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Artikel „Gützlaff, Karl Friedrich August“ von Hermann Petrich in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 10 (1879), S. 236–237, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:G%C3%BCtzlaff,_Karl&oldid=- (Version vom 23. Dezember 2024, 06:13 Uhr UTC)
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Gützlaff: Karl Friedrich August G., der Apostel China’s, durch groß- und eigenartige Wirksamkeit in der Missionsgeschichte hervorragend, wurde als eines armen Schneiders Sohn am 8. Juli 1803 zu Pyritz in Pommern geboren. Die häuslichen Verhältnisse waren nicht förderlich, der Vater brustkrank, die Mutter starb früh, eine Stiefmutter folgte. Nach Besuch der Stadtschule wurde der geistesrege, für Geographie und Sprachen besonders empfängliche Knabe zu einem Gürtlermeister in Stettin als Lehrling gethan. Nach Wissenschaften und Abenteuern durstend, fand er aber ein Mittel, dem leidigen Handwerk zu entkommen. Er überreichte Friedrich Wilhelm III. ein Begrüßungsgedicht, welches Ostern 1821 seine Aufnahme in die private, für englische und holländische Gesellschaften vorbereitende Missionsschule Jänike’s in Berlin zur Folge hatte. Die innige Frömmigkeit des greisen Lehrers war von größter Wirkung auf den Schüler. Zu Rotterdam setzte G. seit 1823 mit eisernem Fleiß seine Sprachstudien fort und ging dann, von der niederländischen Gesellschaft angestellt, den 11. December 1826 nach Batavia unter Segel. Hier bereits ergriff er mit Begeisterung, durch den englischen Missionar Medhurst bestimmt, seine Arbeit unter den zahlreich dort lebenden Chinesen, zunächst im täglichen Verkehr die Sprache erlernend. Auch in Riow, wohin er 1827, und in Bankok, wohin er 1828 ging, blieb Chinesenmission seine Hauptarbeit. Seine in Malakka geschlossene Ehe mit einer wohlhabenden Engländerin wurde schon 1831 durch den Tod der Gattin gelöst. Die Abhängigkeit von seiner Missionsgesellschaft löste er selbst, als diese die Arbeit unter den Chinesen als aussichtslos aufgab und wirkte von da ab völlig selbständig, wozu die Hinterlassenschaft seiner Frau ihm die Mittel gewährte. Theils von Bankok, theils von Makao, seinem nächsten Wohnsitz, unternahm er in den folgenden Jahren vier Recognoscirungsreisen in chinesisches Gebiet, welche ihn von der Möglichkeit des Eintritts in dasselbe überzeugten. Ihm wurde derselbe freilich um so leichter, als er selbst chinesische Kleidung und Sitte angenommen hatte, die Sprache wie seine Muttersprache gebrauchte und durch Adoption sich sogar hatte naturalisiren lassen. Diese Vorzüge verschafften ihm auch die gut dotirte Stelle eines Secretärs für chinesische Angelegenheiten bei der englischen Gesandtschaft. Als solcher begleitete er während des Opiumkrieges, 1839–42, die siegenden Heere, durch Predigt und Tractate unermüdlich zugleich missionirend. Nachdem der Krieg den Zugang wesentlich erleichtert und G. 1843 bei seiner Regierung in Victoria auf Hongkong Aufenthalt genommen hatte, begann er jene eigenthümliche, seinen Ruf begründende Missionsthätigkeit. Deren Grundzüge sind: 1) Chinesische Nationalprediger müssen die Sache selbst als ihr eigenes Werk treiben. 2) Die europäischen Mitarbeiter haben völlig chinesische Nationalität und Sitte anzunehmen. 3) Nicht eine Provinz, sondern das ganze Reich ist Gegenstand der Arbeit. Dies durchzuführen, gründete er 1844 den „Chinesischen Verein“, dessen eingeborene Mitglieder unter seiner Leitung ausgebildet und dann zum Predigen und selbst zum Taufen in die Provinzen geschickt wurden. Seit dem Juni 1844 sandte er als Vereinssecretär monatlich einen „Gaïhan“, d. i. Chinesenfreund, unterzeichneten Bericht über den Fortgang seiner Arbeit nach Deutschland, zuerst nach Calw, dann nach Cassel. 1847 gibt er den Bestand auf etwa 400 Getaufte mit 70 Predigern an. Die übrigen Missionare hielten sich mißtrauisch [237] fern. Seinen Plänen neue Theilnahme zu erobern, ging er am 1. Octbr. 1849 nach Europa. Nicht nur England, Holland und Deutschland, sondern auch Rußland, Finnland, Schweden, Dänemark, Oesterreich, Ungarn, Schweiz, Frankreich und Italien besuchte er, überall predigend und Vorträge selbst an Universitäten haltend, überall die evangelischen Missionsfreunde zu chinesischen Vereinen sammelnd. Jedem Lande wurde eine Provinz als Wirkungsfeld zugewiesen. Aber die Frucht dieser großartigen Organisation erntete er nicht mehr. Am 20. Januar 1851 nach Victoria zurückgekehrt, fand er den chinesischen Verein, über dessen inneren Werth er sich selbst vielfach betrogen hatte, durch Intriguen gesprengt; an seiner Wiederherstellung arbeitend, erlag er dort in Folge der Anstrengungen am 9. August 1851 der Gicht, die zur Wassersucht geworden. Der Parteien Gunst und Haß trübt sein Charakterbild bis heute. Die sanguinische, abenteuernde Maßlosigkeit seines Wirkens leugnen auch die Freunde nicht. Von seinen hohen Zielen geblendet, verlor er oft das klare Urtheil über die irdischen Mittel. Seine sehr umfassende litterarische Arbeit greift in die verschiedensten Sprachen, deren er etwa 15 verstand. Er revidirte das chinesische N. T. und übersetzte das A. T. schrieb eine Geographie in chinesischer und eine „Geschichte des chinesischen Reichs“ in deutscher Sprache (Stuttgart bei Cotta, 1847) u. v. a. Durch seine beschreibenden Berichte über China und Hinterindien hat er sich vorzüglich auch um die Länder- und Völkerkunde Ostasiens hervorragende Verdienste erworben und seine Urtheile sind von späteren Forschern großentheils bestätigt worden.

Eine kritische Darstellung seines Lebens, deren Material theils in Regierungsacten und Privatbriefen, theils in vielen, namentlich englischen Zeitschriften zerstreut liegt, steht noch aus. – Gaïhan’s Chinesische Berichte von 1841–46, Cassel 1850. – Monatsberichte der chinesischen Stiftung, 3 Jahrgänge, ebd. 1847–49. – Dr. K. F. A. Gützlaff’s Bericht seiner Reise von China nach England und durch die verschiedenen Länder Europa’s, ebd. 1851.