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Artikel „Grünewald, Matthias“ von Alfred Woltmann in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 10 (1879), S. 52–53, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Gr%C3%BCnewald,_Matthias&oldid=- (Version vom 28. März 2024, 09:38 Uhr UTC)
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Grünewald: Matthias G. aus Aschaffenburg, berühmter Maler zu Anfang des 16. Jahrhunderts. Bis jetzt sind die Daten seines Lebens völlig unbekannt geblieben, archivalische Nachrichten über ihn fehlen gänzlich. Sein von Sandrart veröffentlichtes Bildniß in mittleren Jahren, jetzt in der Weigel’schen Sammlung zu Leipzig, ist in einer Replik zu Erlangen (Sammlung der Universität) vorhanden, die das Datum 1529 trägt; sein nicht mehr existirender Altar in der Schneecapelle der Stiftskirche zu Aschaffenburg war 1519 datirt. Sandrart erzählt, daß er sich meist zu Mainz aufgehalten, ein eingezogenes, melancholisches Leben geführt und übel verheirathet gewesen. Grünewald’s künstlerischer Charakter dagegen steht in einer Reihe von Arbeiten jetzt klar vor unseren Augen, freilich erst seit wenigen Jahren, und der Stil seiner beglaubigten Werke stimmt mit der Schilderung, die Sandrart von ihm entwirft, überein, mögen auch manche Gemälde in Mainz und in Frankfurt, auf die jener vorzugsweise Gewicht legt, untergegangen sein. Matthias von Aschaffenburg zeigt sich als ein Meister, der für sich steht, wenn er auch im Allgemeinen mit der fränkischen Schule zusammenhängt. Er ist fähig, imposante Einzelcharaktere zu schaffen, und macht sich zur Aufgabe, Hingerissenheit, Ekstase, äußerste Erregung, furchtbaren Schmerz in ergreifender Anschaulichkeit darzustellen. Ein kräftiger Realismus erlaubt ihm, das Alltägliche in sinnlicher Lebendigkeit zu schildern, aber mit besonderer Vorliebe wagt er sich an das Phantastische, Seltsame, Gespenstische, selbst Ekelhafte. Ihm steht dazu die Fähigkeit äußerster Bewegtheit zu Gebote, in den Köpfen kommen starke Verkürzungen vor, seine Auffassung ist eine höchst malerische, er besitzt breiten Vortrag und ein ausgebildetes coloristisches Gefühl. In der Tonwirkung geht er weiter als irgend ein deutscher Künstler jener Periode, und sein stärkstes Mittel besteht in Helldunkel und Lichteffect. Sandrart nennt ihn deshalb den deutschen Correggio. Bei allen Vorzügen zeigt aber G. bereits Züge des Manierirten, seine Gewandung ist malerisch, aber nicht rein, sein Geschmack läßt die Läuterung durch Berührung mit der Renaissance vermissen; auch in allem Architektonischen und Ornamentalen kommt bei ihm nur entartete Spätgothik vor. Sein Hauptwerk unter allem Erhaltenen sind die doppelten Flügel des ehemaligen Hochaltars der Antoniter-Präceptorei zu Isenheim im Elsaß, jetzt im Museum zu Colmar, durch Nachrichten des 16. Jahrhunderts beglaubigt und von dem Präceptor Guido Guersi, der 1493 einen Neubau der Kirche begann und 1516 starb, gestiftet. Die Gegenstände der Tafeln sind: Paulus und Antonius in der Wüste; Versuchung des heiligen Antonius; Maria mit dem Kinde in einer Landschaft, von Engeln verehrt; Mariä Verkündigung; Auferstehung, Kreuzigung und Beweinung Christi. Einige andere Arbeiten sind durch Erwähnung Sandrart’s oder durch alte Inventarnotizen [53] bestimmt; mehrere lassen sich noch durch kritische Vergleichung ermitteln. Durch Tradition haftete sein Name an einem Bilde, das Cardinal Albrecht von Brandenburg, Erzbischof von Mainz, in die Mauritius- und Magdalenenkirche zu Halle gestiftet, das dann, nach Einführung der Reformation daselbst, nach Aschaffenburg versetzt wurde und sich jetzt in der Münchener Pinakothek befindet. Es stellt die Bekehrung des Mauritius durch St. Erasmus dar. Aber nur dies Gemälde ist sein Werk, die dazu gehörigen Flügel sind von ganz verschiedenem Charakter und gehören der sächsischen Schule an. Sie haben die Kunstwissenschaft lange irre geführt, Waagen und Passavant glaubten G. auf Grund dieser Flügel beurtheilen zu können und haben ihm zahlreiche Werke zugeschrieben, welche dem Lucas Cranach oder seiner Schule angehören. Dieser falsche G. ist jetzt beseitigt und das Bild des echten ist wiederhergestellt, was der Unterzeichnete in seiner „Geschichte der deutschen Kunst im Elsaß“ und in dem Dohme’schen Sammelwerk „Kunst und Künstler“ versucht hat.