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Artikel „Gaißmayr, Michael“ von Heinrich Ritter von Zeißberg in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 8 (1878), S. 313–314, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Gaismair,_Michael&oldid=- (Version vom 27. November 2024, 05:19 Uhr UTC)
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Gaißmayr: Michael G., ein Knappensohn aus Sterzing in Tirol, der als Schreiber des Landeshauptmannes, dann Secretär des Bischofs von Brixen, zuletzt als Zolleinnehmer in Klausen, sich eine genaue Kenntniß der Landesverhältnisse erworben hatte und 1525 an die Spitze des „Bauernrebells“ in Tirol trat. Er war ein Mann von großer Klugheit und rastloser Thätigkeit, der sich indeß lange zurückhielt und im Stillen wirkte, während seine Gesinnungsgenossen um so kühner waren. Der Aufstand brach am 10. Mai in der Stadt Brixen aus, als Peter Paßler, ein „Absager unseres Glaubens“ auf den Richtplatz hinausgeführt werden sollte und gab sich in der Plünderung der Brixener Pfarr- und Adelshäuser kund. Von da zogen die Bauern noch an demselben Abend vor das Kloster Neustift, welches nur die kluge Entschlossenheit des dortigen Hofrichters Kirchmair vor dem ärgsten Schicksal bewahrte. Am nächsten Tage wählten die Aufständischen G. zum Obersten. Und nun verbreitete sich die Empörung bald über das ganze Land. Brixen und viele Schlösser und Stifter hatten die Aufständischen besetzt. In der fürstlichen Burg lag G. selbst mit 200 Knechten und regierte von hier aus im Besitze eines aufgefundenen Silberschatzes. Erst als in Folge der auf dem Landtage zu Innsbruck gefaßten Beschlüsse Erzherzog Ferdinand die Verwaltung des Stiftes Brixen an sich zog, legten die Bauern in dieser Gegend die Waffen nieder und nun wagten auch G. und seine Hauptleute keinen weiteren Widerstand. Sie legten ihre Stellen nieder und ersterer folgte einer Vorladung nach Innsbruck. Da aber die Flamme des Aufruhrs um Trient im Nons und Sulzberge und im Valsugan fortloderte, floh G. wider seine Zusage aus Innsbruck und stachelte die Bauern zu fortgesetztem Widerstande auf. Als endlich auch hier die Ruhe mit Waffengewalt erzwungen wurde, entrann G. nach Klösterlein in der Schweiz, ohne indessen seine Pläne aufzugeben, vielmehr gedachte er von der Schweiz aus Tirol zu erobern. Zu diesem Zwecke trat er mit den Venetianern und Franzosen in Unterhandlung. Aber die diplomatischen Künste führten ihn zu langsam ans Ziel. Er beschloß, vertrauend auf seine zahlreichen Anhänger in allen Landestheilen mit mehreren Bauern aus Prätigau und dem Schwäbischen noch im Frühling 1526 in Tirol einzufallen. In einem vorausgeschickten Aufrufe sprach er in 28 Artikeln seine Forderungen aus, welche weiter ausgriffen als die der Bauern, indem er eine neue gesellschaftliche und politische Ordnung, die Abschaffung der Stände und der Priesterherrschaft, die Errichtung eines Volksstaats in Aussicht stellte. Die Ringmauern der Städte und Schlösser sollten gebrochen, nur offene Flecken geduldet werden, die Bildstöcke und frommen Feldzeichen verschwinden. Wallfahrten und Messe hören auf. Die Gemeinden wählen ihre Richter und Pfarrer. Die neue Regierung nimmt ihren Sitz in Brixen, wo auch eine Hochschule für die neue Lehre gegründet wird. Ueber die Bauernlasten verfügt die „gemeine“ Landschaft. Die Zölle im Innern werden abgeschafft. Der Zehent dient zur Unterhaltung der Pfarrer und Armen. Die Kaufmannschaften werden abgeschafft, ein oberster Factor soll für das Land den Bergbau leiten, das Erträgniß verrechnen. Für alles Kauf- und Gewerbwesen wird ein eigener Amtmann bestellt. Aus den Gütern der vertriebenen Edelleute u. dgl. bestreitet man die Erhaltung der Aemter und Gerichtskosten; nur in besonderer Noth wird ein Zinspfennig erhoben. Den Mangel an Getreide wollte G. durch Austrocknung der Sümpfe zwischen Meran und Trient, wie durch Zufuhr aus der Lombardei decken. – Doch der Plan schlug auch diesmal fehl. Die Briefe, [314] die er mit seinem Bruder Hans wechselte, wurden aufgefangen und als er Ende April seine Anhänger zu einer Versammlung nach Trogen beschied, wurden die meisten derselben im Auftrage des Erzherzogs Ferdinand gefangen genommen. Er selbst entrann nur mit Noth dem gleichen Loose. Aber G. ließ auch jetzt noch nicht seinen Plan fahren. Was von Westen her nicht gelingen wollte, versuchte er im Osten auszuführen. Er zog den Salzburger Bauern, die sich wider ihren Erzbischof erhoben hatten, mit drei Fähnlein zu Hülfe und wurde bald ihr Anführer. Als die Salzburger Bauern aufs Haupt geschlagen waren, führte er den Rest, bei 1600 Mann, über den Rauriser Tauern nach Tirol. Aber er fand das Aufgebot an der Etsch schon in Bereitschaft und mußte, da auch Georg v. Frundsberg gegen ihn heranzog, den Boden Tirols wieder verlassen. Obgleich unausgesetzt verfolgt, erreichte G. glücklich das venetianische Gebiet, wo er mit seinen Schaaren nicht nur eine gute Aufnahme fand, sondern auch einen so reichen Jahrgehalt bekam, daß er sich bei Padua ein Landgut kaufen und „glänzend wie ein Cardinal“ leben konnte. – Bald sollte er auch hier eine wichtige Rolle spielen. Denn da die Republik Venedig sich dem Bündnisse von Cognac (1526) gegen den Kaiser angeschlossen hatte, so hoffte G., daß es ihm mit Hülfe jener Staaten gelingen werde, über den Nonsberg in Tirol ein- und bis Salzburg vorzudringen. Doch ging diese Gefahr für Tirol in Folge des Friedens von Cambray (1529) vorüber. G. wandte sich nunmehr neuerdings nach der Schweiz, um von hier aus die Ausführung seines einstigen Planes nochmals zu versuchen. Bei der Erbitterung, die damals unter den protestantisch gewordenen Kantonen gegen Ferdinand herrschte, weil er den fünf katholischen gegen sie Beistand versprochen, würde der unermüdliche Revolutionär sein Vorhaben endlich doch haben ausführen können, wenn nicht spanische Meuchelmörder, durch den Preis, den man auf seinen Kopf gesetzt, angelockt, im Jahre 1530 seinem Leben ein Ende gemacht hätten.

Vgl. G. Kirchmair, Denkwürdigkeiten (Font. r. Austr.. I, 473 ff.). – Greuter, Die Ursachen und die Entwicklung des Bauernaufstandes im J. 1525 mit vorzüglicher Rücksicht auf Tirol. Innsbr. Gymnas.-Progr. 1856. – Fr. Schweyger’s Chronik der Stadt Hall (hrsg. von Schönherr, Innsbruck 1867), S. 87. – Th. Mairhofer, Brixen und seine Umgebung in der Reformationsperiode. Brixen 1862 (Gymnas.-Progr.), S. 18 ff. – J. Egger, Geschichte Tirols, II. Bd., S. 89 ff. – S. Ruf, im Archiv für Geschichte und Alterthumskunde Tirols, III. Jahrg., Innsbruck 1866, S. 353 ff.