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Artikel „Haber, Siegmund“ von Ludwig Julius Fränkel in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 49 (1904), S. 695, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Haber,_Siegmund&oldid=- (Version vom 5. November 2024, 14:27 Uhr UTC)
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Haber: Siegmund H., Humorist, wurde am 11. September 1835 zu Neiße in Schlesien geboren, erhielt kaufmännische Bildung, arbeitete mehrere Jahre als Geschäftsreisender, schließlich zu Breslau als Handlungscommis, mehrfach zwischendurch litterarisch thätig. 1870 übersiedelte er nach Berlin, wo er mit dem Verleger Rudolf Mosse bekannt und von diesem 1872 bei Gründung des „Berliner Tageblatts“ für dessen humoristische Donnerstagsbeilage „Ulk“ herangezogen wurde. Dieses im größern Theile politisch-satirische, im kleineren local-humoristische Witzblatt ist ganz eigentlich Haber’s Kind gewesen, und er ist sein verantwortlicher und bestimmender Chefredacteur bis zum schnellen Tode, am 27. Februar 1895, geblieben, der auch den Texttheil in den Hauptstücken selbst zu liefern pflegte und in H. Scherenberg von Anfang an, dann auch in L. Manzel würdige Illustratoren fand. Obwol ja erst im vollen Mannesalter nach der Reichshauptstadt übergesiedelt, hat H. sich doch so rasch in die Eigenart ihres Lebens hineingewöhnt, daß seine daraus gegriffenen, frei geschaffenen Scherzfiguren, der Eckensteher Nunne, die Confectionsmamsell Paula Erbswurst vom „Hausvoigteiplatz links“ mit ihrem „doch ich will nicht vorgreifen“, sowie die später neben diese tretende Frau Rentier Schladeberg in der Manteuffelstraße die specifische Laune der geistigen Atmosphäre am Spreeufer als bezeichnende Typen spiegeln. Daß er dabei auch den ausgeprägten dortigen Volksdialekt in seiner Individualität, nicht bloß in der Wortform treffend wiedergab, zeugt für Haber’s Anpassungsvermögen und sein Verständniß des Volksthümlichen. So wurden jene drei Gestalten – von denen ihren Vater nur „Nunne“ überleben sollte – ungemein populär und zwar nicht bloß im Leserkreise des zu dauernder weiter Ausbreitung emporklimmenden „Berliner Tageblatts“, obwol der „Ulk“, eben als „Beiblatt“, weder bei Lebzeiten Haber’s, noch als später Richard Schmidt-Cabanis (geboren 1838) und Sigmar Mehring (geboren 1856), beide fruchtbare humoristische Dichter, ersterer schon länger als Mitarbeiter am „Ulk“ betheiligt, die Redaction übernommen hatten, eine selbständige Stellung und Bedeutung wie J. Stettenheim’s „Wespen“ oder gar der „Kladderadatsch“ erringen konnte.

Die theils vor, theils außerhalb seiner „Ulk“-Redaction erschienenen buchmäßigen neun Veröffentlichungen Haber’s sind weniger bekannt geworden und meist bald nach ihrem Hervortreten verschollen, obwol sie an Spaß, Ironie und Caricatur manche fein beobachtete und gut dargebotene Züge enthalten. Die ersten vier, 1866 einsetzend, sind leichte dramatische Waare, die letzten vier moderne Skizzensammlungen; zwischen diesen humoristischen Arbeiten steht (1889) „An der Mosel. Patriotisches Gemälde“. Die Titel mit den Erscheinungsjahren sind bei S. Haber’s Lebens- und Charakterskizze verzeichnet, die auf Grund seiner eigenen Angaben Frz. Brümmer’s Lexik. d. dtsch. Dichter u. Pros. d. 19. Jahrh.5 II, 73 f. (vgl. ebenda III, 450 u. 479 f.) gibt. Vgl. G. Dahms, Das litterarische Berlin (1895) S. 158 f. R. M. Meyer, Die dtsch. Litter. des 19. Jahrh. S. 626. Ausführliche biographische Mittheilungen im „Berliner Tageblatt“ 1895: 106, 107 S. 3, 109 S. 7, 114 S. 2; „Ulk“ 1895: 9 (Nekrolog-Gedicht), 14 (Porträt).