm einen ehrenvollen Platz in der geschichtlichen Litteratur.
Hagen: Karl H., namhafter Historiker, wurde am 10. October 1810 zu Dottenheim bei Windsheim im bairischen Franken als Sohn des dortigen Pfarrers und Decans geboren. Er genoß eine gute Gymnasialbildung in Windsheim und Ansbach, und auch sein Vater, ein theologisch und politisch gebildeter freisinniger Mann, übte auf seine geistige Entwicklung und seine Studien einen nicht unbedeutenden Einfluß. Im Herbst 1827 bezog H. die Universität Erlangen, um Theologie und Philologie zu studiren. Später ging er nach Jena, wo er von- Vgl. das Vorwort zur zweiten (Titel-) Ausgabe seines gen. Hauptwerkes.
Anmerkungen (Wikisource)
- ↑ Vorlage: charakerisirte