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Artikel „Gisenius, Johannes“ von Heinrich Heppe in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 9 (1879), S. 199–200, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Gisenius,_Johannes&oldid=- (Version vom 22. Dezember 2024, 11:39 Uhr UTC)
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Gisenius: Johannes G., 1577 in dem damals Osnabrückischen Flecken Dissen geboren, besuchte das Gymnasium zu Lemgo (wo er zugleich armer Kurrentschüler war), und sodann die Universität Wittenberg. Nachdem er hier 1605 selbst zu dociren begonnen, übernahm er 1610 das Rectorat der Schule zu Lemgo, welches er 5 Jahre verwaltete, worauf er eine theologische Professur zu Gießen übertragen erhielt. Doch folgte er schon 1619 einem Rufe nach Straßburg. Aber auch hier, wo er in den glücklichsten Verhältnissen lebte, blieb er nicht lange, indem er auf den Wunsch seiner Gattin (welche ihren Anverwandten gern nahe sein wollte), noch vor Ablauf des J. 1620 einen Ruf an die neu errichtete Universität zu Rinteln annahm. Am Tage der feierlichen Einweihung der Universität, am 17. Juli 1621, wurde er in Rinteln als Professor Primarius der Theologie eingeführt. Allein mit dem 4. Februar 1623, – an welchem Tage der Herzog Christian von Braunschweig-Lüneburg Rinteln occupirte, – begann für G. eine lang dauernde, schwere Leidenszeit. Fast alle Professoren und Studenten verließen Rinteln. G. dagegen sah es als zeitiger Rector der Hochschule als seine Pflicht an, auf seinem Posten zu bleiben. Dafür wurde er mit Einquartierung geplagt, zeitweilig auch in Haft genommen und in anderer Weise benachtheiligt, was ihn aber nicht abhielt, soweit es ging, seines Lehramts zu warten. Größere Trübsale aber brachen über ihn herein, als nach Publikation des Restitutionsedikts von 1629 Benedictinermönche in Rinteln erschienen und am 22. März 1630 die Universität (soweit dieselbe mit den Einkünften des Klosters Möllenbeck dotirt war) in Besitz nahmen. G. und die anderen Professoren wurden mit Entziehung aller ihrer Einkünfte auf die Straße gesetzt; ersterer wurde sogar zweimal verhaftet, und bei seiner zweiten Verhaftung am 22. März 1632 nach Minden abgeführt, wo er 9 Monate im Gefängnisse mit der Drohung beunruhigt wurde, daß man ihn der Inquisition zu Rom ausliefern werde. Erst mit dem Ende des J. 1632 nahmen auch diese Drangsale ein Ende. Die Universität war inzwischen vollständig zersprengt worden. Daher war G. jetzt hauptsächlich litterarisch thätig. Im J. 1634 übernahm er daneben die Reformation des Kirchen- und Schulwesens im Stift Osnabrück, und seit 1638 bekleidete er das Amt eines Superintendenten. Bei der Restauration der Universität Rinteln im J. 1641 wurde G. in allen seinen akademischen und kirchlichen Würden aufs Neue bestätigt, und bis zum J. 1646 fungirte derselbe sogar als einziges Mitglied der theologischen Facultät. Als aber seit 1650 die Facultät mit (unionistischen) Anhängern des Helmstädter Theologen Calixt besetzt ward, hatte G. seinen Boden in derselben verloren. Im J. 1652 legte G. (unfreiwillig) seine Würden und Aemter in Rinteln nieder, – wie die Einen sagten, wegen seiner Polemik mit den Helmstädtern, oder wie Andere wissen wollten, weil er als Censor in seine Beurtheilung der gedruckten Predigt eines reformirten Geistlichen in excessiver Weise seinen confessionalistischen Parteihaß einfließen ließ. Wahrscheinlich war durch beides seine Dienstentlassung herbeigeführt worden. – Tief gekränkt zog G. von Rinteln in das benachbarte Kloster Loccum über, von wo aus er die Auszahlung seines noch rückständigen Gehaltes und die Rückerstattung der beträchtlichen Summen betrieb, die er im Interesse der Universität geopfert hatte. Es handelte sich um ein Kapital von mehr als 6000 Thalern. Aber erst durch Anrufung kaiserlicher Hülfe konnte er die Auszahlung der Summe erwirken. Nach einem dreijährigen Aufenthalt in Loccum siedelte dann G. auf sein vor Lemgo gelegenes Landgut, den sogenannten Steinhof, über, wo er (81 Jahre alt) am 6. Mai 1658 starb. – G. hatte sich, namentlich in Rinteln, durch seine akademische und litterarische Wirksamkeit den Ruf eines ernsten und eifrigen Kirchenmannes und eines unermüdlichen Verfechters [200] der lutherischen Orthodoxie erworben. Seine (meistens nicht sehr umfangreichen) Schriften sind theils philosophischen, theils dogmatischen und polemischen Inhalts. Seine Bedeutung in der Geschichte der Theologie ist indessen geringer als das Ansehen war, dessen er sich – als tüchtige Persönlichkeit – seiner Zeit erfreute.

Vgl. Dolles, Lebensbeschreibung der Rinteler Professoren der Theologie I, S. 15 ff. und Strieder, Hess. Gelehrtengesch. Bd. IV, S. 388 ff.